Über die Story
Die letzte Patientin, so glaube Dollent, hatte seine Praxis gerade verlassen, und der Blick, den der Doktor in das Wartezimmer warf, war er eine routinemäßiger als das er noch einen Patienten erwartete. Eine junge Frau saß in dem Raum und schickte sich an, sein Leben in die Hand zu nehmen. Nein, an eine Liebesbeziehung war nicht zu denken, aber der Dialog begann mit:
»Ihr Stellvertreter ist doch zur Zeit frei?« begann sie. »Doktor Magné, stimmts? ... Ich habe mich erkundigt, bevor ich hereingekommen bin, und ich weiß, dass Sie ihm Ihre Patienten anvertrauen, wenn Sie mit einem Kriminalfall beschäftigt sind… Am liebsten würde ich Sie gleich heute abend mitnehmen…«
Der Doktor setzt an, Widerspruch zu üben, aber scheitert mit der Übung kläglich. Die Frau, deren künftigen Ehemann er bedauert, fesselt ihn nicht nur mit ihren resoluten Verhalten sondern auch mit der Geschichte, die sie bedrückt.
Es war an einem frühen Apriltag gewesen, als Cogniot morgens im Garten seiner Herren, Mist über den Beeten ausstreuen wollte. Kurze Zeit später rannte er zu dem, was die Dorfbewohner »Schloss«, für andere aber nur ein nicht ganz unbescheidenes Anwesen war, und schrie laut um Hilfe. Auf einem seiner Beete, die er mit Mist beglücken wollte, lag ein Mann, erstochen. Das Messer lag noch neben ihm, ohne Fingerabdrücke, wie die Kriminaltechniker kurze Zeit später feststellen, Selbstmord schien also ausgeschlossen. Die Tochter des Hauses, die nur eine Adoptivtochter von Monsieur Vauquelin-Radots war, hatte sofort den Verdacht, dass der Tote ihr leiblicher Vater und Bruder des Hausherren war. Als Täter kam nur ihr Adoptivvater in Betracht: warum konnte sie nicht erklären, sie konnte auch nicht beschwören, dass der Tote ihr Vater ist, da sie ihn nie gesehen hatte.
Sie wusste, dass ihr Vater Jahre in Dakar in einer Irrenanstalt verbracht hatte und bei einem Brand vor fünf Jahren dieser entkommen ist.
Aber ob der Mann nun wirklich ihr Vater ist, vermochte sie nicht zu sagen. Der Hausherr schwieg sich darüber aus, behauptete, den Mann nicht zu kennen. Auf die Veröffentlichung der Fotos in der regionalen Presse meldete sich niemand, er war ein Niemand, der da auf dem Garten gefunden wurde, mit einem Zettel, er möge sich am bekannten Ort zur gewohnten Zeit einfinden; der Kleidung trug, die keinerlei Kennzeichnung enthielt, wo sie gekauft wurde und vom wem sie hergestellt wurde – diese Kennzeichnung wurde feinsäuberlich herausgetrennt. Auch der Weg, den der Mann zum Anwesen genommen hatte, ist schwer nachzuvollziehen: keiner hatte ihn gesehen.
Das ist natürlich ein Fall, der den kleinen Doktor brennend interessiert. Von der jungen Frau beauftragt, macht er sich offensiv ans Werk, blitzt aber beim Schlossherren umgehend ab, hat keine Chance irgendetwas zu erfahren. Aber so leicht lässt sich der Doktor nicht unterkriegen und so geht Dollent seiner Wege und bezirzt den Gärtner, den Briefträger und die Postfrau, auf ein großes Finale hinarbeitend…