Über die Story

Im Büro von Maigret sitzt ein junger Mann, mit sorglosen, befreitem Gesicht. Die Welt kann ihm nichts anhaben. »Ich habe sie nicht totschlagen wollen.« Der Großmutter des Jungen kann das kein Trost sein, sie ist sein Opfer geworden. Der Junge begreift nicht, dass ihn diese Tat seinen Kopf kosten kann. Er freut sich auf eine warme Mahlzeit und eine Unterkunft – die wird er haben. Das es sich nicht um den Weinhändler aus dem Titel handelt, können Sie sich leicht denken. Während Maigret mit dem abschließenden Verhör zum Großmutter-Mord beschäftigt ist, wird er in die Rue Fortuny gerufen.

In dieser wurde vor einer Nobel-Absteige der Weinhändler Oscar Chabut ermordet. Dieser ist Besitzer der Weinhandelskette Le Vin des Moines, deren Geschäfte, Lastwagen und Kähne überall im Land zu finden sind.

Von Chabut hat Maigret noch nie etwas gehört, muss er wohl auch nicht. Aber er weiß, wo er den Mann liegen sieht und vor was.

Er ging auf die Tür zu, drückte auf den Klingelknopf. Es dauerte ziemlich lange, bevor sich die Tür einen Spalt öffnete. Von der Frau im unbeleuchtetem Flur sah man nur ein Auge und eine Schulter.
»Was gibt’s?«
Maigret hatte sie erkannt.
»Guten Abend, Blanche.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Kommissar Maigret. Erinnern Sie sich nicht an mich? Es ist allerdings zehn Jahre her, dass wir uns zuletzt begegnet sind.«

Madame Blanche gehört zu den Menschen, die sich an Begegnungen mit der Polizei eher ungern erinnert oder erinnert wird. Wenn dann einer aus dieser Mannschaft, sie auch noch daran erinnert, ist es ganz aus: sie weiß, das bedeutet Ungelegenheiten. Solch eine Ungelegenheit stürmte nun ihr Haus, denn ohne Einladung abzuwarten, trat Maigret ein und stellte gleich eine entscheidende Frage:

»Wer ist im Haus?«
»Niemand. Warum?«
»Mit wem war Oscar Chabut zusammen?«
»Wer ist Oscar Chabut?«
»Sie sollten lieber ein bisschen mehr Entgegenkommen zeigen, oder ich muss Sie zum Quai des Orfèvres mitnehmen.«

Man sollte meinen, dass so eine Drohung zieht. Aber die Dame ist sehr abgehärtet: sie würde ihre Kundschaft nur mit Vornamen kennen. Die Drohung scheint sie nicht zu schrecken:

»Haben Sie auch durch den Spion gesehen, als Chabut gegangen ist?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Bring sie zum Quai, Lapointe! Da wird sie vielleicht ein bisschen mitteilsamer sein.«
»Ich kann das Haus nicht verlassen. Ich sage Ihnen, was ich weiß. Ich nehme an, dass dieser Herr namens Chabut der Kunde ist, der etwa vor einer halben Stunde gegangen ist.«

Madame Blanche ist wie die Politiker in gewissen Spendenaffären, sie geben immer nur so viel zu, wie die Anderen schon wissen. Ach ja, kann ja gewesen sein. Ob noch jemand im Hause sei, will Maigret wissen, selbstverständlich nicht, dass hätte sie ja schon mal gesagt. Maigret bekommt Lust, trotzdem mal mit Lapointe die Zimmer zu inspizieren. Er schaut sich zu erst das Zimmer an, in welchem das Bett steht, in dem Chabut das letzte Mal lebend dringelegen hat. Madame Blanche wird unruhig, als der Kommissar beginnt, sich auch für die anderen Zimmer zu interessieren. In einem Zimmer findet er ein Mädchen, von dem die »Puffmutter« behauptet:

»Sie ist das Mädchen, das auf den Neun-Uhr-Gast gewartet hat.«
»Kennen Sie sie?«
»Nein.«
Doch das Mädchen zuckte mit den Achseln. Sie schien noch keine Zwanzig zu sein, un in ihrer Haltung zeigte sich jetzt eine gewisse Gleichgültigkeit.
»Er bekommt es doch heraus. Er ist Polizist.«

Anne-Marie Boutin hat die Lage klar erkannt, sie ist die Privatsekretärin von Oscar Chabut (gewesen). Fast jeden Mittwoch tauchte sie mit ihm in diesem Etablissement auf, das erwartete er von Privatsekretärinnen, die in seinen Diensten standen. Ihre Kolleginnen hatten das auch alle hinter sich gebracht, gibt sie zu Protokoll, und machen es immer noch mit. Wem es nicht gefällt, der kann gehen.

Der Weinhändler hat sich im Leben das genommen, was er will. Die Ehen, die er zerstört hat, die Liebschaften, die er angefangen hatte, sind ungezählt. Wie im Privaten, so auch im Geschäftlichen. Er war wenig sentimental, wie es ein Zeuge ausdrückte. Auch hier waren die geschäftlichen Existenzen, die er zerstörte, nicht zu überblicken. Darum ist niemand recht verwundert, ihn tot vor einer Absteige enden zu sehen.

Auch seine Frau nicht, die überrascht ist, aber nicht in Tränen ausbricht, als ihr Maigret die Nachricht überbringt.

Es ist er Maigret, der zu leiden hat. Zum Einen ist es natürlich unangenehm, den Mörder von jemanden zu suchen, dessen Abgang sich viele gewünscht hat, und der Maigret auch ziemlich bald sehr unsympathisch ist. Zum Anderen kämpft der Mann nicht nur mit einer Grippe, sondern auch gegen seine Frau, die ihn unbedingt in Dr. Pardons Obhut sehen will.

Zudem wird es Maigret auch schwer gemacht, irgendwelche Informationen zu bekommen. Allein Anne-Marie Boutin, die von allen Heuschrecke genannt wird und es auch weiß, rückt noch mit Informationen über die (Un)Arten und die Gebaren ihres Chefs heraus. Erst ein anonymer Anrufer bringt Maigret auf die Spur – der Inhalt ist kurz zusammengefasst:

»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie sich wegen des Weinhändlers keine Gedanken machen sollten. Er war ein gemeiner Lump.«

Das ist für die Polizei nun allerdings kein offizieller Auftrag, den Fall abzuschließen.

Ein moderner Maigret, wie schon »Maigret und der einsame Mann«. In dieser Erzählung macht es Maigret aber nicht über Jahreszahlen fest, sondern in dem er über den Geschäftsbetrieb der Weinfirma berichtet und erwähnt, die Mitarbeiter müssten sich mit dem Betrieb von Computern beschäftigen.