Über die Story
Madame Maigret rief, was außerordentlich selten vorkam, am Quai des Orfèvres an und fragte nach, ob Maigret gedenke, zum Mittag nach Hause zu kommen. Ja, gab er zurück, dass hatte er sich vorgenommen. Zu Hause würde ein junger Mann ihn sprechen wollen, Maigret nahm es verwundert, dass sich selbiger nicht bei ihm Büro gemeldet hatte, zur Kenntnis.
Nicht nur, da er sehr viel zu tun hatte (vergiftete Katzen), sondern weil einer seinen ehemaligen Inspektoren – Lourtie aus Nizza – hereinschneite (eigentlich der falsche Begriff, schließlich spielt die Geschichte mitten im Juni), kam er natürlich nicht so bald nach Hause, wie er es seiner Frau angekündigt hatte. Der junge Mann war unterdessen schon gegangen, aber nicht ganz allein:
»Warst du heute morgen im Salon?« fragte sie schließlich.
»Ich? Nein. Warum?«
Weshalb sollte er, ehe er sich auf den Weg ins Büro gemacht hatte, in den Salon gegangen sein, den er verabscheute?
»Mir war nur so als ob?«
»Na, was ist?«
»Nichts. Ich habe versucht, mich daran zu erinnern. Ich habe in der Schublade nachgeschaut?«
»In welcher Schublade«
»Da, wo du deinen Revolver aus Amerika aufhebst.«
Da war die Katze aus dem Sack. Am Vorabend hatte einem guten Bekannten den Revolver, den er von seinen Kollegen vom FBI geschenkt bekommen hatte, gezeigt. Maigret war auf den Revolver, auf dem sein Name eingraviert war, sehr stolz. Ihn schmerzte der Verlust seines Eigentums mehr, als ihn die Tatsache beunruhigte, dass ein junger Mann, der ihn sprechen wollte, jetzt mit (s)einer Pistole durch Paris irrte.
In der Erzählung wird auch der Beginn der Freundschaft zwischen Doktor Pardon und Maigret beleuchtet. Initiator der Begegnung war ein gewisser Jussieu (Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts) gewesen, der die Maigrets zu Doktor Pardon einlud, bei dem sich Pardon und Maigret kennenlernten. Nun waren die Maigrets feste Teilnehmer der allmonatlichen Essen der Pardons. Der Doktor, wenn es noch nicht auf den Seiten erwähnt ist, ist dies sicher keine falsche Stelle, kochte leidenschaftlich gern.
An diesem bewussten Abend war eines dieser Essen:
»Haben Sie übermorgen Zeit? Essen Sie gern provenzalisch? Sind Sie für oder gegen Trüffeln?«
»Für.«
[...]
»Sagen Sie mal, Maigret, würde es Ihnen etwas ausmachen, mit einem alten Bekannten von mir zusammenzutreffen.«
Die Aussicht auf ein provenzalisches Essen mit Trüffeln (Sekundärliteratur: Peter Mayle – »Toujour Provence« – Kapitel: »Trüffelkauf bei Monsieur X«) ließ Maigret dem zustimmen. Da ließ es sich verschmerzen, wenn zum Essen ein »Neuer« eingeladen wurde, den offensichtlich nicht einmal der Doktor so richtig dabeihaben wollte. (Aber was tut man nicht alles für Trüffel!)
Ganz so schlimm wurde es nicht, da der alte Bekannte Pardons nicht zum Essen kam. Am nächsten Tag bittet Dr. Pardon Maigret aber, mit ihm zusammen den Bekannten – Lagrange (auch der Baron genannt) – aufzusuchen. Hatte der in den letzten Tagen seinen Hausarzt noch darum gedrängelt, den Kommissar sehen zu dürfen, hat Maigret beim Besuch gar nicht das Gefühl, willkommen zu sein. Der Baron redet sich heraus, er wäre krank, und wäre deshalb nicht zum Essen gekommen – glaubwürdig war das aber nicht. Schließlich rückt er mit seiner Sorge heraus: sein Sohn Alain wäre nicht nach Hause gekommen.
Maigret kümmert sich nun doch um das Umfeld des Barons, zumal sich der Verdacht erhärtete, dass es Alain gewesen war, der die Maigrets am Boulevard Richard Lenoir besucht hatte und dort den Revolver des Kommissars hat mitgehen lassen. Maigret sorgt dafür, dass die Concierge sich um den kranken Lagrange kümmert. Normalerweise sind Concierges so konstruiert, dass sie alles und jeden in ihrem Haus beschützen, ausgenommen die, die sie aus dem Tod nicht ausstehen können. Meistens sind das Außenseiter, so wie der Baron einer ist. Deshalb nimmt sie das Geld, was ihr gegeben wird, um für den Baron zwar an, aber nicht ohne eine spitze Bemerkung loszulassen:
»Heute nacht, als ich schon meinte, er macht sich aus dem Staub, da war er’s noch nicht.«
Es hatte nur an einem Faden gehangen. Maigret, der beinahe weggegangen wäre, runzelte die Stirn und trat näher heran.
»Er hat heute nacht das Haus verlassen?«
»Er war sogar gesund genug, um mit Hilfe eines Taxifahrers seinen großen Koffer fortzuschaffen.«
Während der Kommissar die anderen beiden Kinder versucht aufzuspüren und ein für ihn sehr merkwürdiges Gespräch mit der Tochter des Barons führt (sagt doch sie [21] zu ihm: Ich hab den Eindruck, dass Sie, Maigret hin, Maigret her, noch viel lernen müssen.), geht Lucas auf die Jagd nach dem Koffer und dem Taxifahrer, der half ihn zu tragen. Der Inspektor fand den Koffer am Gare du Nord in der Gepäckaufbewahrung. es roch schon leicht aus ihm. Maigret kommt mit Mannschaft und Durchsuchungsbefehl. Kurze Zeit später ein Telefonat mit dem Direktor:
»Verzeihen Sie, dass ich sie störe, Chef. Hier spricht Maigret. Es geht um die Sache, von der ich Ihnen erzählt habe. Lucas hatte recht. Ich glaube, Sie täten gut daran, wenn Sie herkämen, es handelt sich um eine wichtige Persönlichkeit, und der Fall dürfte einige Aufsehen erregen –«
Pause.
»André Delteil, der Abgeordnete – Ja, ich bin sicher – Einverstanden – Ich erwarte Sie –«
Der Mann löste hektische Aktivitäten aus. Der Innenminister, der bei einem Dinner unterbrochen wurde, kommentierte es so:
»Der muss sogar noch als Leiche Stunk machen!«
Der vermeintliche Mörder reagiert mit »Nicht schlagen!«-Rufen, bis er in ein Krankenhaus eingeliefert wird, Maigrets Revolver ist erst an einem Raubüberfall beteiligt – einem sehr höflichen zwar, aber nunja, das war dem Überfallenen eigentlich egal – und geht dann auf große Reise nach London. Maigret hat die Gelegenheit, in London eine abgebrühte Dame kennenzulernen, betreut durch Inspektor Pyke.