Über die Story

Hilferufe aus dem Haus eines angesehenen Bürgers und Maigret, der sich ohne Hausdurchsuchungsbefehl Zugang verschafft. Der erste Fall Maigrets hätte – bei Misslingen – durchaus auch der letzte sein können. Denn nicht jeder Vorgesetzte hat Verständnis für solch couragiertes Vorgehen. Bis zur Aufklärung dieses ersten Falles hat der junge Inspektor einen langen, steinigen Weg vor sich.

April 1913. Die Pariser Polizei ist in großer Aufregung, da ein ausländisches Staatsoberhaupt der Stadt seine Aufwartung macht und mit ihm die zugereisten und heimischen Terroristen. Jules Maigret ist Sekretär von Kommissar Le Bret im Quartierbüro Saint-Georges und hat Nachtdienst. Er verbringt die Zeit mit Routinearbeiten, als ein schmächtiger junger Mann in das Büro stürmt:

»Sind Sie überfallen worden?«
»Nein. Ich wollte einer Frau beistehen, die um Hilfe rief.«
»Auf der Straße?«
»In einer Villa an der Rue Chaptal. Ich glaube, es ist besser, Sie kommen gleich mit. Sie haben mich hinausgeschmissen.«
»Wer?«
»Irgendein Butler oder Pförtner.«

Dieser hat auf das Klingeln, Klopfen und Treten sehr unwirsch reagiert und das Ansinnen des jungen Mannes, das Haus betreten zu wollen, brüsk zurückgewiesen. Der junge Mann, ein Flötist, war aber sehr energisch, verlangte Eintritt, und die Gegenseite vertiefte die ablehnenden Argumente mit einem Faustschlag.

Maigret macht sich mit dem Mann – Justin Minard – auf den Weg zu der Villa. Sie wird von der Familie Gendreau-Balthazar bewohnt, sehr bekannt durch die gleichnamigen Cafés und den Kaffee, den es zu kaufen gab. Überall prangte der Name, in der Metro und an den Pferdefuhrwerken der Stadt. Wenn nur ein Fünkchen Wahrheit an dem dran war, was Minard erzählte, so war dies der Stoff für einen Skandal.

Der Butler ist auch gegenüber Maigret abweisend, aber ein Polizeiausweis wirkt Wunder. Es wird Gendreau junior heranzitiert und der geht zur Überraschung Maigrets gleich in die Offensive:

»Ich nehme an, Sie haben meinen Freund Le Bret angerufen, ehe Sie herkamen.«
»Nein.«
»Ach so. Entschuldigen Sie bitte, aber ich kenne mich in den Bräuchen Ihres Gewerbes nicht so gut aus. Le Bret kommt zwar oft hierher, aber – und das sage ich Ihnen gleich – nicht in seiner Eigenschaft als Polizeikommissar. Den sieht man ihm übrigens kaum an! Ein sympathischer Mann, wirklich, und seine Frau ist ausgesprochen charmant. Doch kommen wir zur Sache. Wie spät ist es?«

Die Zeit war ausgesprochen ungünstig, um eine Anliegen vorzubringen. Halb drei Uhr nachts ist kaum die richtige Zeit, einen stadtbekannten Bürger aus dem Bett zu holen, um ihm zu bitten, die Wohnung besichtigen zu dürfen, da ein Flötist, der um diese späte Stunde die Straße passierte, einen Schuss in dem Haus gehört hat und eine Frau am Fenster um Hilfe geschrieen hat. Die Frage, ob Maigret einen Hausdurchsuchungsbefehl hat, erübrigte sich. Er hatte keinen.

Die Inspektion des Hauses brachte nichts. In dem Zimmer, dass zu dem Hilfeschreifenster gehörte, gab es nicht. Das Bett war nicht angetastet und es gab weder Spuren eines Kampfes noch eines Schusses. Die Gardine war im Fenster eingeklemmt, aber dies ist kein sehr schlagender Beweis für eine Verhaftung wegen Totschlags oder Mordes. Im großen und ganzen hatte Maigret das Gefühl, dass dieser nächtliche Besuch in der Villa, nicht das geeignete Mittel ist, seine Karriere zu fördern. Trotzdem glaubte er dem Musiker.

Der Kommissar hatte sich sehr reich verheiratet und verkehrte in den oberen Kreisen von Paris. Die Nachricht, dass sein Sekretär nächtens die Villa von wichtigen Pariser Persönlichkeiten durchsucht hat, stimmte ihn nicht sonderlich froh. Nur die Kombination der verschiedenen Informationen, die Maigret, der Flötist und des Kommissars Frau beisteuerten, stimmten den Le Bret um. Maigret darf den Fall weiterverfolgen, aber nicht offiziell. Sondern als Privatperson. Im Urlaub.

Seine wichtigsten Verbündeten auf der Suche nach dem oder der Toten, dem Täter, der Täterin oder den Tätern und dem Motiv sind eine geschwätzige Magd und der Flötist.