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Gestatten, Maigret.


Maigret ist auf der Leinwand präsent – heute sicher nicht mehr so, wie in früheren Tagen, aber manchmal kann man sich schon wundern. An dieser Stelle sollen Ihnen die verschiedenen Maigret-Darsteller näher gebracht werden.

Ein kleines Beispiel, welches aus dem Leben gegriffen ist: Die Tage über den Jahreswechsel 2002/2003 verbrachten wir in Paris. Wir spazierten viel durch die Straßen, tauchten ein in das berühmte Pariser Flair. Die Abende genossen wir mit mehr oder weniger guten Mahlzeiten in typischen Restaurants und Bistros – nach vielen gelaufenen Kilometern über den Tag fiel man erschöpft in die (viel zu kleinen) französischen Betten.

Worauf ich hinaus will? Man hatte nicht mehr die Muße, sich mit Fernsehen zu beschäftigen. Nur an einem Tag hatten wir die Zeit: Dem der Abreise, als wir in der Lobby auf das Taxi warteten.

Was lief im Fernsehen? Bruno Cremer als Maigret. Wenn das nicht ein Zufall war!

Der letzte französische Serien-Maigret

Bruno Cremer ist im Augenblick der »aktuelle« Maigret – der Dienstjüngste, wenn man so will. Seit Anfang der Neunzigerjahre diente der Kommissar und die Produzenten standen wohl immer wieder vor dem Problem, dass eigentlich schon alles an Maigret-Stoff verfilmt worden war. So ist es auch zu erklärlich, dass man mittlerweile in der Reihe Geschichten als Maigret-Geschichten »verkauft«, die überhaupt gar keine sind, wie zum Beispiel »Madame Quatre und ihre Kinder« aus Jahre 1998. Immer häufiger griffen die Macher auf Kurzgeschichten zurück, die schon in einer Nacherzählung nicht viel hergeben – bemerkenswert, wie sich manche Stoffe aufblähen lassen, zumal die üblichen Maigrets von Bruno Cremer über das Derrick-Format von einer Stunde hinaus gehen. 

Zu den Plus-Punkten, die diese Produktion zusätzlich zu ihrem Hauptdarsteller zu verzeichnen hat, gehört das Flair: Ich würde sagen, an den Stoffen lässt sich meistens nicht genau festmachen, in welchem Jahr eine Geschichte spielt – die Bruno-Cremer-Maigrets sind der Ausstattung nach in den 30er- und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt – ein Zeitalter, in das Maigret gut hineingepasst. Um ein Beispiel zu nehmen, warum ich das so empfinde: Simenon erwähnte, dass Maigret hin und wieder im letzten Augenblick auf die Plattform eines Busses sprang – das tat er gerne, er liebte es. Stellen Sie sich das heute vor? Im Augenblick Ihres Absprunges werden Sie von einem Roller erfasst, der an Ihnen vorbeisaust – die Gefährte in Paris, die nicht nur einen Heidenlärm machen, sondern in der Verkehrsordnung Frankreichs mit irgendwelchen Sonderrechten ausgestattet sein müssen. Die Busgeschichte hat sich auch durch die fehlenden Plattformen erledigt.

2004 wurde Bruno Cremer als Kommissar in Rente geschickt. Es heißt, er wäre gewillt gewesen weiterzumachen. Sechs Jahre später starb Bruno Creme im Alter von 80 Jahren.

Mini-Serie

Wenn zur Zeit – also 2023 – von einem Maigret gesprochen wird, dann fallen einem entweder Gerard Depardieu ein. Allerdings bleibt dessen Maigret-Ausflug wohl ein einmaliger Ausflug. Im Alter von Mitte siebzig mit einem Kommissars-Job anzufangen, ist auch reichlich spät und verheißt nicht viel Zukunft. Und es kommt einem Rowan Atkinson in den Sinn, der vor allem aus seinen albernen Rollen wie Mister Bean und Johnny English  bekannt ist.

Als bekannt wurde, dass sich der Komiker für die Rolle des Pariser Kommissars interessierte und angefangen zu drehen, war eine gewisse Skepsis zu spüren. Viele Zuschauer lauerten drauf, wann die Mimik entgleisen würde. Aber das passierte nicht, fast war die Darstellung des Maigrets zu starr. Letztlich gilt es aber festzuhalten, dass die Produktion und Ausstattung großartig waren. 

Es wurden vier Folgen mit Spielfilmlänge, dann wurde die »Serie« für beendet erklärt. Da es nur zwei Folgen pro Jahr gab, war auch nicht damit zu rechnen, dass die britische Produktion im Umfang an die französischen Pendants beziehungsweise auch dann den Ur-Serien-Maigret mit Rupert Davies heranreichen würde. 

In moderner Kulisse

Der Vorgänger von Bruno Cremer war Jean Richard – der hierzulande gewiss eine Reihe Maigret-Fans beeinflusste. Er erlangte hierzulande nicht die Popularität wie in Rupert Davies, in Frankreich sah das ganz anders aus. Der im Jahr 2001 gestorbene Richard gab den Kommissar seit Ende der 60er-Jahre. In seinen Produktionen wurde nicht so viel Wert auf Flair gelegt: Er war ein, wie Simenon einmal sagte, sehr amerikanischer Polizist, der überhaupt nicht zu der literarischen Vorlage passen wollte. Brummiger, unfreundlicher. Dieser Maigret agierte zudem in einer zeitgenössischen Kulisse – modern hätte man in den Entstehungsjahren gesagt. 

Trotzdem erfreute sich Jean Richard in Frankreich einer außerordentlich großen Beliebtheit – wahrscheinlich wird er deshalb zu Recht als »der« französische Kommissar Maigret angesehen. Über viele Jahre begleitete er die Franzosen. Von 1969 bis 1990 war er als Maigret-Darsteller präsent. Das war auch ein Grund, warum es sein Nachfolger es ungleich schwerer beim Publikum hatte (eine Rolle spielten aber auch die verschiedenen anderen Programmangebote, die zeitgleich mit der Cremer-Serie liefen).

Jean Richard wurde in Deutschland immer wieder gezeigt, nach meinen Informationen war er einer der Freitags-Krimis des ZDF. Auch im DDR-Fernsehen wurden diverse Folgen der Serie ausgestrahlt. Der passionierte Zirkus-Direktor Richard verabschiedete sich von den Fernsehbildschirmen und Leinwänden. Der Schauspieler wurde wie sein Nachfolger ebenfalls achtzig Jahre alt.

Der Cover-Maigret

Gehen Sie mal in eine Runde von Maigret-Anhängern und werfen in die Runde »Rupert Davies ist ein langweiliger Maigret gewesen!«. Sie werden Ihr blaues Wunder erleben! 

Gerade in Deutschland gilt dieser Schauspieler als Monsieur Maigret. An ihn und seine Darstellung kommt keiner heran. Auch hier wurde Wert auf Authenzität gelegt – man fühlt sich in das Frankreich Maigrets zurückversetzt. Im Unterschied zu den französischen Verfilmungen und auch den Rowan-Atkinson-Adaptionen ist in den Folgen immer auch Humor unterwegs. Hin und wieder sogar ein Funken Albernheit. Werkgetreue Umsetzungen sind eher selten in der Reihe zu finden. 

Viele Fans von Maigret-Filmen würden viel darum geben, wenn diese Filme wieder einmal im Fernsehen gezeigt würden. Immerhin sind sie jetzt auf DVD verfügbar und können in beschaulicher Atmosphäre zu Hause geschaut werden.

Die Folgen haben keine Spielfilmatmosphäre, wie man sie aus den modernen Verfilmungen kennt. Es ist ihnen anzusehen, dass sie in Serie und als Serie produziert wurden. Berühmt ist die Eröffnungsmelodie von Ernie Quelle, die man sogar im Internet findet.

Der Spielfilm-Maigret

Wenn es einen König der Simenon-Darsteller gibt, dann ist das sicher Jean Gabin. Bevor ich zu einer Schlachtbank geführt werde, bitte ich, den einleitenden Satz nochmal zu lesen: Keiner stellte so viele unterschiedliche Figuren aus dem Simenon-Universum dar wie Jean Gabin. In drei Maigrets spielte er in den Kommissar – in mindestens sieben anderen Filmen spielte er andere Figuren. 

Simenon schätze Gabin als Maigret-Darsteller, da er die Rolle voll ausfüllte, auch wenn er bemängelte, dass Gabin ein wenig schlampig gekleidet war. Ein nicht zu verachtender Aspekt – schließlich war Maigret nie ein Draufgänger, nie ein vor sich hinwurschtelnder Privatdetektiv – er war ein Beamter. So hatte er sich auch zu geben.

Die frühen Maigrets

Den Ruhm, den ersten Maigret-Darsteller gegeben zu haben, gehört Pierre Renoir. 1932 enstand »Maigrets Nacht an der Kreuzung« – gedreht und produziert von Jean Renoir. Dieser ist in meinen Augen ein wenig interessanter als Pierre Renoir. Beide waren Brüder und Söhne des Malers Auguste Renoir. Jean Renoir war mit Simenon befreundet und blieb es auch sein Leben lang; Simenon erwähnt in seinen autobiographischen Schriften immer wieder den Regisseur und den freundschaftlichen Kontakt. Ein Loblied auf Jean Renoir ist auch in Simenons Briefen an Fellini nachzulesen. Jean Renoir dazu:

»Simenons Buch lässt großartig das rau dieser Ecke, rund fünfzig Kilometer von Paris, vor unseren Augen entstehen. Ich glaube, auf der ganzen Welt gibt es keinen deprimierenden Winkel. Diese paar Häuser, verloren in einem Meer von Nebel, Regen und Dreck, beschreibt der Roman phantastisch.«

Leider gab es bei der Produktion des Films Probleme – ein paar Rollen Film waren verschwunden. Dieser Theorie folgen allerdings nicht alle: einige sind der Meinung, dass die Handlung der fehlenden Rollen, gar nicht erst gedreht wurden. Jean Renoir hatte zu dieser Zeit mit einigen Problemen zu kämpfen – den Zuschauer soll der plötzliche Handlungssprung ordentlich irritieren.

Diese Aufzählung ist nicht vollständig: So wurde mit keinem Wort auf Heinz Rühmann eingegangen oder Gino Cervi, der italienische Kommissar Maigret, der auch in Serie gedreht wurde. Kein Wort über Harry Baur, Albert Préjean, Michel Simon – um einige von den älteren Maigret-Darsteller zu nennen und auch nicht über Michael Gambon, der in einer englischen Produktion (um genau zu sein: Granada), in der jüngeren Geschichte den Kommissar gespielt hat. 

Leider auch noch kein Wort über die exotischen Maigrets: Darsteller aus Japan und Russland.