Amok
Das Verbrechen war selbst für das Simenon-Universum ziemlich einmalig. Fünf, vielleicht auch sechs Erschossene ging auf das Konto eines Mannes, der schlicht und ergreifend Bus genannt wurde. Ein komischer Name für jemanden, der von heute auf morgen zu einem mehrfachen Mörder wurde und dessen Motiv nur ein Streit gewesen sein soll. Ziemlich überreagiert, würde man sagen. Richter Froget hatte das zu interessieren, weil der besagte Mann mit dem Schiff nach Frankreich kam.
Den Telegrammen nach, die die Polizei in Frankreich bekam, kam es zu einem Streit in einer Bar in New York und daraufhin erschoss der eine – Ronald Morton – den anderen, der keinen Namen hatte. Bei der Gelegenheit wurden ein weiterer Mensch verwundet, ein weiterer überlebte verletzt. Auf der Flucht schoss er einen hochrangigen Polizisten nieder (der wohl überlebte) und zwei weitere wurden tödlich verwundet.
Auf einem Schiff setzte er seine Flucht in Richtung Frankreich fort (aber vielleicht war das auch nur Zufall). Ein Billet wäre zu auffällig gewesen, weshalb er sich für eine Reise als blinder Passagier entschied. An Bord wurde er jedoch von Matrosen entdeckt und reagierte sehr aggresiv. Am Ende konnte er seiner Opfer-Liste einen weiteren Strich hinzufügen.
Die Schifffahrtslinie kündigte die Ankunft des Dampfers in Le Havre an und mit ihr auch die Ankunft eines Mörders. Sie bat darum, die Ausschiffung mit größtem Augenmerk zu observieren. Direkt bei der Ankunft konnte die Polizei ihn nicht schnappen, aus dem Rotlichtviertel von Le Havre wurde jedoch berichtet, dass man »einen Schwarzen gesehen hätte«. Am nächsten Morgen wurde er am Bahnhof geschnappt.
Ramponiert ist das richtige Wort, um den Zustand des Gefangenen zu bezeichnen, der vor Richter Froget saß. Auf den ersten Blick hatte der Ermittler in diesem Fall ein großes Problem: Morton sollte verschiedener Sprachen mächtig gewesen sein (für einen Amerikaner bemerkenswert), jedoch nicht Französisch. Der Richter selbst sprach nur Französisch – die beiden Männer waren also sprachlich inkompatibel. Für ein Verhör war das eine schlechte Voraussetzung.
Und trotzdem schaffte es der Richter, diesen Fall zu lösen.
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Bemerkenswert ist, dass sich hier auch wieder ein Ich-Erzähler einmischte und von seiner Begegnung mit Froget berichtete. Während in den Fällen zuvor, Froget seine Schlüsse aus den Verhören zog, kommt er hier zu seiner »Ich löse den Fall nach Aktenlage«-Methode zurück. Nichts anderes bleibt ihm übrig.
Bei einer Kurzgeschichte sich auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, ich habe schnell erkannt, wie der Hase läuft und wie es ausgehen wird, ist keine so große Kunst. Bei dieser Story ist nicht entscheidend, wie der Richter auf die Lösung kommt, sondern im Mittelpunkt steht seine Menschlichkeit. Und deshalb liest man sie sehr gern … auch wenn es für Bus nicht gut ausgeht.