Über die Story
Erntezeit – Jean Nalliers ist gestresst. Hatte er sich das wirklich so vorgestellt, das Bauernleben? Er musste Tagelöhner beschäftigen, um die Arbeit überhaupt zu schaffen, diese waren aber faul und merkten genau, dass Nalliers nicht der Durchsetzungsfähigste war. Sein Versuch, einem Tagelöhner zu kündigen, scheiterte kläglich. Der saß nun da, lachte sich eins und hielt die Anderen von der Arbeit ab. Über die Drohung, die Gendarmen zu holen, lachte er bloß.
Madame Pontreau konnte darüber gar nicht lachen. Ihr ging nicht nur das Volk vor ihrer Türe, oder vielmehr vor der Türe ihrer Tochter, gehörig auf den Geist, sondern auch ihr Schwiegersohn, den sie einen Hampelmann schimpfte. Dabei konnte er noch nicht einmal etwas dafür – seine epileptischen Anfälle waren nun mal eine Krankheit. Er stand nicht dazu, es war damals wohl auch nicht die Zeit, so etwas zuzugeben – die Gefahr abgeschoben zu werden, als Irrer stigmatisiert zu werden, war zu groß.
Es sollte an diesem Tag passieren, dem Tag der Ernte: Madame Pontreau, immer auf sich und ihre Töchter bedacht, geht ihren Schwiegersohn suchen, und findet ihn, wie er auf der Strohmiete liegt und sich nicht mehr bewegt. Sie fasst einen Entschluss:
Madame Pontreau trat näher, hob ihren Schwiegersohn an der Schulter ein wenig an, um zu sehen, wie schwer er war. Dann räumte sie ein Brett aus dem Weg.
Schließlich schleppte sie den Bewusstlosen ohne allzu große Mühe durch das sich teilende Korn.
Die Luke ging auf einen Hof hinaus, den man den »Schweinehof« nannte. Er war gepflastert und ummauert und diente als Werkzeuglager.
[..]
Sie war ruhig. Sie bedachte jede Kleinigkeit. Sie schob Nalliers Brust durch die Öffnung ins Freie hinaus, war einen letzten Blick zur Bodenklappe hinüber und zum Hof hinunter, dann gab sie den Beinen einen Stoß.
Immerhin sah sie nicht zu, wie er fiel. Es gab keinen lauten Aufprall, nur ein dumpfes Aufklatschen.
Der Schwiegersohn war aus dem Weg geräumt. So böse Schwiegermütter laufen einem in der Literatur nicht allzu häufig über den Weg – aus ihrem Blickwinkel hat sie das einzig Richtige gemacht. Der Mann war krank und nicht der Richtige für ihre Tochter. Er war eine gute Partie gewesen, keine Frage. Aber einen Hof zu führen, dafür war er zu schwach, zu weich. Das hatte sie beobachten können, der Umgang mit den Tagelöhnern war nicht souverän.
Außerdem waren da die Schulden, die auf Madame Pontreau lasteten. Der Mann war vor einiger Zeit gestorben und hatte mit gewagten finanziellen Abenteuern das Vermögen der Familie auf Null gebracht. Der Mord an dem Schwiegersohn war auch in der Hinsicht ein lukratives Geschäft.
Das ahnt auch der Vater von Nalliers, der dem Sohn zur Hochzeit diesen Hof gekauft hat. Besser kann es für die Familie Pontreau nicht kommen: da er das Recht an der Hälfte der Erbschaft hat, schlägt er vor, dass er ihr den Hof wieder abkauft. Pontreaus Witwe hält von dem Vorschlag nicht viel – sie beharrt auf einer Versteigerung des Gehöfts, in der Hoffnung das es mehr bringt. Tut es schlussendlich nicht, denn der Käufer ist letztendlich wieder Nalliers Vater, der seinen Hof nochmals kauft. Dieser Unwille, den er in der Kneipe auf die anderen überträgt, in dem er zum Beispiel den Verdacht äußert, das bei dem Tod seines Sohnes vielleicht nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, rühren die Witwe Pontreau (die Ältere, muss man dazu sagen) nicht im Geringsten.
Etwas anderes ist es da schon mit der Madame Naquet, der Zugehfrau, die auch am Tag des Todes im Hause war. Sie redet mehr und mehr, murmelt wirres Zeug vor sich hin und macht merkwürdige Andeutungen. Gegenüber dem Arzt behauptet sie, dass es für sie überhaupt gar kein Problem sei an Geld zu kommen. Eine Geschäftsinhaberin, die sich wahrscheinlich vor Lachen kringeln müsste, fragte sie, wie viel es kosten würde, wenn sie ihr den Laden abkaufen würde. Eine Frau, die den Status einer Tagelöhnerin hat und nur einmal die Woche fest beim Grafen putzen geht, will einen Laden kaufen?
Man beobachtet auch, dass sich Madame Naquet immer häufiger um das Haus der Pontreaus herumtreibt, aber immer vor der Tür stehen bleibt, sich nicht traut in das Haus einzutreten. Das fällt natürlich auch Madame Pontreau auf, und das ist ein Punkt der sie beunruhigt. Hinzu kommt, dass sich mit der alten Naquet ein junger Mann zusammengeschlossen hat, der ein Nichtsnutz zu sein scheint.
Was wäre für die Geschichte das Happyend, fragt sich der geneigte Leser. Nun sind solche glücklichen Enden bei Simenon sehr selten; bei dieser Geschichte, wo ein biederer Schurke den anderen »jagt«, ist man natürlich auf das Ende um so mehr gespannt. Erpressung, wo man sie sich wirklich wünscht.