Selbstbewusst in die Endrunde
Untersuchungsrichter Froget hatte schon die Ahnung, dass es schwer werden würde. Der Staatsanwalt hatte ihm gesagt, dass, wenn er den Mann nicht knacken würde, die Akten zu dem Fall geschlossen würden. Sein Gegenüber, ein reicher und weltgewandter Mann, war für seine Cleverness bekannt. Allerdings redeten auch manche darüber, dass er unbeherrscht und gewalttätig sein konnte. Das war der Grund, warum er vor Froget saß: Der Pascha, wie man ihn nannte, war des Mordes verdächtig.
Die Leser:innen lernen den Verdächtigen als »der Pascha« kennen und der Erzähler wirft diesen noch den Vornamen Enesco hin. Dieser Name ist amüsanterweise eher ein Familienname (und zwar in einem rumänischen Kontext). Für den Pascha scheint das nicht zu gelten. Gibt doch der Berichterstatter freimütig zu, dass diesem Vornamen ein »Rattenschwanz komplizierter Namen« folgte. Das bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, der mit der Information gefüttert wird, dass der Pascha in Istanbul geboren wurde. Und es selbst für die Justiz unmöglich erscheint, herauszubekommen, welche Staatsbürgerschaft der Mann hat. Wenn er doch so viel reist, wie kommt er denn durch die Passkontrollen …
Froget hattte im Vorfeld seiner Befragung eine Reihe von Prostituierten interviewt. Die sagten aus, dass der feine Herr ihnen gegenüber einen unfeinen Umgang pflegte. Das Ausdrücken von Zigaretten auf der Haut gehörte nicht zum Leistungsumfang und galt als unerwünscht, aber zu seinen Vorlieben. Mochte er auch noch so gut zahlen, als Kunde war der Pasche unbeliebt.
Dann versuchte sich Maria Lebesque an ihm und nachdem sie gegenüber einer Kollegin erklärt hatte, dass sie den Mann um den Finger gewickelt hätte. Sie bekam den gewünschten Zugang, wurde mit ihm zusammen im Grand Hôtel gesehen. Aber dann halt nicht wieder …
Jedermann nahm an, dass irgendetwas bei dem Tête-a-Tête schief gegangen war. Irgendwo war sie verscharrt worden und keiner, außer dem Pascha und vielleicht einem Helfe, würde wissen, wo das war.
Das Problem: Es ließ sich nicht beweisen.
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Auf der einen Seite ist da das enorme Selbstbewusstsein von dem Pascha, auf der anderen Seite die Unbeirrbarkeit des Richters, der die Wahrheit herausfinden möchte. Das Verhör nimmt einen sehr interessanten Verlauf und gebannt kann man verfolgen, dass der einem immer unsympathischer werdende reiche Schnösel sich immer weiter aus der Schlinge herauszufinden vermag. Froget lässt sich nicht einlullen aus der Mischung von Jovialität und Brutalität des Mann. Er schlägt alle Korruptionsversuche aus und lässt sich auch von den kurzen Wutausbrüchen – mehr oder weniger versteckt – nicht beeindrucken.
Und das Ergebnis? Das ist ein zweischneidiges Schwert: Froget bekommt zwar die Wahrheit heraus und muss sich ein weiteres Mal nicht geschlagen geben. Aber ob sein Ermittlungsergebnis und das, was dem folgt, wirklich für Gerechtigkeit sorgt, das ist schwierig zu beantworten.