Über die Story
Es gab Gerüchte über ihn: so hieß es, er wäre früher im diplomatischen Dienst gewesen. Aber jetzt, zog er durch die Straßen Istanbuls und keiner, hätte ihn groß beachtet. Er tauchte plötzlich vor Leuten auf, befragte sie kurz, und verschwand, beschattete auf unauffälligste Weise: der Polizist von Istanbul. Unscheinbar wie er war, nahmen ihn die Leute nur als einen alten Mann wahr, wie sie auf den Straßen von Istanbul in Massen flanierten.
So hat auch das Personal im »Pera-Palace«, einem Istanbuler Luxushotel, Schwierigkeiten damit, den Mann zu orten. Meist saß er einfach nur in irgendeiner Ecke, las Zeitung und trank Raki. Aber es kannte den Mann:
Aber wenn er ein Bettler gewesen wäre, hätte ihm der Portier, der in tadelloser Uniform hinter dem Mahagonitresen seinen Dienst versah, wahrscheinlich nicht hin und wieder diskret und freundlich zugewinkt.
Aber wie schreibt schon Simenon in dieser Erzählung:
Am besten ist es, die Ereignisse der Reihe nach und in ihrer ganzen Objektivität darzustellen.
Was wird passieren: ein Mann, der vom Portier Monsieur Burns genannt wird, macht ruft an und möchte ein Taxi samt Begleiter haben. Monsieur Burns ist ein reicher Amerikaner, Erbe eines Tabak-Imperiums, zu Zeit aber auf einer Weltreise. Eine Viertelstunde später kommt er herunter und besteigt ein Auto, in das sich auch der kleine Mann setzt. Auf die Frage, was das denn solle, antwortet der Fahrer, dass sei hier so – der alte Mann würde auf das Auto aufpassen, während man im Restaurant wäre. Das ist die erste Station der Rundreise an diesem Abend: ein typisch türkisches Restaurant. Im Anschluss wird der Gast der Stadt weitergeführt in ein typisch türkisches Etablissement. Nein!, falsch. In ein Etablissement, wie man es in jeder größeren Stadt antrifft, und welches einen leicht anrüchigen Anstrich hat. Monsieur Burns bekommt, was er verlangt und irgendwann zieht sich sein Fahrer und Begleiter diskret zurück, um ihm der Dame seiner Wahl zu überlassen.
Nun ist es in Istanbul üblich, sich auf den Friedhof zurückzuziehen, um spazieren zu gehen, wie das so schön heißt. Der fahrende Begleiter mag sich zwar entfernt haben, sein Autoaufpasser allerdings nicht. Der ist, diskret und unauffällig, mit dabei.
Fünfzig Meter weiter hinten war noch ein Mann. Lautlos schlich er dem Paar nach und verringerte immer mehr den Abstand, bis er sich plötzlich, als man weit genug vom Wagen entfernt war, vorstürzte und den Amerikaner mit einem Knüppel niederschlug, wobei er die Geschicklichkeit eines Profis bewies.
Der kleine alte Mann achtete nicht weiter darauf.
Spätestens an der Stelle ist man als Leser schon etwas irritiert. Warum bewacht der Polizist den Mann den ganzen Abend, passt auf Autos auf und lässt dann, ohne sich weiter drum zu kümmern, seine Zielperson niederschlagen.
Mehr sollte nicht verraten werden, es ist ja eine kleine und feine Geschichte…