Über die Story
Es beginnt recht lauschig. Ein Mann, Eddie Rico, wacht durch das Singen der Amseln auf und macht sich Gedanken über den Tag. Im Geiste geht er durch, was er alles geschafft hat, was für ein glückliches Leben er führt. Eddie muss sich keine großen Sorgen machen - das ändert sich aber mit dem Laufe der Zeit, sehr kurzer Zeit.
Eine kleine Ecke von Florida hat er zu bewirtschaften und dafür zu sorgen, dass die Gastronomie und die Vergnügungszentrem gut mit der örtlichen Polizei auskommen. Eddie sorgt für die Kontakte und auch für die entsprechende Besoldung der zuständigen Staatsdiener. Das Geschäft läuft blendend und keiner muss sich Sorgen machen. Nebenbei hat Eddie noch ein zweites Geschäft aufgezogen, das ganz traditionell, als Fassade für die Hauptaktivitäten gilt: Obst und Gemüse. So hat der Mann einiges geschaffen und lebt für die örtlichen Verhältnisse recht luxuriös.
Eddie hat zwei Brüder: der eine schlägt sich als Killer durch - ein ehrenwerter Beruf; der zweite ist Assistent bei Überfällen. Überfälle auf Personen, die der Organisation untreu geworden sind. Das ist notwendig und Eddie betrachtet den Job seiner beiden Brüder nicht als notwendiges Übel sondern als normales Geschäft. Ohne Fassade, wie das seine, aber das was seine Brüder vollbringen, hält die Organisation am Leben.
In Miami trifft nun hoher Besuch ein und Eddie wird zu seinen Vorgesetzten beordert. Ungeheuerliches hat sich ereignet. Tony, der Jüngste, hat geheiratet. So weit so gut. Sie war nicht aus den Kreisen, in die man als Mitglied der Organisation üblicherweise heiratet, aber das war nicht der Knackpunkt. Der Knackpunkt war, dass der Bruder der Gattin mit der New Yorker Polizei gut verbandelt war und regelmäßig in deren Hauptquartier berichtete. Was wohl?, fragen sich die Paten. Sie hegen die Befürchtung, dass Tony plaudern könne, und das ist ihnen nicht recht. Sie geben Eddie den Auftrag, herauszubekommen, wo sich der eventuell redselige Bruder befindet, damit man diesem ins Gewissen reden könnte.
Aber etwas Anderes macht den Paten ebenfalls zu schaffen. Man hatte den Bruder Gino - der Killer - nach Kalifornien geschickt. Da ist er aber nie angekommen. Eddie sagt, er hätte von seinem Bruder nichts gehört. Das stimmte natürlich nur zum Teil. Gino hatte ihn vorher schon informiert, vor Ort versteht sich, was sich anbahnt - es schien so, dass er nicht bereit war, den Auftrag zu erfüllen und eventuell als Killer seines Bruders zu gelten.
Skrupel kennt Eddie auch, aber der Gehorsam geht vor. Er macht sich auf den Weg, seinen Bruder zu finden. Dabei steuert er verschiedene Stationen an, unter anderem seine Mutter, um allzubald mitzubekommen, dass man nicht nur seinen Brüdern nicht mehr traut, sondern auch Misstrauen ihm gegenüber hegt. Warum sollte man ihn sonst überwachen?
Für den erfolgreichen Obst- und Gemüsehändler aus dem Süden ist die Suche nach seinem Bruder auch eine Reise in die Vergangenheit: Simenon erzählt, wie die Jungen aufgewachsen sind, wie sie in die »Szene« hinein gewachsen sind. In dem Viertel war es normal, dass die Jungen zu Fluchtwagenfahrern und Killern wurde. Sein Vater wurde vor dem eigenen Geschäft niedergeschossen und die Mutter bekam, da es sich um eine verirrte Kugel hatte, von der Organisation ausreichend Hilfe. Es verstand sich, dass die Organisation dann auch für die Kinder sorgte und dass sie auf eine angemessene Karriere hoffen konnten. Ausbruchversuche? Fehlanzeige. Alle drei wurden das, was von ihnen erwartet wurde und die Mutter machte nicht den Eindruck, als ob sie damit unglücklich wäre. Auch wenn sie nicht weiß, wo sich ihr Jüngster herumtreibt.
Für Eddie ist natürlich klar, worauf die Geschichte hinausläuft. Die Organisation unterhält sich nicht einfach mit zur Gefahr gewordenen Mitgliedern, um sie zu überzeugen, dass es besser ist, den Mund zu halten und treu zu bleiben. Sie hat genügend Männer in der Hinterhand und die Sorgen dafür, dass der Wackelkandidat gar nicht erst in die missliche Lage kommt, sich für das Eine oder Andere entscheiden zu müssen. Die Lektion, die verabreicht wird, besteht aus einem Kapitel. Eddie ist angeheuert worden, seinen Bruder ins Grab zu bringen. Den Konflikt muss er mit sich selber ausmachen. Aber er weiß, finden wird man seinen Bruder, und wenn er ihn nicht findet, dann wäre er der nächste Wackelkandidat. Andererseits ist Tony nun mal sein Bruder.
Die Protagonisten in Simenons Romanen haben immer Probleme: Ein solches Problem ist jedoch einmalig. Es geht um einen Loyalitätskonflikt. Was steht höher - die Familie (in dem Fall die Organisation) oder die eigene Familie? Eddie muss das mit sich selbst abmachen, kann keinen fragen, und das macht die Entscheidung sicher nicht leichter. Egal wie er entscheidet, in jedem Fall muss er die Rechnung begleichen.