Über die Story
In England starb ein Kino-Magnat und auf der anderen Seite der Welt fängt man plötzlich an nervös zu werden. Ein Trio macht sich auf den Weg nach Tahiti, um den Erben des Vermögens aufzuspüren. Während die Ziele gleich zu sein scheinen, lässt sich am Anfang schon erkennen, dass die Mittel und Wege, mit denen das erreicht werden soll, sehr unterschiedlich sind. Auch das »Ich habe ihn zuerst gefunden und jetzt ...« wird höchst unterschiedlich gesehen.
Einer, der am Pier in Panama steht und darauf wartet, auf das Schiff in Richtung Tahiti gehen zu könne, ist Major Owen, ein stattlicher Engländer, der in der letzten Zeit nicht vom Glück verfolgt worden war. Dieser Transfer auf der Aramis war seine letzte Chance: mit dem wenigen Geld, was er in der Tasche hatte, war ihm die Gelegenheit, zurückzufahren, falls er einen Misserfolg landen sollte, genommen. Das hält ihn nicht davon ab, standesgemäß einzuchecken und 1. Klasse zu reisen.
Alfred Mougins ist da ein ganz anderes Kaliber. Seine polizeiliche Akte dürfte gut gefüllt sein und er sieht im Auffinden des Erben, seine Chance auf großen Reichtum. Das ist der Antrieb Mougins: die Flucht aus der Ärmlich- und Mittelmäßigkeit. Wenn davon gesprochen wird, dass er dafür bereit ist Leichen zu gehen, hat man den Nagel auf den Kopf getroffen.
Dann war da noch der geheimnisvolle Dritte an Bord, der von Major Owen rasch entdeckt wird. Viele wären dem gegenüber gleichgültig gewesen, aber Major Owen machte sich so seine Gedanken, fragte nach, ob der blinde Passagier irgendwelche Bedürfnisse hätte: zum Beispiel ob er frisches Wasser und etwas zu Essen benötigen würde. Der blinde Passagier ist anfangs sehr zurückhaltend, nimmt dann das Angebot an. Owen bemüht sich, jeden Tag hilfreich zu sein, was schwierig ist, da er den Eindruck hat, dass er beobachtet wird. Der Funker an Bord des Schiffes war besonders lang wach, Owen brauchte Geduld.
Der blinde Passagier hatte sich in einem Rettungsboot versteckt und lag die ganze Zeit unter eine Plane. Eine Frage, die mich sehr beschäftigt: das Boot ist nicht so groß, als dass man sich unter der Plane frei bewegen könnte. Abgesehen davon, dass tödliche Langeweile aufkommen muss, wenn man den ganzen Tag nur rumliegt, und dass es sicher auch nicht dem Rücken zuträglich ist, hat der Mensch auch Bedürfnisse, die fortgeschafft werden müssen. Wie der blinde Passagier an Bord der Aramis dieses Problem löst, bleibt unerwähnt. Andererseits wird von Simenon nicht berichtet, dass sich der Major mit unerträglichen Ausdünstungen herumschlug.
In Tahiti strandeten viele Leute, die sich Hoffnung machten, auf den Inseln ihr Glück zu machen. Simenon hat einen von ihnen in dem Roman »Der Bananentourist« beschrieben. Um sich vor diesen Leuten zu schützen, für dessen Rückfahrt die Verwaltung aufzukommen hatte, wenn die Aussteiger merkten, dass es mit dem Leben in der freien Natur nichts war, verlangte von den Einreisenden den Nachweis, dass sie im Besitz gewissen Vermögens waren. Andere durften gleich weiterreisen. Natürlich gab es Ausnahmen: Major Owen, der stattlich und wohlhabend aussah, der in der 1. Klasse anreiste, wurde nicht dazu genötigt, seine Vermögensverhältnisse aufzulegen. So konnte er in die tropische Welt eintreten und seine Suche beginnen.
Er wird von den Verhältnissen auf Tahiti und einem Sonderling in Empfang genommen. Owen, der der eigentliche Mittelpunkt des Romans ist, hat kurz Gelegenheit sich auf der Insel umzuschauen, sich umzuhören. Sein engster Verbündeter wird schon mit der ersten Stunde Mac, der Barkeeper, in einer Bar, die zu Owens Basis wird, ist. Engländer halten zueinander und je weiter man von der Heimat entfernt ist, um so enger hält man zusammen. So ist es wohl überall. Ebenso hilfreich wie lästig ist Owen aber ein Franzose: Dr. Bénédic, der es geschafft hatte, einen angesehenen Klub innerhalb kürzester Zeit zu entvölkern. Nun war der Arzt fast das einzige Mitglied dieses Clubs und auf Owen, der ihm ein potentielles Mitglied schien, stürzte er sich umgehend (wobei das nicht an Owen lag, denn Bénédic stürzte sich auf jeden Neuankömmling, in der Hoffnung, ihn in seine Fänge zu bekommen.).
Einen besseren Lehrer als den Arzt konnte sich Owen gar nicht wünschen. Bénédic kannte sich prächtig mit den Insel-Gegebenheiten aus, konnte sagen, wer welche Rolle auf der Insel spielte und hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg: das war auch sein Problem. Der Arzt hatte in ausgesprochen trockenes Verhältnis zur Wahrheit, dass es ihm nicht in den Sinn kam, schlimme Tatsachen irgendwie zu beschönigen, um sie zum Beispiel seinen Patienten erträglich zu machen. War jemand am sterben, so sagte er es geradeheraus (der Vater von »Doktor Bergelon« war auch so einer, allerdings war er beliebter – ob diese Eigenschaft gemocht wird oder nicht hängt wohl sehr vom Typ ab). Was sein Verhältnis zu dem Arzt ging, konnte Owen eigentlich in letzter Konsequenz nur verlieren. Er hatte, wenn er den Erben finden wollte, nicht die Möglichkeit, sich nur mit dem Arzt herumzuschlagen. Zumal ihn Mougins an seiner empfindlichsten Stelle packen konnte: Nach dem Motto, dass sich Pack immer findet, hatte der bald die dunklen Kreise auf der Insel ausfindig und zu seinen Verbündeten gemacht, so dass er in kürzester Zeit Einfluss auf Dienstleister Owens ausüben konnte. Alle wollten von dem Major Geld sehen, Geld, dass er nicht hatte. Geld, an das er auch nicht herankommen würde, solange er mit Bénédic »herumhing«. Owen musste etwas unternehmen.
Bald lernt er nicht nur den blinden Passagier kennen ... sondern auch das wahre Leben auf der Insel.
Es wird immer gesagt, dass es nur einen Roman geben würde, der wirklich ein gutes Ende haben würde: »Drei Zimmer in Manhattan« mag ein versöhnliches Ende haben, aber bei dem Verlauf, den dieser Roman hat, kann man sehr zufrieden mit dem Ende sein und es ist ist nicht nur für Simenonsche Verhältnisse ein Happy-End, welches dem Leser angeboten wird. Diese Tatsache verbunden mit einer Extra-Portion Spannung und Exotik, machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Da mag man Simenon verzeihen, dass alle seine Südsee-Bücher darauf ausgelegt sind, den Leser zu desillusionieren.