Über die Story
Simenon schreibt gern über Gangster und die Polizei- und Detektiv-Arbeit ist auch irgendwie seins. Vielleicht wäre er ja auch ein guter Polizist oder Detektiv geworden, wenn es mit dem Journalismus oder der Schriftstellerei nicht geklappt hätte. Wer weiß...
Für diese Reportage reist er nach Istanbul, früher Konstantinopel genannt. Freimütig gibt er gleich in den ersten Sätzen zu, dass die Schönheit und die Reize dieser Metropole schon von anderen Dichtern und Schriftstellern gepriesen wurde, und dass er dafür kaum die richtigen Worte finden würde. Deshalb hatte er sich vorgenommen, die Stadt von einem anderen Blickwinkel her zu beobachten: der des Polizei-Reporters.
Die Türkische Republik war zu dem Zeitpunkt des Besuchs Simenons etwa 10 Jahre alt und Mustafa Kemal Atatürk war dabei, das Land ordentlich umzukrempeln. An einer Stelle habe ich den Begriff des Bildungsdiktators genannt. Das erklärte Ziel Atatürk war es, die Türkei zu einer Republik zu formen. Viele Konflikte in der heutigen Türkei, mit sich selbst, seinen Nachbarn und den Völkern, die das Land neben den Türken bevölkern, haben ihre Wurzeln in der damaligen Zeit.
Simenons erster Weg führt zum Polizeipräsidenten von Istanbul. Er schildert diesen als Persönlichkeit, dessen Büro jedem offen stand und der sein Gehör jedem Mitbürger schenkte. Als er von Simenons Anliegen erfährt, die dunklen Seiten der Stadt zu erforschen, ruft er die Chefs sämtlicher Abteilungen zusammen. Alle Chefs beteuern, dass in dieser Stadt nichts Unrechtes geschieht und es Istanbul gelungen wäre sowohl das Glücksspiel, wie auch Rausch-Delikte, Prostitution und organisierte Kriminalität abzuschaffen. Er mochte es nicht glauben und machte sich daran, den Unterbau der Stadt zu erforschen.
Lang musste er nicht suchen. Die lässlichen Sünden konnte er schon am selben Abend beobachten, am nächsten Abend gerät er jedoch unter die Fittiche eines ehemaligen Polizei-Kommissars, der ihm die wahrhaften dunklen und bösen Seiten der Stadt zeigt. Es war alles zu haben, berichtet Simenon, und die oberen wollten es einfach nicht wahrhaben. Vielleicht war es einfach nur ein gewisser Minderwertigkeitskomplex, der sie bewog, ihre Stadt als lasterfrei darzustellen. Simenon konnte sie aber beruhigen: Der gewöhnliche Pariser pflegt sich auch nicht in Nachtbars herumzutreiben, das wäre die Domäne von Touristen und in Istanbul ist es nicht anders als in anderen Städten, weder schlimmer noch besser.