Über die Story
Das kennt ja wohl fast jeder: Man hat sich etwas Einmaliges zugelegt und zu der Erkenntnis, das es mit der Einmaligkeit nicht weit her ist, kommen dann noch die Rufer, die sagen, das wird nichts, es wird bald kaputt oder auseinander gehen. Ist man noch im Taumel der Freude, wird einem die Stimmung erheblich getrübt; ist man schon im Zustand des Grübelns, sind solche Rufe nicht sehr hilfreich. Lannec geht es so. Er ist nicht nur Kapitän, sondern ist durch den Kauf eines Schiffes auch noch Besitzer geworden. Er hat den letzten Centime zusammengekratzt und war noch auf eine Bürgschaft seiner Schwiegermutter angewiesen. So wird seine Freude erheblich getrübt, da sich die alte Dame schon als Besitzerin des Schiffes aufführt, obwohl sie keinen Centime beigesteuert hat.
Schon die Namensgebung war ihr ein Dorn im Auge gewesen, aber Lannec hatte sich nicht davon abbringen lassen, das Schiff Himmeldonnerwetter zu nennen, und damit seinen Kahn mit seinem Lieblingsfluch zu versehen. Eines hatte Lannec nicht verhindern können: Seine Frau Mathilde hatte darauf bestanden, an der Reise teilzunehmen. Wenn sich Lannec mit seiner Mannschaft in einem Punkte einig war, dann in dem, dass es keine gute Idee ist, die Besitzerin des Schiffes mit an Bord zu haben. Lannec mochte zu Hause der charmateste Ehemann sein, den man sich vorstellen konnte (was einem allerdings schwer fällt); an Bord seines Schiffes war er der Mann, der das Sagen hatte. Es sollte keine Widerworte geben. Lannec gehörte das Schiff, er trug die Verantwortung für seine Mannschaft und die Ladung. Für Beziehungszwiegespräche war da überhaupt keine Zeit vorhanden.
So mochte er über den Zettel, den er zu Beginn der Reise fand, nicht Lächeln. Auf ihm wird kurz und knapp ein Unglück prophezeit. Natürlich ist Lannec nicht abergläubisch, allerdings sollte man solche Mitteilungen nicht einfach rundweg ablehnen.
Es hatte einige Änderungen an Bord gegeben, die dem Beisein seiner Frau Mathilde geschuldet waren: Sie hatte auf einer eigenen Kabine bestanden. Somit begann das große Umziehen an Bord und letztlich schlief der Steward im Speiseraum (und hat in diesem eine Begegnung mit einem Gespenst, welches Lannec allerdings wohlvertraut ist). Auch die Putzorgie seiner Frau hatte für einige Unruhe gesorgt, schließlich war für Lannec und seine Mannschaft das Schiff ein Gebrauchsgegenstand. Man pflegt es nicht, putzt nur das Nötigste. Natürlich schätzt man es auch als Mann, wenn alles schön sauber ist, aber wenn das zur Folge hat, dass man, bevor man in den Speiseraum kommt, die Stiefel und das Ölzeug ausziehen muss, wird man ungnädig. Soweit kommt es allerdings nicht, was aber nicht an einer Selbstbeschränkung von Mathilde lag. Sie und ihr Mann bekamen sich über eine Affäre, die Mathilde mit einem Musiker hatte, in die Haare; so heftig, dass Lannec das passiert, was man leicht beschönigend »Hand ausrutschen« nennt. Mathilde zieht sich in ihre Kabine zurück, schließt sich ein, und spricht mit Lannec kein Wort mehr.
Wie es so ist, versucht man seine Position auszubauen. Mathilde kapselt sich ab und lässt sich nur noch mit Campois ein, der sie mit Essen versorgt. Lannec ist abgemeldet. Der sieht dem nächsten Hafen mit großer Freude entgegen. In Hamburg will er ordentlich einen »drauf machen«, kündigt dies auch so groß an, dass es Mathilde mitbekommen muss. Insgeheim hegt der Kapitän die Hoffnung, dass sich seine Frau mit der Einsicht nach Rouen verabschieden wird, das Seeleben sei nichts für sie, und somit an Bord Ruhe eingekehrt. Aber es kommt ganz anders: Der Bootsmann wird schwer verletzt, weil er nicht mit einer Gespensterfalle gerechnet hat; Lannec bekommt eine brandeilige Fracht nach Island und seine Frau weigert sich, das Schiff zu verlassen. Dazu trägt auch nicht bei, dass sich Lannec sich Frauen an Bord holt, um sich mit ihnen zu vergnügen.
Man könnte nun wirklich meinen, die Fahrt sei verflucht und würde so falsch nicht liegen. Das Schlimmste ist zu dem Zeitpunkt noch nicht passiert: Ein anderes Schiff ist in Seenot geraten und Lannec beschließt, zu helfen.
So besteht der Roman genau genommen aus zwei Teilen. Im Ersten haben wir das übliche (fast schon gewöhnliche) psychologische Spiel, mit dem Simenon seine Leser fesselt. Es entwickelt sind ein Psycho-Krieg zwischen Lannec und seiner Frau, in der jede Partei versucht, so viele Verbündete auf seine Seite zu ziehen, wie es nur geht. Dass es dabei zu Loyalitäts-Konflikten kommt, versteht sich von selbst, und der anonyme Briefe-Schreiber, der Lannec ein Unglück angekündigt hatte, hatte schon nach kurzer Zeit Recht bekommen. Im zweiten Teil, der Psycho-Krieg läuft immer noch zwischen dem Ehepaar, kommt es zu richtiger Action, denn Simenon hat ein Talent die Vorgänge, die sich auf hoher See abspielen, packend zu schildern.
Wie es ausgeht, wird – wie immer – an dieser Stelle nicht verraten. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Übersetzung durch Ingrid Altrichter erfolgte. Mit dieser hatten wir für das Simenon-Jahrbuch 2004 ein Gespräch über das Übersetzen von Simenons vorgenommen, und dabei wurde auch dieser Roman thematisiert. Wen interessiert, wie kompliziert das Übersetzen eigentlich ist (und so ist es natürlich nicht nur das Verdienst von Simenon, wenn eine Szene packend ist, sondern fast genauso die eines Übersetzers), der sollte sich den Artikel zu Gemüte führen.
Ach ja, es soll ja um die Pitards gehen, nicht wahr? Das Rätsel sei gelöst, da es keines ist: Lannecs Ehefrau Mathilde ist eine geborene Pitard. Immer wieder beschäftigt sich Lannec mit der Familie seiner Frau.