Mit einem Fuß im Knast
In den Geschichten vom kleinen Doktor, ist er auch schon aufgetaucht und nun auch hier: Kommissar Lucas. Aber wir bekommen mit dieser Erzählung eine etwas genauere Beschreibung von diesem Kommissar, der den gleichen Namen trägt wie Maigrets Lieblingsinspektor.
»Klein, mürrische Miene, mit einem Chaplin-Bärtchen.«
Vom treuen Inspektor Maigrets wissen wir, dass er kleiner ist als Maigret. Aber von einem Bärtchen war nie die Rede, und auch nicht davon, dass er sein Gesicht mit einer mürrischen Miene zierte. Übermäßige Sorge als Problem kennt Inspektor Lucas ebenso nicht. Es sieht nicht so aus, als würde es sich um die gleichen Personen handeln.
Der Fall
»Onkel John« war ein steinreicher alter Amerikaner, der in Paris lebte. Er wurde beim Verlassen einer Bar erstochen und bestohlen. Die Polizei konzentriere sich auf einen Musiker namens Joseph Leborgne, denn ein »Vögelchen« hatte den Beamten zugetragen, dass der Musiker den Amerikaner umgebracht habe und man in seiner Bleibe Beweise finden würde. Die Sicherheitskräfte hatten sich schon postiert, um die Wohnung zu stürmen und den Musiker festzunehmen. Das hatte Leborgne mitbekommen und seinen alten Bekannten Torrence telefonisch um Hilfe gebeten.
Intervention
Torrence fand das, was ihm der Musiker am Telefon schilderte, dubios. Deshalb gab er den Tipp, dass sich Leborgne und seine Freundin in der Wohnung umschauen, ob sie irgendetwas finden, was verdächtig sein könnte und einen Bezug zum Mord herstellen könnte. Das waren schon einmal sehr clevere Ratschläge, mit denen Torrence seine Bekannten unterstützt hatte. Er selbst machte sich auf den Weg und sackte unterwegs seinen Kollegen (und eigentlichen Chef) Émile ein.
Inspektor Lucas war nicht begeistert, als die beiden Männer zu ihm in die Bar spazierten. Misstrauisch fragt er seinen ehemaligen Kollegen, was er denn hier verloren hätte, und der tischt ihm eine erfundene Geschichte von einem Fall in der Straße aus. Dabei inspizieren die beiden Privatdetektive die Situation und telefonieren von der Bar aus mit dem Musiker. Der hatte mittlerweile ein Beweisstück gefunden, das ihn mit dem Mord in Verbindung bringen hätte können:
»[...] Ich habe zwei Instrumente, die in einen Kasten passen. Zuerst habe ich nichts gesehen ...
Wie soll ich auf die Idee kommen, meine Hand in eines der Saxophone zu stecken? Jedenfalls lag ein Messer darin, an dem noch Blut klebt [...]«
Mit der Tatwaffe in der Hand sollte sich Leborgne nicht erwischen lassen, das war klar. Vor der Tür stand schon die Polizei, die Waffe konnte nicht an einen anderen Ort gebracht werden. Émile hatte eine Idee: Die Bar befand sich im Erdgeschoss. Darüber waren Mietwohnungen und es stellte sich heraus, dass das Zimmer des Musikers genau gegenüber einer dieser Wohnungen lag. Der Privatdetektiv musste nur eine alte Dame zu Tode erschrecken, schon konnte er sich zum Fenster der Wohnung begeben und darauf warten, dass Leborgne die Waffe zu ihm rüber warf. Da gehörte eine ordentliche Portion Glück und Geschick dazu und barg das Risiko, dass das alles daneben ging.
Tat es aber nicht und so landete das Messer im Besitz des Detektivs.
Dumm war der Inspektor nicht: Die Polizisten wussten, wonach sie zu suchen hatten, fanden es nicht. Dafür aber Blutspuren da, wo das Messer aufbewahrt worden war. So gingen sie davon aus, dass die Stichwaffe in der Wohnung gewesen war und die Detektive etwas damit zu tun gehabt hatten, dass die Waffe verschwand. Torrence wird zum Quai zitiert und bekommt einen richtigen Einlauf verpasst. Außerdem gab es ein Ultimatum: Die Waffe sei zur Kriminalpolizei zu bringen.
Währenddessen verhörte man sowohl Leborgne wie auch seine Freundin Julie ohne Unterlass.
Das Problem von Torrence: Émile hatte die Waffe nicht mehr. Womit er nichts zum Zurückbringen hatte. Was hatte sich sein Kollege dabei wieder gedacht? Es lief ein Ultimatum und völlig ungewiss war, wie lange das Pärchen die Tortur durchhalten würde. Torrence war ehrlich verzweifelt.
Wichtig ist nicht das wer!
Dem Leser wird sehr schnell klar gemacht, wer die Tat begannen hat. Es ist an Émile und Torrence, zu belegen, dass es nicht der Musiker war, auf den sich die Ermittler eingeschossen hatten. Dabei arbeiten sie gegen die ehemaligen Kollegen von Torrence – was die Angelegenheit nicht einfacher machte.
Diesen Text habe ich umschreiben dürfen, da ich eine Nachlässigkeit, die ich Simenon zuschrieb – der war während dieser Zeit damit beschäftigt, ein Haus in Nieul zu renovieren und deshalb vielleicht nicht ganz bei der Sache oder einfach nur müde – thematisierte, aber es stellte sich heraus, dass es an der Übersetzung lag und nicht Simenon dafür gesorgt hatte, dass man die Tatwaffe sowohl im Opfer wie auch im Zimmer des Musikers fand.
Wir haben es in der Geschichte mit einem Namensrecycling Simenons zu tun: Der Name »Joseph Leborgne» fand ebenfalls Verwendung in den Rätselgeschichten von »Man lernt nie aus« (»Les 13 Mystères«). Ihren ersten Auftritt hat auch die Sekretärin der Agentur: Berthe. Im zweiten Auftritt war sie schon mit Chloroform betäubt worden – ganz gefahrlos ist das Leben als Schreibkraft bei einer Privatdetektei nicht.
Eine weitere Story aus dem ersten Band der Agence O-Erzählungen, ich kurzweilig und unterhaltsam fand.