Im Sumpf
Groux war ein Trunkenbold, ein unfähiger Bauer, der kurz davor stand, sein Anwesen zu verlieren. Die Banken hatten die Geduld verloren. Sie schickten einen Gerichtsvollzieher und hatten eine öffentliche Versteigerung angeordnet. Vielleicht war Groux ein Fachmann als Landwirt und es wäre ungerecht davon zu sprechen, dass er unfähig war. Das Saufen hatte ihn jedoch von der Arbeit abgehalten.
Am Abend vor der Versteigerung versammelten sich sowohl die üblichen Gäste in dem Gasthaus wie auch zwei Männer, die an Grouxs Anwesen interessiert waren und es ersteigern wollten. Man spielte Karten, trank ein bisschen.
Die ersten waren abgefüllt, ein anderer Gast war müde geworden und begab sich in seine Kammer. Irgendwann, eine standhafte Truppe war noch am Zechen, roch es nach Rauch. Der Wirt ging nachsehen und erkannte, dass der Rauch aus dem Zimmer von Monsieur Borchain kam. Man öffnete die Tür und sah, dass das Bett des Mannes brannte.
Er war jedoch nicht verbrannt und auch nicht an Rauchvergiftung gestorben, man hatte ihn erschlagen. Seine 150.000 Francs, die er zur Ersteigerung des Gehöftes mitgebracht hatte, waren verschwunden. Mord! Die Polizei war gekommen, hatte das Haus auf den Kopf gestellt – irgendwo mussten sich Fingerabdrücke finden und das Geld musste auch irgendwo sein.
Da nichts schlüssig schien, entschied sich Maigret, den Abend des Mordes nachspielen zu lassen. In einer illustren Gesellschaft, die eine Vielzahl von Verdächtigen barg, manövrierte Maigret mehrere Stunden die Akteure, um immer wieder auf Fragen zurückzukommen, die während der Untersuchung wieder und wieder gestellt worden waren.
Die Wirte, Frédéric Michaux und Julia, waren alte Bekannte Maigrets. Sie waren im kriminellen Milieu Paris zu Hause gewesen. Sie gaben sich hier als geläuterte Bürger und betrieben ihr Geschäft in dieser gottverlassenen Gegend, in die sich nur selten Fremde verirrten.
Ein wagemutiger Fremder, der mit dem Gedanken gespielt hatte, sich in der Gegend niederzulassen, hatte diese Idee mit dem Leben bezahlt. Natürlich war es Groux zuzutrauen, auf diese Art und Weise sein Gut zu erhalten, aber was hatte er vom Raub? Würde er sich auf diese Art und Weise entschulden, wäre er so gut wie überführt. Er konnte mit dem Druck, der auf ihm lastete, den Verdächtigungen der anderen Gäste und auch der von Maigret gut leben, auch wenn er hin und wieder aus der Haut fuhr.
Und die Wirte? Waren sie die geläuterten Bürger? Der kleine Zöllner, der mehr schlecht als recht als integer zu bezeichnen war, wirkte zu ängstlich, um ein solche abgebrühtes Verbrechen zu begehen. Aber sind stille Wasser nicht tiefer, als sie oft scheinen?
Den zweiten Bieter schloss Maigret aus. Er hatte kein Interesse an einem Mord, außer der Tatsache, dass er vielleicht Geld sparen könnte. Canut, so hieß jener Mann, hatte als Einziger ein perfektes Alibi. Die anderen Gäste und Wirte bezeugten, dass er den Raum nicht verlassen hatte – bei den anderen gab des jedoch Fragezeichen.
Auch Thérèse und der alte Nicolas, ein Säufer, sollte man nennen. Sie war das Dienstmädchen der Wirte und er ein Fischer, der seine Abende in dem Gasthaus verbrachte.
Maigret seufzte und fuhr sich mit einer müden Bewegung über die Stirn. Jetzt war er schon drei Tage hier, er fühlte sich vom Geruch des Hauses ganz durchdrungen, von der Atmosphäre bis zur Übelkeit angeekelt.
Wie ein Krimi-Dinner wurde das Stück gespielt, bis der Mörder entlarvt war.