Über die Story
Es tauchen immer wieder Fragmente auf, die sich mit dem Leben von Simenon verbinden lassen. Ein Motiv taucht immer wieder auf. Ein junger Mann geht zu einer Prostituierten, obwohl er kein Geld hat. Als Zahlungsmittel bleibt ihm nur eine Uhr, die ihm irgendwann einmal von seinem Vater vermacht worden ist. Albert Bauche ist keine Ausnahme. Als er sich und seinen Gegenübern Rechenschaft abzulegen hat, kommt auch dieses in gedachter oder gesagter Form zu Tage.
Albert Bauche fuhr mit seinem Wagen aus Paris, durch die Wälder von Orlèans und blieb irgendwann liegen. Zu Fuß im Regen, bei sogenanntem unmöglichen Wetter, machte er sich auf die Suche nach einer Telefonzelle und kommt zu einer Wirtschaft. Er lässt sich ein paar Schnäpse einschenken, bevor er zum Telefon geht. Seine Versuche, den Quai des Orfèvres zu erreichen, schlugen fehl, Eine Verbindung kommt nicht zu stande, aber er nimmt auch mit der nächsten Gendarmerie vorlieb. Dem verdutzten Wachtmeister am Telefon teilt er mit, dass er sich in der Wirtschaft in Ingrammes befinden würde und er darauf warte abgeholt zu werden. Nun ist die Gendarmerie nicht dafür bekannt, dass sie einfach so Leute mitnimmt, als Taxiunternehmen dient. Da muss es schon einen Grund geben, und den liefert Bauche dem Wachtmeister. Er glaubt, sagt er ins Telefon, dass er in Paris einen Mann umgebracht hat. Auf Nachfrage präzisiert er: er wäre sich sicher, dass er einen Mann umgebracht hat. Mit so einer Beschuldigung kann man durchaus das Interesse der Polizei erwecken. Es versteht sich, dass auch die Wirtshausbesucher einschließlich des Wirtes dem Gast einen neuen Stellenwert einräumten.
Die Gendarmen kamen aus Vitry und holten Bauche ab. Das »Sie« verliert sich, es wird zum abwertenden »Du« übergegangen. Mittlerweile hatten die Gendarmen aus Paris Nachricht erhalten, um was für ein Verbrechen es sich handeln würde. Serge Nicolas wurde in seiner Wohnung gefunden. Er wurde erst angeschossen, im Anschluss hatte man mit einem Schürhacken auf ihn eingeschlagen - zweiundzwanzig Mal. Abschließend hatte der Täter – Albert Bauche nach eigenem Bekenntnis – mit einer Statue auf ihn eingeschlagen. Es muss in dem Zimmer, in dem Nicolas umkam, nach einem Massaker ausgesehen haben.
Weder die Gendarmen noch die Pariser Polizei gingen sehr rücksichtsvoll mit ihm um. Das Verbrechen war brutal und Bauche hatte keine Chance auf ein Verbrechen aus Leidenschaft zu plädieren. Wohl hatte Bauches Frau Fernande ein Verhältnis zu Nicolas gehabt, aber das war Bauche bekannt gewesen. Auf die Frage der Ermittler, ob und wann er den Mord an Nicolas geplant hätte, meinte dieser, seit Monaten, später seit Wochen. Aber das spielte keine Rolle. Während der Ermittlungen, in die Bauche zwangsläufig eingebunden war, erfuhr auch er sehr viel Neues. War er bisher davon ausgegangen, dass er Nicolas kennengelernt hatte und ihn dann seiner Frau vorgestellt hatte, offenbart ihm der Untersuchungsrichter, dass es Fernande war, die Nicolas kennengelernt hatte, und dafür gesorgt hatte, dass Bauche in Nicolas Firma als Geschäftsführer eingestellt wurde. Nicht die Fähigkeiten waren es gewesen, die den Geschäftsmann dazu brachten, Bauche einzustellen, sondern es war der Trieb.
Dazu kommt auch noch, und das genügt eigentlich, um einen Mann endgültig zusammenbrechen zu lassen, dass selbst nachdem er nur auf Intervention von Fernande eingestellt wurde, nicht einmal wegen seiner organisatorischen und geschäftlichen Fähigkeiten in seinem Job blieb und geschätzt wurde, sondern weil man ihn als gutmütigen Kerl einstufte, den man gut für dubiose Geschäfts benutzen konnte. Ein typischer Strohmann.
Bauche muss um seinen Kopf kämpfen (heute eine Metapher, damals bittere Realität), denn die Geschworenen verurteilten brutale Mörder, wie Bauche einer zu sein schien, zum Tode. Wie sein Verteidiger, ein alter Bekannter, bald feststellen muss, tut Bauche nicht das Geringste dafür. Immer wieder spricht der Mann von Ehre, aber mit Ehre ist vor einem Schwurgericht nicht viel zu bekennen, wenn man einen Schuss und ein Prügelorgie zu verantworten hat.
Der Untersuchungsrichter fragt ihn, ob er glaube, dass er bei guter geistiger Gesundheit sei. Natürlich, findet Bauche. Auch sein Verteidiger löchert ihn in dieser Hinsicht: im Zweifel am gesunden Menschenverstand sieht er die einzige Möglichkeit, das Leben von Bauche zu retten. An dieser Stelle kommt Anaïs ins Spiel.
Bauche hat ein Faible für den molligeren Typ Frau. Anaïs war so ein Typ. Das Mädel war vier, fünf Jahre älter als Bauche und er ist fasziniert von dem jungen Mädel, welches sich jedem Mann, der nur Lust hat, hingibt. Findet sie keinen Mann, dann legt sie sich an einer bekannten Stelle am Strand hin und wartete darauf, dass sich jemand fand, dem sie sich hingeben konnte. Jahrelang war Anaïs Bestandteil der Träume Bauches. Bei der Untersuchung auf seine geistige Kompetenz stand das Mädel aus der Jugend im Mittelpunkt. Mit ihr versucht Bauche zu erklären, warum alles so kam, wie es kommen musste.
Das wirkt ein wenig weit hergeholt und ich weiß nicht, ob man mich damit überzeugen könnte. Aber dafür ist es ein Roman. Die Spannung bezog er daraus, zu sehen, ob es und wenn ja wie, Bauche gelingt, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. In dieser Geschichte gibt es viel Geplänkel, schon Erzähltes wird noch einmal wiederholt. Auf Neuigkeiten muss man warten. Und dann blitzt es plötzlich auf und man ist wieder gefangen. Erstaunlich wie Simenon mit Geschichten aus der Jugend Bauches, die eigentlich gewöhnlich sind, Betroffenheit auslösen kann, zum Beispiel dann, wenn er erzählt, dass die Kinder des Ortes eine räudige Katze mit Steinen bewarfen und diese schwer verletzten.