Der Hobby-Detektiv

So was von verzwickt aber auch! Da wollten die Maigrets in den Elsass fahren und mit Schwager und Schwägerin Urlaub machen. Aber Pusteblume! Der Schwager hatte sich einen neuen Wagen gekauft und wollte eine Tour Richtung Italien starten. Also keinen elsässischen Obstschnaps, statt dessen vielleicht lieber ein wenig Meeresfrüchte und einen trockenen Weißwein dazu – aber das Hotel in Les Sables-d’Olonne war ausgebucht.

Nach den mahnenden Worten des Freundes und Arztes Dr. Pardon war »kein Urlaub« keine Option. Der Doktor hatte dringend geraten, Urlaub zu nehmen. Maigret hatte ihn die Jahre zuvor einfach ausfallen lassen. Seine Frau war in Sorge, dass er auf den dummen Gedanken kommen könnte, mangels Urlaubsort dies dieses Jahr auch zu handhaben. Nach dem Motto: »Ich habe mir Mühe gegeben, aber Du siehst ja: Nichts zu machen!«

So reagierte sie auch sehr skeptisch, als sie hörte, dass ihr Mann vorschlug, den Urlaub in Paris zu verbringen. Der Verdacht lag nahe, dass er sich, sobald der erste Fall auftauchte, direkt zu seiner Brigade begeben würde, um seine Inspektoren zu unterstützen.

Der Fall

Er hatte es geschworen! Eine Einmischung in einen Fall, der während seines Urlaubs bei der Kriminalpolizei landet, wäre nicht drin. Der Kommissar würde die Füße still halten – stattdessen wollte er gemütlich mit seiner Frau durch Paris spazieren. Seine Frau sollte nicht kochen müssen, sondern sie würden in Restaurants dinieren. Sprich: Sie würden es sich in Paris, wie die Touristen, richtig gut gehen lassen.

Wenn da nicht eines wäre: ein Fall!

Anfangs war es nur eine kleine Notiz in der Zeitung gewesen. Man hatte den Räumlichkeiten eines bekannten Pariser Arztes die Leiche einer Frau gefunden, die nackt in einem Wandschrank verstaut war. Bei der Toten handelte es sich um Éveline Jave, die mit dem Mediziner verheiratet war. Der Mann war da, wo man seine Gattin auch vermutet hätte: In der Ferien-Villa in Cannes, die er für die Familie gemietet hatte.

Maigret wusste jedoch, wie der Hase läuft: Die Prominenz der Betroffenen und die rätselhaften Umstände ließen eine Sensation erwarten, damit ließen sich Seiten füllen und Auflage machen. Maigret war sich ganz sicher, dass sich etwas Großes aus dem Fall entwickeln würde.

Den Start seines Vertreters, Inspektor Janvier, kann man nicht als glücklich bezeichnen. Der zwanzig Jahre jüngere Inspektor beging den Fehler, der Presse nichts sagen zu wollen. Damit spornte man die Journalisten richtig an und so dumm dieser Schachzug Janviers gewesen war, konnte sich Maigret als stiller Zuschauer gewiss sein, nun ausführlich informiert zu werden – von der Journaille. Janvier, da war sich der Chef sicher, hatte keinen leichten Stand. Ihm im Nacken saß Untersuchungsrichter Coméliau und der wollte so schnell wie möglich eine Verhaftung sehen.

Die Verdächtigen

Es gab zwei Kandidaten, die sich für eine Verhaftung anboten: Der Ehemann Philippe Jave und seine Urlaubsvertretung Gilbert Négrel. Jave hatte seine reiche Frau in einem Urlaub kennengelernt und war nach der Hochzeit nicht mehr gezwungen, eine kleine Vorort-Praxis zu führen, sondern konnte am Boulevard Haussmann eine Praxis einzurichten, die sich den Reichen widmete. Wenn man so will, hatte er sich hochgeschlafen. Er gab erst vor, in Cannes zu sein, aber schnell fand man heraus, dass er am Tage des Todes seiner Frau auch in Paris war. Er hätte, so erzählte er den Ermittlern anschließend, seine Geliebte besucht – die zufällig die Tochter einer seiner Angestellten war. Später am Abend hätte er die Stadt mit dem Zug Richtung Cannes verlassen. Ein guter Kandidat und Verdächtiger, aber Coméliau hätte es lieber gesehen, den anderen Mann zu verhaften, der unter Verdacht stand.

Dabei handelte es sich um Gilbert Négrel, der von Jave als Vertretung angeheuert war. Nun war er aber nicht nur Vertretung bei der Arbeit, sondern betätigte sich einige Zeit als Liebhaber von Éveline Jave. Mittlerweile hatte er sich verlobt und nicht mehr so angetan, dass die Frau seines Arbeitgebers an ihm hing und nicht gehen lassen wollte. Für den Untersuchungsrichter zählte dabei auch, dass der Mann nicht prominent und ein leichteres Opfer war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich der junge Arzt tatkräftige Hilfe holen würde – der Vater seiner Verlobten war ein bekannter Pariser Rechtsanwalt.

Eine knifflige Angelegenheit, nicht nur für Janvier, sondern auch für den Richter.

Die andere Perspektive

Maigret unterdessen plante raffinierte Spaziergänge, die nicht alle mit dem Fall zu tun hatten: Er wollte mal »fühlen«, wie es in der Nähe des Tatortes war. Also machten sie sich auf zum Boulevard Haussmann. Seinem Versprechen treu bleibend, ging es während der Zeit in Restaurants, die er in der Vergangenheit wahrgenommen, aber nie besucht hatte. Der Urlaub war eine gute Gelegenheit, das nachzuholen. Plätze, die er früher mit Madame Maigret besucht hatte, wurden nun wieder aufgesucht – die pure Nostalgie.

Den Fall hatte er im Blick. Er scheute sich nicht, bei seinem Arzt Dr. Pardon anzurufen, um Erkundigungen einzuholen und sein Freund führte die gewünschten Recherchen für ihn durch. Auch fand er ein gewisses Vergnügen daran, der Presse Tipps zu geben, diese die Arbeit machen zu lassen und in der Zeitung die Recherche-Ergebnisse nachzulesen. Schließlich galt als oberste Prämisse: Maigret hat Urlaub.

Das Highlight dürften die kleinen Postkarten gewesen sein, die Maigret an seine Kollegen schickte. Darauf gab er kleine Tipps. Mit ungelenker Handschrift verfasste er diese in dem Glauben, seine Mitarbeiter kämen nie drauf, von wem diese Hinweise stammen würden. Schließlich wusste er, dass bei der Polizei jeder Spur nachgegangen würde – zumindest auf Plausibilität wurde immer geprüft. Wer, wenn nicht der Kommissar wusste darüber Bescheid, wie die Kriminalen ticken.

Nicht zu vergessen, dass Maigret selbst nicht auffliegen wollte: Sein Urlaub in der Stadt sollte ein Geheimnis bleiben. Aber man kannte ihn, von daher hatte der Kommissar seine Routen und seine Aktivitäten genau zu planen.

Vergnügen

Der Titel verspricht ein gewisses Amüsement Maigrets, das schon im Original. Ich weiß gar nicht, ob das stimmt. Denn Maigret ist hin und wieder frustriert, dass er nicht alle Informationen hat. Es gibt kaum eine Geschichte (außer den Memoiren), in denen es so viele Referenzen auf andere Fälle gibt wie ein diesem Roman. Eigentlich untypisch für einen Maigret – da spielt sehr viel Nostalgie mit. Er sieht sich als Zuschauer – wie ein alter deutscher Titel hieß – und hat hin und wieder seinen Spaß.

Amüsant ist es auf jeden Fall für den Leser. Denn der dürfte seinen Spaß an dem Hobby-Detektiv haben, den Maigret gibt. Es ist ein Fall, der es einem als Maigret-Fan ermöglicht, Routen in Paris nachzulaufen. Schließlich haben das die Maigrets auch gemacht.