Über die Story
Am Place des Vosges, auch damals schon ein absoluter »In-Platz«, hat ein Laboratorium seinen Sitz. Der Besitzer wird eines Tages erschossen aufgefunden. Hinter ihm der geöffnete Tresor, das Geld weg. Maigret darf nun herausbekommen, warum der Mann umgebracht wurde. Verdächtige mit guten Gründen, könnte man meinen, wohnen direkt im Hinterhof des Laboratoriums. Für den Mord an dem sympathischen Fabrikanten, Maigret fühlt sich ihm sehr verbunden, hatten auch andere ein Motiv.
Eine November-Erzählung.
Es begann in Jeumont. Es war elf Uhr abends. Einige Reisende dritter Klasse begaben sich zu den Zollbüros, während die Zöllner anfingen, die Wagen der ersten und zweiten Klasse zu kontrollieren.
Einige Leute, die es besonders genau nahmen, öffneten ihre Koffer schon im voraus und breiteten den Inhalt auf der Sitzbank aus. Zu diesen gehörte auch ein Mann mit unruhigen Augen, in einem Abteil zweiter Klasse, in dem außer ihm nur ein älteres Ehepaar aus Belgien saß.
Sein Gepäck war ein Muster an Ordnung und Voraussicht. Die Hemden waren in Zeitschriftenbögen eingeschlagen, damit sie nicht verschmutzen konnten. Dazu ein Dutzend Manschettenpaare, warme Unterhosen und Unterhosen für den Sommer, ein Wecker, Schuhe und ein Paar ausgetretener Pantoffeln.
Der Koffer konnte nur von einer Frau gepackt worden sein. Kein bisschen Platz war verschenkt. Nichts konnte zerknittern.
Schon wieder Jeumont! Ein kleiner Zwischenfall ereignet sich an diesem Grenzübergang, es wird aber kein Toter entdeckt, sondern der Mann mit der mustergültigen Ordnung muss zurück nach Paris – aber ich greife vor…
Maigret wird vom Überfallkommando zum Place des Vosges (Nummer 61) geschickt, eine Concierge hätte ziemlich flüsternd ein Verbrechen gemeldet. Warum flüsternd? In dem Haus, welches zum Komplex gehörte, Madame de Saint-Marc ein Kind zur Welt bringt. Da die Frau nicht unter ziemlichen Stress steht, sondern auch sehr zierlich ist, meint die Concierge, dass jeder Lärm, sei er noch leise, schädlich sei. Da kommt ein Mord, wie er sich im Hinterhaus ereignet hat, ziemlich ungelegen – der ist hundertprozentig mit Lärm verbunden, mit lautem Lärm!
Im Hinterhaus des Refugiums der Concierge liegt das Laboratorium Dr. Rivières Seren, welches Monsieur Couchet gehört. Der Besitzer liegt nun tot über seinen Schreibtisch gebeugt vor dem offenen Tresor, in dem sich nicht das Geld befindet, welches er am darauffolgenden Tag den Angestellten auszahlen sollte.
Einen Augenblick nach dieser Entdeckung hat Maigret die Gelegenheit die Geliebte des Mannes kennenzulernen: die steht in der Tür, sieht Maigret zusammen mit dem Leichnam ihres Versorgers und fängt an zu schreien. Keine günstige Gelegenheit, die Concierge hatte ihr nicht mitgeteilt, dass Madame de Saint-Marc…
Deshalb hält ihr Maigret auch den Mund zu.
Nine, so heißt die sehr schnell traurig gewordene Geliebte, berichtet nur Gutes von dem Besitzer. Sie könne sich nicht vorstellen, wer den Mann umbringen wolle – Feinde, und damit ist sie sich mit den später vernommenen Zeugen einig, hatte Couchet keine. Er war ein netter Mann, zu Jedem freundlich.
Den Mann, der an der Mülltonne des Hauses nach seinem Handschuh sucht, sieht der Kommissar am nächsten Morgen wieder. Maigret ist früh unterwegs, um Nine in ihrem Hotel am Pigalle zu besuchen. Was für ein Zufall, dass die Freundin von Roger Couchet, dem Sohn des Ermordeten in das Zimmer ihrer Hotelnachbarin kommt, und Maigret so mitbekommt, was für eine interessante Persönlichkeit nebenan wohnt. Er macht sich gleich auf den mühevollen Weg ins Nachbarzimmer, um dort den Mann von der Mülltonne wiederzutreffen, der dem jungen Mann die Todesnachricht seines Vaters überbracht hat.
Wer er denn sei?, ist natürlich die Frage Maigrets. Er sei Monsieur Martin und Mann der Ex-Frau Couchets. Das Leben und die Motive liegen vielleicht doch am Place des Vosges – also nichts wie hin, schließlich möchte der Kommissar die Ex-Frau des Verstorbenen kennenlernen. Diesen Wunsch verspürt er nicht lange. Dem Kommissar mag sogar ziemlich schnell der Gedanke gekommen sein, dass Monsieur Martin es ziemlich bald bereut hat, Couchet die Frau ausgespannt zu haben.
Die Frau hat ihren Mann verlassen, als er noch arm war und ihr ein Mann wie Monsieur Martin, ein Beamter mit einer sicheren Pension, verlockender erschien. Als man sich dann wiedersah, war Couchet ein reicher Mann und Martins lebten zwar sicher, aber nicht besonders wohlhabend. Daran hat die gute Frau gut zu knabbern und kompensierte das, in dem sie ihrem Gatten das Leben zur Hölle machte (drei größere Szenen in der Woche!) und ihren Ex-Gatten mit giftigsten Blicken auf dem Hof bedachte.
Aber die haben ihn nicht umgebracht und er hat noch eine Überraschung parat: Sein Vermögen soll laut seinem letzten Willen gedrittelt werde – ein Teil für seine Frau, ein Teil für seine Ex-Frau und ein Teil für Nine. Davon, dass Couchet dem Kommissar immer sympathischer wird, hat der selbstverständlich nichts…