Über die Story

Maigrets Neffe war es, der den Anruf von einer Notrufsäule entgegen nahm. Der Innendienstler wurde beschimpft, dann hörte der junge Mann, dass ein Schuss fiel. Am Tatort fand sich eine Leiche. Aber es war die Formulierung, die der Anrufer wählte, die beim Kommissar die Alarmglocken läuten ließ: Das Gesagte wurde vor vielen Jahren schon einmal geäußert und war nie öffentlich geworden.

Der junge Mann plauderte mit Maigret, während der Kommissar nicht einfach nur wartete, dass sich etwas in seinem Fall – irgendwas mit einem internationalen Betrüger – bewegte, was für ihn gar nicht so wichtig war, sondern beobachtete die Geschäftigkeit in der Leitzentrale der Polizei, die ihn immer wieder aufs Neue faszinierte und während er dem jungen Mann zumindest mit einem Ohr zuhörte, er war ja nicht nur der Mann in der Leitzentrale, nein, es war auch einer seiner Neffen, registrierte er auch die zahlreichen aufleuchtenden Lämpchen an der Anzeigetafel, die Schicksale kennzeichneten – Unfälle, Schlägereien und Selbstmorde.

Im 18. Arrondissement war ein Lämpchen aufgeleuchtet. Ein Direktruf. Genau in dem Augenblick hatte jemand die Scheibe des Notrufapparats an der Ecke Rue Caulaincourt/Rue Lamarck eingeschlagen…

Der Neffe nahm den Hörer ab und horchte. Er wurde blass, Entsetzen konnte der Kommissar aus dem Gesicht ablesen. Hektisch steckte er die Verbindung um und rief in dem zuständigen Revier an. In diesem Augenblick waren die Einsatzkräfte schon unterwegs. Nach dem Anruf mit dem Revier in der Rue Damrémont schildert der Neffe den Sachverhalt:

»Verzeihung, Onkel… Aber das kam so überraschend! ... Zuerst hab ich eine Stimme gehört, die in den Apparat rief:
Ich sch… auf die Polizei!
Und dann, gleich darauf, den Knall eines Schusses.

Maigret wird sofort stutzig. Diesen Spruch hat er schon einmal gehört. Entgegengeschleudert am Telefon von einem polnischen Kriminellen, der kurz (nach dem Ende des Telefongesprächs) an einem Schuss aus seiner eigenen Waffe verschied. Die Bemerkung des Selbstmörders wurde nie veröffentlicht, nur enge Mitarbeiter aus der damaligen Ermittlungsgruppe konnten es wissen. Es gibt keine Zufälle und Maigret lässt Betrüger Betrüger sein und macht sich auf den Weg zum Tatort. Dort liegt tatsächlich ein erschossener Mann, die Waffe liegt neben ihm. Aus seinen Ausweispapieren erschließt sich, dass sie es mit Michel Goldfinger zu tun hatten, einem Diamantenhändler.

Maigret ist nicht zuständig für den Fall, der fällt eindeutig in das Kommissariat des Arrondissements. Der zuständige Inspektor stand auch kurz nach Maigret auf der Matte beziehungsweise am Ort des Verbrechens: Lognon. Als der griesgrämige Inspektor den berühmten Ermittler ermittelte, verhärteten sich seine Züge und sein Gesicht sagte: »Na klar, wieder ein Fall den sie mir wegnehmen und die Lorbeeren ernten.«

Maigret hatte nur Mitleid, da er Lognon ein ganz gut leiden konnte und ihn für einen fähigen Polizisten und Detektiv hielt. Wenn nur seine Natur nicht wär!

Selbstmord wird angenommen, darauf deutete auch der Anruf. Nur was hatte dieser Anruf für einen Sinn, wo doch Goldfinger für den Inspektor aus dem Bezirk kein Begriff war, für den Kommissar schon gar nicht.

Lognon und Maigret machen sich zur Adresse auf, die in dem Ausweis stand. Dort treffen sie eine interessante Familienkonstellation an. Die Ehefrau und ihre Schwester befinden sich in der Wohnung, der Frau scheint es nicht gut zu gehen, die ihre Schwester übernimmt das Reden und zeigt sich wirklich betroffen von dem Tod ihres Schwagers. In den Gesichtszügen der Frau können die Ermittler eine solche Regung nicht verzeichnen.

Alles wird noch verworrener, als Maigret vom Labor erfahren muss, dass die Kugel, die man in Goldfinger fand, typische Spuren eines Schalldämpfers fand. Die Waffe, die man neben dem Toten fand, hatte keinen Schalldämpfer und zum anderen war es ja so, dass Maigrets Neffe und der Wachhabende im Bezirksrevier einen Schuss gehört hatten.

Nicht Selbstmord, Mord war es.