Ohne Methode

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Paris im Mai. Regnerisch und kalt. An Maigrets Seite steht Inspektor Pyke von Scotland Yard, der von seinem Chef den Auftrag erhalten hat, die Methoden der Pariser Polizei und seines bekannten Kommissars zu studieren. Maigret hält dies für eine Schnapsidee: er hat keine Methode. Er kann sich an Pyke nicht so recht gewöhnen, welcher in seinem absolut korrekten französisch nur hundertprozentig treffende Bemerkungen hervorbringt.

Nach einem »Besuch« in einer Nachtbar, in der ein Barkeeper wahrscheinlich von einem Lokalrivalen aus dem Weg geräumt wurde und bei dem die Anwesenden rein gar nichts gesehen haben (eigentlich ist Maigret so etwas egal, aber in Anwesenheit von Inspektor Pyke, drückt das seine Stimmung enorm), bekommt er einen Anruf aus Porquerolles, dass ein Mann umgebracht wurde. Der Mord auf der Insel im Mittelmeer fällt nicht in Maigrets Zuständigkeitsbereich, aber der vor Ort fasst agierende Inspektor Lechat – ein früherer Mitarbeiter Maigrets – hat herausbekommen, dass der Tote am Abend vor seinem Tod in einem Restaurant sich damit brüstete, dass Maigret sein Freund sei. Lechat stellt sich zu Recht die Frage, ob da nicht ein Zusammenhang bestehen könnte.

Maigret macht sich auf den Weg in die Registratur, um Informationen über den Toten – Marcel Pacaud – zu holen. Mit diesen kommt die Erinnerung. Pacaud wurde von Maigret wegen kleiner Delikte verfolgt und kam ins Gefängnis. Der Kommissar sorgte dafür, dass die Freundin Pacauds – Ginette –, die unter Schwindsucht litt, einen Platz im Sanatorium bekam. Ganz Mensch, der Maigret ist, teilte er dies Pacaud in einem Brief mit. Dann verlor er beide aus den Augen.

Pacaud hatte sich nach seinem Aufenthalt an dem Ort mit der gesiebten Luft aus dem zwielichtigen Milieu zurückgezogen. Die Insel war der richtige Ort, um »auszusteigen«. Der Direktor fasst die Informationen für Maigret zusammen:

»Der dortige Polizeichef hat mir ausführlich darüber berichtet. Er will durchaus, dass Sie sich an Ort und Stelle begeben. Seiner Meinung nach ist Pacaud Ihretwegen getötet worden.«
»Meinetwegen?«
»Er hat keine andere Erklärung für den Mord. Seit mehreren Jahren lebt Pacaud, besser bekannt unter dem Namen Marcellin, auf Porquerolles in seinem Boot. Er war richtig populär auf der Insel. Soweit ich mitgekriegt habe, glich er einem Clochard mehr als einem Fischer. Im Winter tat er nichts. Im Sommer schipperte er Touristen, die angeln wollten, in seinem Boot rund um die Insel. Niemand hatte Interesse an seinem Tod. Er hatte keine Feinde. Er hatte nie mit jemanden Streit gehabt. Gestohlen hat man ihm auch nichts, aus dem einfachen Grund, weil es bei ihm nichts zu stehlen gab.«

Maigret stellt sich auf eine Reise ein und so packt er die Koffer. Mit Inspektor Pyke in den Süden. Auf der Insel kann sich Pyke zu Hause fühlen: zwei Engländer sind schon da. Lady Wilcox, eine Lady die auf einer Yacht vor der Küste mit ihrem Sekretär und zwei Matrosen lebt. Sie hat Hausverbot bei ihrer Tochter und dem Schwiegersohn, das auf den Alkoholkonsum zurückzuführen ist.

Der Major, der in der Indien-Armee gedient hat, ist ein Original. Er gibt im Restaurant für alle Champagner aus, etwas anderes trinkt er nicht. Da Pyke und er auf dem selben College, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, studiert haben, haben die beiden gleichen einen direkten Draht zu einander. (Zur Erleichterung Maigrets, der dadurch der ständigen Begleitung Pykes entwichen ist.)

Vor der Küste wohnt, wie die Engländerin, ein weiteres Pärchen: ein holländischer Maler mit seiner Freundin, von der bekannt ist, dass sie aus gutem Hause kommt und von dem Maler »entführt« wurde.

Das Spektrum wird von drei Bekannten Maigrets aus dem Milieu vervollständigt. Charlot ist ein kleiner Gangster, der sich mit Raub und Glückspiel, einer gelegentlichen Körperverletzung über Wasser hält. Er hatte sich darauf konzentriert im Mittelmeerraum sein Glück mit Glücksspielautomaten, die er in Wirtshäusern aufstellt, zu machen. Zu Maigrets Erstaunen hat Charlot keine Ambitionen die Insel so schnell wie möglich zu verlassen. Ganz offen gibt er zu, dass er glaubt, dass Marcellin nicht aufgrund einer Liebesaffäre umgebracht wurde. Es war das Wissen, dass Marcellin den Tod brachte und dieses Wissen interessiert Charlot, weil sich damit eventuell Geld verdienen ließe. Erpressung nennt man dies normalerweise. Monsieur Emile und seine Mutter, schon im gesegneten Alter, haben sich auf der Insel auf ihr Altenteil zurückgezogen. Die Geschäfte, die immer noch prächtig laufen – sie sind Eigentümer einer Reihe von Freudenhäusern – werden von der Insel aus überwacht.

Diese bunte Schar möchte war an dem Abend anwesend, an dem Marcellin seine Freundschaft zu Maigret verkündete. In Folge dessen, konzentriert sich die Ermittlungsarbeit Maigrets auf diese Leute. Ermittlungsarbeit? Das Wetter ist schön, strahlender Sonnenschein. Das Essen und der Wein sind phantastisch. Informationen bekommt er vom Wirt und der Aushilfe, er beobachtet die Leute und lässt sie erzählen. Für Pyke ist es schwierig eine Methode, in der Art der Ermittlungen Maigrets zu finden; es sieht mehr so aus, als mache Maigret Urlaub. Sein Leben wird bestimmt von den Boules-Spielern und der An-/Abfahrt der Fähre zum Festland.

Dann kommt Ginette um Marcellin zu begraben. Sie waren schon lange kein Paar mehr, aber Ginette hat Verpflichtungen. Ihre Hauptverpflichtung ist aber die Leitung eines Freudenhauses von Monsieur Emile und Mutter. Ihre Schwindsucht hat sie gut überstanden, sie ist eine dralle Frau geworden – und alt.

Die Ermittlungen kommen in Gang, als Inspektor Pyke auf einen Fünf-Uhr-Whiskey beim Major eingeladen ist und Maigret in Ruhe agieren kann.