Über die Story
Also, was vorweg geschickt werden muss, ist, dass in diesem Roman ein völlig neues Bild von unserem Lognon gezeichnet wird. Natürlich nicht ein Bild, in dem er freudestrahlend durch die Welt hüpft und mit sich im Reinen ist, aber, seine Frau ist doch nicht ganz so garstig, wie sie in so mancher Maigret-Erzählung geschildert wird und erfreut sich auch der besten Gesundheit. Einen Jungen, gerade in die Schule gekommen, hat Lognon auch. Auch wird er mit einem Kommissar konfrontiert, uns allen bekannt, der eine sehr wohlwollende Beziehung zu Lognon hat.
Monsieur La Souris, eigentlich ja Hugo Mosselbach, ist ein Original. Jeder kennt ihn in seinem Revier und er hat eine charmante Art die Leute um eine kleine Spende anzugehen. Fast hat man den Eindruck, dass er gar nicht anders kann, als komisch zu sein. So kommt Monsieur La Souris eines Tages auf die Wache und vermeldet, er sei nicht nur gekommen um hier zu übernachten, was er häufiger tut, sondern auch um Fundgut abzugeben: das Päckchen, was er abgibt, ist prall gefüllt mit Geld. La Souris träumt davon, sich in seiner Heimat das alte Pfarrhäuschen zu kaufen: da wäre das Geld schon sehr hilfreich – ohne diesen Glücksfall müsste er wohl sein Lebtag auf den Straßen von Paris betteln, immer auf der Hut vor Polizisten, die ihn wegen Landstreicherei aus dem Verkehr ziehen wollen.
Des einen Glück ist des anderen Pech. Diese simple Tatsache gilt auch in diesem Fall. Denn ist es nicht so, wie Monsieur La Souris auf der Polizeiwache schildert, dass er das Päckchen nur so gefunden hat. Die Übergabe spielte sich ganz anders ab:
Alles war so schnell gegangen! La Souris hatte die Wagentür geöffnet. Er hatte seinen Spruch schon parat, seinen Spruch, der ihn von den gewöhnlichen Bettlern unterschied, denn er versuchte niemals Mitleid zu erwecken. Ganz im Gegenteil! Mit verschmitzten Äuglein sagte er scherzhaft: »Geben Sie mir doch bitte zwei Francs, damit ich einen heben kann, Verehrtester!«
Diesmal hatte er sein Sprüchlein nicht fertig aufsagen können. Kaum ging die Wagentür auf, da kippte der Mann, der aufrecht dagesessen hatte, zur Seite und fiel ihm entgegen. La Souris hatte ihn mit beiden Händen zurückgestoßen; er hatte irgend etwas Klebriges gespürt und im gleichen Augenblick bemerkte er auf der Hemdbrust des Mannes einen dunklen Fleck.
»Machen Sie keine Witze!« hatte er automatisch gemurmelt. »Tun Sie mir das nicht an…«
Extrem ekelhafte Situation, die – aber La Souris fällt das Geld in die Hände und so bekommt der Tod des Unbekannten einen positiven Aspekt – zumindest für La Souris. Das Alles erzählt er auf der Wache natürlich nicht.
Es hilft aber nicht, den Argwohn von Inspektor Lognon hat er trotzdem erweckt. Der möchte gern mehr wissen und lässt den alten Elsässer in der Nacht auf der Wache, nutzt die Gelegenheit, die Habseligkeiten von dem eigentlich Hugo heißenden genauestens zu untersuchen. Dabei fällt dem griesgrämigen Inspektor, ein Bild von der Frau in die Hände. Unvorstellbar, dass es eine Frau, Freundin oder Tochter von La Souris wäre und da dieser am nächsten Morgen nicht erzählen will, was es mit dem Bild auf sich hat, zumindest hat die Story keinen Gehalt, den der Polizist glauben mag, lässt man den Clochard zwar frei, aber nicht ohne eine menschliche Klette – Lognon.