Tod im Rotlichtdestrikt

Der Mann hatte sich seinen Abend gewiss anders vorgestellt: Ein wenig Spaß mit einer gekauften Mätresse, es mal so richtig krachen lassen. Für Jules-Raymond-Claude Forestier war das wie Urlaub, denn diese Ausflüge in die Rotlicht-Viertel konnten ein paar Tage dauern. Diesmal war es eine kurze Ausflug, denn der Alptraum einer jeden Prostituierten trat ein – ihr Klient verstarb. Ob das nun in einer Betätigung- oder einer Ruhephase geschah, wird nicht beschrieben. Am Ende war der gute Mann tot.

Ein Podcast über die Geschichte könnte wie folgt anfangen:

»Könnten wir mal kurz darüber reden, wie sehr es Zufall sein kann, dass Simenon durch die Bank Straßennamen in der Story verwendet, die mit ›b‹ anfangen? Rue des Batignolles, Boulevard de Bonne-Nouvelle, Rue Bréa? Dazu noch der Charakter der Mademoiselle Berthomieu und Graf von B. – also wirklich, wer glaubt denn da noch an Zufall?«
»Das sehe ich wie du, das ist so auffällig. Als hätte er ein Straßenverzeichnis neben sich liegen gehabt und das wäre verklebt gewesen.«
»Genau. Und nur noch die Pariser Straßen mit ›b‹ wären lesbar gewesen.«
»So wird’s gewesen sein!«

Denke nicht, dass Simenon so gearbeitet hat. Aber wer weiß schon. Vielleicht wollte er damit seine Arbeit ein wenig aufpeppen und schauen, ob es jemand merkt. Dann hätte er nun, wenn auch sehr verspätet, ein Erfolgserlebnis, dass es (mal wieder) jemand bemerkt hat. Und kann sich in Schriftsteller-Sektion des Himmels darüber freuen.

Was passiert war, ist ja schon in der Einleitung kurz beschrieben worden. Richter Froget traf in der Rue Bréa auf Kommissar Lucas, der sein Erscheinen schon erwartet hatte. Der Polizist gibt dem Juristen noch mit auf dem Weg, dass alles ziemlich merkwürdig war. In dem nicht sehr gepflegten Haus begibt sich zu der Wohnung, in dem der Verstorbene gelebt hat und lernt Philippe kennen.

Philippe ist – kleine Überraschung! – auch ein Ausländer. Die Kindheit klang nicht sonderlich glücklich, denn er wurde unehelich geboren, war damals noch ein echtes Ding, hatte seine Eltern nicht kennengelernt oder ist zumindest nicht bei ihnen aufgewachsen. Eine Bauernfamilie zog ihn groß, er blieb jedoch nicht in der Landwirtschaft, sondern verdingte sich als Kammerdiener.

Vermutlich durch den Beruf lernte er Forestier, einen Mann in den Fünfzigern, kennen, der ihn unter seine Fittiche nahm. Sie hatten eine Idee, wie sie ahnungslose Menschen ausnahmen konnten und konnten davon passabel leben. Wobei dieses »sie« sehr ambitioniert klingt, es war wohl mehr Forestier, der den Ton angab. Denn Philippe war eher zurückhaltend. Und man hatte auch das Gefühl, dass er weniger Gefährte als vielmehr Sklave von dem Älteren war.

Auf jeden Fall war der eine des anderen überdrüssig. 

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Für Leser:innen, die schon ein wenig im Simenon-Geschichten-Kosmos herumgekommen sind, wird sich hier ein Motiv aufzeigen, dass später auch in einer Maigret-Geschichte auftaucht: die Königstreuen, die man ausnehmen kann[MVMG] Geliefert wird eine schöne Geschichte von »Hast du dir gedacht«, mit einem leicht schwachsinnigen Mordverdächtigen und vor allem der Frage, wie Simenon an der Stelle die Schuldigen gezählt hat. 

Kann man gut lesen, bereitet Vergnügen. In dem Zyklus ist es aber nicht meine Lieblingsgeschichte gewesen.