Über die Story
Es gibt einige Ecken Frankreichs, die Simenon zu immer neuen Geschichten inspiriert haben; andere Gegend finden kaum Erwähnung im Werk Simenon. Die Atlantikküste, insbesondere La Rochelle gehören dazu, auf der anderen Seite Frankreichs, die Côte d’Azur. Hier ist das Dreieck Nizza, Cannes, Toulon zu nennen (ein sehr langgestrecktes Dreieck), innerhalb dessen eine Vielzahl von Romanen Simenons spielen. So auch »Die Sackgasse«.
Wladimir führt ein ruhiges Leben in St. Juan. Er ist als »Betreuer« auf der Elektra eingestellt und putzt mit seinem Freund das Schiff und dient auf dem Schiff bei den seltenen Reisen, welche die Halterin Jeanne Papelier unternimmt. Dann haben sie den Status von Matrosen, im normalen Alter sind Wladimir und sein Freund Blinis Diener der Frau. Blinis auf der Yacht; Wladimir als Liebhaber auch in der Liebhaber der Frau in der Villa in Super-Cannes. Zu einem Bruch zwischen Wladimir und Blinis kommt es, als Jeanne Papelier eine Tochter aus früherer Ehe auf dem Schiff unterbringt.
Der fröhliche Blinis gelangt schnell der Zugang zum Herzen von Hélène. Mit seinem stockenden Französisch, seinen »putzigen« Formulierungen, seiner ganzen Persönlichkeit bahnt sich eine Beziehung an, die Wladimir gar nicht gut heißt. Dieses nicht aus Freundschaft, weil er der Meinung ist, dass Hélène Blinis nicht glücklich machen könnte oder weil er seine Freundschaft zu Blinis in Gefahr sieht: vielmehr möchte er selbst das Herz von Hélène erobern. Blinis steht dabei im Weg. Ein fairer Wettbewerb um das Herz der Frau scheint ihm aussichtslos, deshalb wählt er eine niederträchtige List.
Wladimir, der im Haus von Jeanne ein- und ausgeht, kennt die Schwächen seiner Dienstherrin und Geliebten genau. Im Mittelpunkt steht ein Diamant, den sie immer wieder mal sucht und wenn sie ihren Diamanten verlegt hat, schreit sie das ganze Haus zusammen, verdächtigt jeden, ihn gestohlen zu haben. Meistens findet sie ihn dann an der Stelle wieder, an der sie ihn abgelegt hat. Es scheint Wladimir eine gute Idee, den Diamanten zu stehlen und ihn in den Sachen von Blinis unterzubringen. Geschickt versteht er es auch, den Verdacht auf das Schiff zu lenken und eine Durchsuchung auf dem Schiff zu provozieren, eine Idee, auf die Jeanne nie allein gekommen wäre.
Simenon schreibt keine Komödien, so muss man damit leben, dass der Ring dann überraschenderweise nicht bei Wladimir gefunden wird, sondern er wird bei Blinis gefunden, der entsetzt ist und nicht erklären kann, wie der Diamantring zu seinen Sachen gelangt ist. Keiner glaubt ihm, denn was würde ein gewöhnlicher Dieb machen? Er würde abstreiten, dass er den Ring gestohlen hat. Ein übler Charakter wie ein Dieb würde auch beginnen einen anderen Schuldigen zu benennen. Die Chancen von Blinis sind nicht groß, zumal Wladimir ja »dicke« mit der Besitzerin des Ringes ist. Blinis wird aufgefordert, die Yacht so schnell wie möglich zu verlassen. Zurück bleibt Hélène.
Nun glaubt Wladimir freie Bahn zu haben. Aber so einfach ist es mit der Liebe nicht. Nur weil die Liebe plötzlich weg ist, verliebt man sich in den nächsten Daherkommenden. Der Plan von Wladimir platzt wie eine Spekulationsblase: Hélène lässt ihn links liegen und macht ihm mehr als deutlich, dass sie seine Anwesenheit meidet und er sich von ihr fernzuhalten.
Blinis weit weg, Jeanne ist dabei ihren kompletten Bekanntenkreis zu vergraulen – es wird immer unerträglicher für Wladimir. Jeanne war kurz darauf dahinter gekommen, dass es nie und nimmer Blinis gewesen war, der ihr den Ring gestohlen hatte. So hat man bald den Eindruck, dass sie Wladimir in der Hand hat. Zwischen zwei Frauen – eine, die ihn meidet und einer anderen, die Zuneigung von ihm fordert, die er ihr nicht entgegenbringen will; wird Wladimir immer gereizter.
Man kann einen Menschen wie eine Sicherung nur bis zu einem bestimmten Punkt belasten (drum: Sicherung durchbrennen). Eine solche Sicherung fliegt auch bei Wladimir raus, als er erfährt, dass Hélène schwanger ist. Hélène bittet ihn, dass er ihr eine Abtreibung ermöglicht. Die Tatsache, dass Blinis Vater wird, erschüttert ihn schwer und die Skrupel, mit der er die ganze Zeit zu kämpfen hat, scheinen die Oberhand zu gewinnen. Damit sie gewinnen, muss er mit einem letzten Tabu brechen.
Dieser Tabubruch führt in eine Sackgasse und zu einem Happy-End.
Manch einer ist der Meinung, dass »Drei Zimmer in Manhattan« der einzige Non-Maigret von Simenon wäre, der mit einem Happy-End versehen worden wäre. Das würde ich so nicht bestätigen: Ich meine, auch dieser Roman hat ein versöhnliches Ende. Sicher nicht für jeden der Beteiligten, aber das Gute scheint zu gewinnen. Es heißt ja immer, Gottes Wege sind unergründlich: warum sollte es sich mit dem Weg der Gerechtigkeit und des Glückes anders verhalten?
Obwohl das Buch an der Côte d’Azur spielt, stellt sich kein Urlaubsgefühl ein. Wer dieses sucht, sollte die Non-Maigrets durch die Bank meiden. Hier bietet sich »Mein Freund Maigret« an.