Der uniformlose Soldat

Simenon hat uns eine ganze Reihe von Kurzerzählungen hinterlassen. Da war einiges drunter bei dem der Gedanke: »Der Mann brauchte wohl Geld und hatte keine Zeit.« und anschließend gleich »Aber ich habe dafür bezahlt?« erlaubt war (und ist). Ich will nicht verhehlen, dass man es den Kurzbeschreibungen dann auch anmerkt – diese sind dann genauso inspirationslos wie die eigentliche Story.

Und dann hat Simenon uns Geschichten geschenkt wie diese. Die Ausgangslage ist wie folgt (und ein wenig davon ist natürlich auch meiner Fantasie geschuldet): Da ist ein älterer Mann (die Falten, die beschrieben werden, deuten darauf hin). Nun war er in Frankreich, aber er war nicht der Meinung, dass er in Frankreich sein sollte, noch war er der Meinung, dass er in dem Gastland entsprechend seiner Position behandelt werden würde. Dazu gehörte – eingangs habe ich es erwähnt – auch, dass man seinen Namen korrekt ausspricht. Monsieur Froget, seines Zeichens Untersuchungsrichter, war das völlig egal.

Aber an diesem Punkt hegt man für den älteren Mann noch Sympathien und fragt sich, wie er in die bedauerliche Situation gelangen konnte, vor dem Untersuchungsrichter als Beschuldigter zu sitzen.

»Hundert Meter weiter haben Sie bei einer Kurzwarenhändlerin die Tageszeitung gekauft. Die Händlerin sagt aus, Ihre Hand habe gezittert, als Sie ihr die fünf Sous reichten.«
»Ich bin überzeugt, Sie werden nicht die Aussage einer Kurzwarenhändlerin gegen die eines Generalstabsoffiziers in die Waagschale werfen …«

Das würde sich der Untersuchungsrichter nicht fragen, denn er war dabei zu klären, warum der ausländische Soldat denn nach dem Lesen der Schlagzeilen der Tageszeitung in Aufruhr geriet. Es hatte ihn derart aufgeregt, dass zwei Landsleute hingerichtet worden waren, dass er zum nächsten Waffenladen marschierte, sich eine Waffe kaufte und einen Milchladen(!) überfiel.

Ein Generalstabsoffizier!

Einen Milchladen!

Und das, wo er doch noch recht viel Geld in seinen Taschen hatte! Was hatte er nur für einen Grund.

Der gute Waldemar wird auf den nächsten Seiten nach und nach von dem Richter entblättert und mit jedem zweiten Absatz – zumindest gefühlt – kommt noch etwas obendrein. Das revidiert nicht nur das Bild, was man sich eingangs von dem Mann gemacht hat. Das ganze ist auch noch ziemlich amüsant.

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Einige Geschichten sind bei der Lektüre dieses Erzählbandes schon an mir vorbeigezogen. Diese gehört definiert zu den besten. Der Richter mochte die Titelfigur, vielleicht ja sogar die Hauptfigur sein. Ja, er ist auch so scharfinnig, wie es die Verlagswerbung anpreist. Bravo! Genauso viel Spaß habe ich mittlerweile auch mit den Beschuldigten. Gut ausgedacht, nette Hintergrundstories und die Auflösung der Fälle ist – nehmen wir mal den ersten und vielleicht zweiten Fall – auch plausibel. 

Und ganz ehrlich – das hatte ich von den Geschichten nicht erwartet.