Nach Aktenlage

In der Geschichte können sich Leser:innen und Richter Froget mal ein wenig beschnüffeln. Obwohl dies als aktiver Vorgang den Lesenden vorbehalten bleibt. Der Jurist bleibt bei seinem Papier und verlässt während der gesamten Geschichte nicht den Raum. 

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive eines Erzählers, der den Richter kennengelernt hat und es wird der Eindruck erweckt, dass dieser Jemand bei dem Verhör anwesend war. Die Position und Funktion des Erzählers erschließen sich aus dem Text jedoch nicht. Ausgeschlossen werden kann nur, dass es sich bei dieser Person um den Richter selbst handelt oder um den Verdächtigen.

Auch lässt sich dem Kontext entnehmen, dass der Erzähler (oder vielleicht auch die Erzählerin, obwohl das unwahrscheinlich erscheint), eher von den Fähigkeiten des Richters beeindruckt ist, denn von der Persönlichkeit. Aus dem, was man erfährt, ließe sich schließen, dass Froget ein ziemlicher Langeweiler war.

Auf der Gegenseite saß Ziliouk. Dieser war eventuell ungarischer Abstammung. Festlegen wollte sich weder der Richter noch der Beobachter: Der Mann konnte auch aus einem anderen osteuropäischen Land stammen. Er hatte versucht, dem französischen Premierminister Papiere anzudienen. Geschnappt wurde er in einem französischen Luxushotel und der französische Geheimdienst wusste, dass der Mann schon länger in dem Metier tätig war. 

Nun saß er vor Richter Froget, der die Begrifflichkeit »Verhör« einen ganz neuen Touch verlieh. Er blätterte in verschiedensten Akten und las interessiert in ihnen. Andere aus seiner Branche hätte versucht, zu verbergen, in welchen Akten sie lasen. Aber Froget nicht. Der Verdächtige konnte sehen, womit der Richter sich befasste. Und sich natürlich vorbereiten … 

War er ein Spion? War er ein Dokumentfälscher, als ein Hochstapler? Froget ließ nicht erkennen, welcher These er in Gedanken folgte. Denn er fragte nichts.

Genau genommen, fragte Ziliouk – der sich für einen ziemlich abgebrühten Mann von Welt hielt – mehr als der Beamte, der ihn verhören sollte. Üblicherweise hassen Vernehmer es, wenn die Verdächtigen Fragen stellen. Dieser hier ignorierte seinen »Besucher«.

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So konnte sich der gerissene Verbrecher sicher wähnen, bis zu dem Moment, wo der Untersuchungsrichter die Lösung (vielleicht seine Lösung) präsentierte. Fast so, als hätte er sie aus einer Zauberkiste gekramt.

Diese Geschichte wirkt wie eine Vorstellungsrunde. Der Titelheld wird bekannt gemacht, die Lesenden lernen ihn langsam kennen. Die Lösung des Falles mag nicht wirklich überzeugen. Die zuvor gewählte Formulierung »Zauberkiste« mag da schon Bände sprechen. Die Schilderung der Umgebung und der Charaktere ist Simenon-typisch. Das wirkt schon sehr vertraut und wenn wüssten die Lesenden nicht, dass es sich um eine Story handelt, die unter Pseudonym geschrieben wurde, viele würden es nicht erkennen. 

Sie ähnelt sehr den Kurzgeschichten, die Simenon in den 1930er-Jahren geschrieben hat. Im Vergleich zu den G7-Geschichten ist sie allerdings sehr kurz.