Bildnachweis: Porquerolles - maigret.de
Auf Porquerolles
Eine ganze verrückte Sache ist die, dass ich so oft die Romane und Geschichten Simenons über Porquerolles gelesen habe, dass ich am Ende der festen Überzeugung gewesen war, ich hätte die Insel schon besucht. Ich war sogar der Meinung, dass ich den Leuten Empfehlungen könnte. Erst als wir angelegt hatten, wurde mir klar: Hier war ich noch nie zuvor gewesen.
Trotzdem erschienen mir nach Ankunft auf Porquerolles bestimmte Dinge sehr vertraut, erfüllten mich mit Glückseligkeit und machten mich gespannt auf das, was wir die nächsten Tage erleben und sehen würden. Im Hinterkopf hatte ich meine Notizen der letzten Monate und Material, das ich schon gesammelt hatte.
Porquerolles wird von Reisejournalisten gern als eine Art Sehnsuchtsort geschildert. In dem Zusammenhang taucht dann oft Simenon auf oder zumindest Maigret. Beide halten als Kronzeugen für die Schönheit und Einzigartigkeit her. Jede Wette, dass sich Simenon das heute zweimal überlegen würde oder anders gesagt: Zu seiner Zeit war die Insel ein abgelegener Flecken, an dem sich nur eine sehr ausgewählte Klientel blicken ließ. Reisen war ein Abenteuer, Massentourismus war als Wort nicht vorstellbar.
So gesehen war Porquerolles ein exotischer Ort in der Ferne. Simenon stellte ihn gleich fünfmal mit den in den Mittelpunkt einer Geschichte. Chronologisch gesehen:
- Auf Grand Langoustier (1931)
- Der Schiffbruch des »Eisschranks« (1941)
- Die Ferien des Monsieur Mahé (1944)
- Bei Todesstrafe (1946)
- Mein Freund Maigret (1949)
Wir haben also ein erstes Auftreten zu Beginn von Simenons schriftstellerischem Wirken (vielleicht tauchte die Insel auch in dem Vor-Simenon-Werk auf, welches unter Pseudonymen erschien – das habe ich nicht geprüft). Dann gibt es eine Pause von zehn Jahren. Simenon konnte nicht mehr unbeschwert reisen, vielleicht holte er deshalb das Thema »Porquerolles« heraus und verarbeitete Motive vom Inselleben auch in den frühen Amerika-Werken. Weder danach und schon gar nicht nach seiner Rückkehr nach Europa nahm er sich der Insel wieder an.
Das Hinkommen
Als ich die Unterkunft auf der Insel buchte, schrieb mir die nette Dame vom Hotel, ich möge ein Parkplatz reservieren. Ich stutzte, bevor ich realisierte, dass damit eine Stelle auf der Halbinsel Giens gemeint ist. Von dort aus legen die Fähren in Richtung Porquerolles ab. Da unsere Anreise erst für den September – und damit für die Zeit nach den großen Ferien – geplant war, fragte ich nach, ob das nötig wäre. Sicher ist sicher, war die Antwort.
Mir reicht eine solche Auskunft, und so reservierte ich unserem Auto einen exklusiven Platz auf einem Parkplatz in der Nähe des Port de la Tour Fondue, wo die Schiffe in Richtung Île de Porquerolles. Ich verwende das synonym, was nicht korrekt ist. Porquerolles ist der Hauptort auf der Insel und es gibt auch keine weiteren Orte auf dem Eiland. Aber Ordnung muss sein. Vielleicht lässt sich derart argumentieren: »auf Porquerolles« meint die Insel, »in Porquerolles« den Ort.
Vom Parkplatz war es nicht weit zum Fährterminal. Fahrkarte gekauft und es konnte losgehen.
Hat das Schiff erst einmal abgelegt, braucht es fünfzehn bis zwanzig Minuten für die Überfahrt zum Hafen von Porquerolles. Bei allen vier Geschichten, die Simenon über diesen Ort schrieb, gibt es einen Aspekt, der immer wieder auftauchte. Die »Cormoran« brachte die Leute vom Festland auf die Insel. In der Maigret-Geschichte macht man diese Überfahrt als Leser:in gleich zu Anfang mit. Aber auch in den drei anderen Stories taucht die Fähre immer wieder auf.
Als mir beim Lesen des Mahé-Romans das Auftauchen des Schiffes auffiel, dachte ich mir: »Da hat sich der Meister aber nicht viel Mühe gegeben und nutzt den gleichen Namen erneut.« Fand es interessant und legte es ad acta gelegt. Aber in den Kurz-Geschichten tauchte das Boot erneut auf und da stutzte ich, denn Simenon hatte dieses Detail damit nachweislich über einen Zeitraum von 18 Jahren verwendet.
Der Grund dafür ist schlicht: Er hatte sich an der Wirklichkeit bedient. Ein Boot dieses Namens war im Dienst auf der Strecke und es wurde über einen längeren Zeitraum für den Transfer zur Insel eingesetzt. Die Bilder, die mir zur Verfügung stehen, sind leider undatiert. Die früheste Jahreszahl, die ich im Zusammenhang mit einer Postkarte sah, war das Jahr 1923 – und das Boot wird zumindest bis zu dem Zeitpunkt von Simenons Aufenthalten auf der Insel im Dienst gewesen sein. Er besuchte übrigens 1926 das erste Mal die Insel.
In zwei Geschichten hatte sich Simenon entschlossen, den Kapitän der Fähre »Baptiste« zu nennen. Im G7-Fall gibt es ebenfalls einen Baptiste, der eine wichtige Rolle spielt, jedoch nicht als Schiffsführer der Fähre. Das Personal, welches dem Kapitän half, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Und Simenon gab Hinweise in seinen Geschichten darauf, dass andere Schiffe existierten, die ebenfalls Touristen auf die Insel brachten.
In unserer Warteschlange für die Überfahrt standen an dem September-Nachmittag etwa vierzig Leute. Das wäre auf der »Cormoran« ganz schön eng geworden. Bei unserer Fähre hätte sich jeder Passagier in eine einzelne Reihe setzten können – sowohl drinnen wie draußen – und es hätte wohl immer noch leere Reihen gegeben.
Erst bei der Ankunft auf Porquerolles sahen wir, warum eine Fähre wie die »Cormoran«, heute hoffnungslos überfordert wäre. Die Schlange war hundert Meter lang und ließ erahnen, dass eine beschauliche Atmosphäre auf der Insel nicht zu erwarten war.
Gewundert hatte uns, dass zeitgleich eine andere, allerdings leere Fähre im Hafen startete. Bei unserer Ankunft wurde uns klar, warum die Fährgesellschaft – übrigens nicht die gleiche wie zu Simenons Zeiten – das »Geisterboot« vorausgeschickt hatte. Anders war den Massen an Rückreisenden nicht Herr zu werden. Es war also ganz und gar nicht so, wie es in der G7-Geschichte geschildert wurde:
Porquerolles, darauf war ich gefasst, ist als Urlaubsort nicht gerade en vogue. [...]
Man reist dort nicht hin, um gesehen zu werden. Nur ein paar Kenner kommen jedes Jahr, ein paar Freunde des klaren Wassers, in dem man bis in zehn Meter Tiefe die Pflanzen am Meeresgrund erkennt, Freunde der Sonne, die die Haut bräunt, Freunde seinsvergessener Tage auf heißem Sand finden sich hier ein, sozusagen auf Verabredung.
Les salueurs
Blick auf den Hafen und die Mole
Credits: maigret.de
Zur Linken gab es einen winzigen Hafen mit einer Mole und zur Rechten eine mit Strandkiefern bewachsene Felsspitze.
So sah Maigret das Städtchen und den Hafen von Porquerolles bei seiner Ankunft. Eine Mole linker Hand gibt es noch, aber die Fährschiffe legen nicht mehr dort an, sondern haben einen Anleger in der Mitte des Hafens. Zu ihm führt ein Quai, welcher den Namen »Lélia le Ber« trägt. Der Ankömmling ahnt es nicht, aber sein Weg vom Schiff wurde einer Tourismus-Ikone der Insel gewidmet.
Lélia le Ber wurde 1921 auf Porquerolles geboren und war eine Tochter von François-Joseph Fournier, der die Insel auf Vordermann bringen wollte – Tourismus schwebte ihm dabei nicht vor, eher eine ausgeprägte Landwirtschaft (insbesondere Weinanbau).
Seine Tochter heiratete den Besitzer einer Nachbarinsel und ging nach Paris. In den 70er-Jahren kehrte zurück und kümmerte sich neben dem Weinbau auch um den Aufbau von Hotels und Gastronomie. An den passenden Stellen werde ich sie in diesem Text würdigen.
Im Hafenbecken Fischerboote. Ein einziges etwas größeres Segelschiff, eine Tartane, die Marmor von den griechischen Inseln geladen hatte, mit vier schlafenden Männern an Deck und daneben einem Topf, in dem ein Tintenfisch köchelte.
Das mag zu Zeiten von Simenon so gewesen sein. Was der Erzähler der G7-Geschichten hier schildert, hat mit dem heutigen Porquerolles und seinem Hafen nicht mehr viel zu tun: Segelboote von mehr oder weniger Betuchten sind zu sehen, dazu Fähren und ein paar Boote von Einheimischen, die genutzt werden, um aufs Meer zu fahren und zu angeln oder Touristen herumzukutschieren (obwohl mir solche Angebote leider nicht untergekommen sind). Ein einziger Frachter erblickte ich, ganz in rot gestrichen – klein und trotzdem auffällig. Aus Griechenland kam dieses Schiff nicht, sondern aus Marseille.
Zur Ankunft der Boote standen früher Hoteldiener bereit, die das Gepäck der Herrschaften zu den Unterkünften brachten. Das hat sich nicht geändert, nur würde man sie heute nicht mehr Diener nennen und der Komfort ist ein anderer – kleine Elektro-Fahrzeuge, Golfcarts gleich, warten nicht ausschließlich auf das Gepäck. Auch die Gäste werden mitgenommen. Die größere Hotel-Anlage am anderen Inselende – das »Mas du Langoustier« – wartet mit kleinen Mini-Bussen auf, mit denen die Logierenden abgeholt werden.
Ein Motiv in den Geschichten Simenons ist, dass sich die Protagonisten gern zum Hafen aufmachten und schauten, wer ankommt oder wegfährt. Maigret machte das genauso, wie Monsieur Mahé es sich angewöhnt hatte und Oscar Labrot sowieso, der auf den Mann wartete, der nicht nur seine Ankunft seit Wochen ankündigte, sondern auch Labrots Tod. In aller Früh habe ich es nie zum Hafen geschafft – aber als ich an einem frühen Vormittag kam, ist mir niemand in einem Schlafanzug oder, wie Maigret es trug, in einem Nachthemd aufgefallen. Was ich nicht sagen kann, ist, ob jemand in seinen Schlafklamotten auftauchte – die Schlaf-Mode hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt, sodass ich nicht unbedingt unterscheiden kann, was Badehose und was Schlafhose ist.
Auch mag es Leute geben, die zum Angeln herausfahren. Aber etwaige Kutter, die Berufsfischer nutzen würden, waren in dem Hafen nicht mehr zu sehen. Auch auf diesen Aspekt des Simenonschen Panoramas Porquerolles vergangener Tage muss verzichtet werden.
»Ich hätte Ihnen im Grand Hôtel Zimmer reservieren können. Es ist seit vierzehn Tagen geöffnet.«
Es war ein ziemlich großes Gebäude, das über dem Hafen aufragte und in dessen Eingang ein Mann mit weißer Schürze und Kochmütze stand.
Wer auf der Karte das »Grand Hôtel« sucht, um ein wenig länger auf der Insel zu verweilen, wird die Unterkunft nicht finden. Das Hotel mit dem großen Namen hat irgendwann geschlossen, an seine besten Zeiten erinnert neben den Schilderungen von Simenon noch eine kleine Gasse hinter der ehemaligen Herberge.
Vom Quai kommend fällt einem das von Lechat erwähnte Gebäude gleich auf. Der erste Blick mag eher auf die Touristen-Information fallen, die gleichzeitig ein Shop ist. Die Dame, die uns über das touristische Geschehen informierte, wirkte irgendwie in eine kleine Ecke gedrängt. Aber ein wenig Material, vor allem eine Karte, kann man dort abstauben und sich dann auf die Socken machen.
Rechter Hand davon haben wir das ehemalige Hotel, in dem der Inspektor den Pariser Kommissar nicht unterbringen wollte. Dabei ging es nicht um Spesen, das kann ich versichern, sondern Maigrets südfranzösischer Kollege wollte den Gastermittler näher am Ort des Geschehens haben. In der einstigen Nobel-Herberge hat sich eine Fahrradvermietung etabliert.
Es besteht kein Grund, sich Sorgen zu machen, dass man kein Vehikel mehr abbekäme. In welche Richtung Sie sich von hier aus auch bewegen, es ist sehr unwahrscheinlich, nicht von einem jungen Mann angesprochen zu werden, der einem ein Zweirad anbieten möchte. Soweit ich gesehen haben, lohnt das Vergleichen der Preise kaum – alle Vermieter offerieren die gleichen Angebote. Eine Chance könnte bestehen, indem man anfängt mit den Anbietern zu handeln. Uns hatte beispielsweise geholfen, zur erwähnen, dass wir in einem bestimmten Hotel untergebracht waren. Der Nachlass kann jedoch der beginnenden Nebensaison geschuldet gewesen sein.
Maigret wie alle anderen Protagonisten in Simenons Porquerolles-Stories fuhren nicht mit dem Fahrrad.
Zuvor hieß es in der Maigret-Geschichte:
Der Dorfplatz war groß und leer. Eukalyptusbäume standen ringsum und bunte Häuser, und auf einer leichten Anhöhe erhob sich die kleine gelbe Kirche mit dem weißen Glockenturm. Auch mehrere Cafés mit schattigen Terrassen gab es dort.
In der Zeit, in der Simenon seine Geschichten spielen ließ, prägten Fischer das Bild. Auf dem Platz ist es auch heute noch über den Tag ruhig. Ein paar Leute flanieren darüber, ein Radfahrer oder ein Hund. Aber wer den Place d'Armes betritt, steht in der prallen Sonne.
Früher gab es ein paar Cafés und Restaurants, deren Terrassen Schatten spendeten und es war ruhig. Vor diese wurden nun ein wenig erhöhte Erweiterungen gebaut, die ebenfalls als Terrassen dienen und in denen Sonnenschirme die Sonne fernhalten. Ruhe sollten Sie nicht erwarten. Selbst in den Mittagsstunden ist es sehr belebt in den Straßen um den Platz herum. Es ist nicht die Stunde der Mittagsstille, es ist die Zeit der einfallenden Tagestouristen.
Dieselben mögen es nicht ahnen, aber natürlich fühlen sich die Mehrtagestouristen den Stunden-Invasoren überlegen. Sie können morgens den Hauptplatz erleben, wie er erwacht, während man selbst frühstückt oder die erste Wanderung unternimmt. Und die Besucher, die länger bleiben, können den Abend genießen, verbunden mit der Betrachtung von Boule-Spielern und einer einkehrenden Ruhe.
Der Blickwinkel ist der eines Nebensaison-Besuchers, wahrscheinlich ist es in den Sommer-Ferien-Monaten alles noch viel extremer, als ich es in diesem September mitbekommen habe. Die Auf-die-Insel-Hüpfer müssen entweder so viel wie möglich erleben und sind deshalb immer ein wenig im Stress (Selbst gehört: »Nicht so viele Fotos hier, wir müssen weiter!«) oder sie haben einen kleinen Radius und bleiben damit im tagsüber recht uninteressanten Village (»Wollen Sie ein Fahrrad mieten?«) und vermutlich in einem Restaurant hängen, vielleicht ein Strand in der Nähe, bevor es wieder zurückgeht.
Betrachtet man das Treiben, könnte man Depressionen bekommen.
Als Maigret und Mr Pyke sich auf der Terrasse niederließen, erblickten sie Monsieur Emile. Mehr denn je glich er einer weißen Maus, die mit einem Panamahut auf dem Kopf über den Platz trippelte und dann schräg zur Post abbog, die ganz oben zur Linken der Kirche lag. Die Tür stand offen.
Die Kirche thront unverrückbar am Kopf des Platzes und ist auch ein wenig erhöht. Nicht viel, aber ein wenig schon – der Unterschied beträgt knapp fünf Meter. Die Post jedoch ist neben der Kirche nicht mehr zu finden. In das Gebäude hat sich die Polizei einquartiert. Es sind deren Fahrzeuge, die für einen schnellen Einsatz vor dem Domizil stehen. Vergleicht man die alten mit den neuen Fotos, sieht es auch so aus, als wäre die Polizei-Station ein Neubau.
Zwar hatte ich mit dem Gedanken gespielt, aber es dann gelassen, die Insel-Polizisten nach ihrem Kollegen zu befragen.
Eine Postbeamtin im Dienst, so wie die kompetente und neugierige Aglaé, wird man auf Porquerolles in ihrer Filiale nicht mehr erleben können. Erst im Nachgang habe ich nach der Insel-Poststelle gesucht und wurde auf eine kombinierte Créperie-Kneipe mit Eisausgabe verwiesen. An der bin ich ein paar Mal vorbeigestiefelt, den Hinweis auf Postdienstleistungen habe ich nicht entdecken können.
Auf der anderen Seite des Platzes wurde ich fündig, was ich nie für möglich gehalten hätte. Zwischen einem Eisladen mit sechzig verschiedenen Eissorten und einem Bike-Verleih befindet sich das Restaurant-Hotel »L'Arche« – Simenon nannte es manchmal so, manchmal war es auch die Arche. In den beiden großen Porquerolles-Romanen wird dieses Etablissement erwähnt – Maigret durfte in dem Hotel übernachten und ein Großteil der Ermittlungen findet in der Lokalität statt. Ich stand also überrascht davor und dachte: »Da mache ich mal ein Foto von!«, da wurde ich von einer Angestellten (nein, nicht Jojo!) angesprochen, ob mir das schöne Restaurantschild gefallen würde. Das konnte ich nicht behaupten.
Aber wir kamen vom Französischen ins Englische und ich meinte, dass mich der Bezug zum Schriftsteller mehr interessieren würde: Simenon. Da sie mich erstaunt anschaute, fragte ich sie, ob sie das wüsste. Die junge Frau meinte daraufhin, dass ihr Englisch nicht so gut sei. Ein anderer Mitarbeiter, älter schon, wurde in das Gespräch involviert und ich erzählte noch einmal, was mich interessierte – wobei er nickte. Ja, das wäre korrekt und Churchill und Chaplin wären auch Gäste gewesen, was ich wiederum nicht wusste.
Die junge Frau stand immer noch neben uns und wartete offenbar auf eine Übersetzung und die Offenbarung des Geheimnisses. Der Mann schilderte ihr auf Französisch, so wie ich es nie gekonnt hätte, von Maigret und es stellte sich heraus, dass vermutlich nicht ihr Englisch das Problem war: Sie kannte Maigret und Simenon nicht.
Wir haben dort am Abend gegessen. Die meisten Restaurants befinden sich am Place d'Armes, ein paar am Hafen. Ein wenig entfernt von diesem Zentrum gibt es zwei, drei weitere Möglichkeiten zu speisen. Gefühlt ist es so wie bei den Fahrrädern – preislich gibt es keine großartigen Alternativen. Mit einer gutgefüllten Brieftasche oder einem entsprechend gefülltem Konto, wenn man bargeldlos zahlt, sollte man auf dieser Insel schon auftauchen. Unsere kulinarischen Grundbedürfnisse wurden von diesen Restaurants an diesem zentralen Platz befriedigt, Offenbarungen sollten nicht erwartet werden.
Ich konnte es mir schönreden, da ich auf den Platz schaute und dort Boule gespielt wurde. Da ich unlängst gelesen habe, dass auch die Preise für die Abos von Sportsendern, die Boule live übertragen, steigen, war es insgesamt ein annehmbares Arrangement.
Schöntrinken kann man sich die Restaurant-Preise nicht, die Bierpreise sind ebenfalls exorbitant.
Was es nicht gab: Streit, Schlägereien oder große Trinkgelage. Das ungezügelte Leben, wie es in der Arche während Maigrets Aufenthalt stattgefunden haben soll, von dem war keine Spur zu entdecken.
Nach Westen
Der Erzähler, der die Geschichte von G7 auf der Insel erzählt, nutzt einen fantastischen Trick. Er redet von Verneblung und davon, dass sich ihm einige Eindrücke eingebrannt hätten. So nahm er die Spieler auf dem Place d'Armes war und auch, dass es dort ein schattenspendendes Hotel geben würde.
Und dann die wunderbare von Mimosen gesäumte Allee … die wenigen Häuser zwischen Blumen und Palmen gebettet, hinter Vorhängen von Tamarisken.
Ich zog mein Sakko aus. G7 steckte seine noch zu heiße Pfeife in die Jackentasche, und hinter der Biegung eines Pinienhains tat sich die Plage d’Argent auf, ein wirklich silberner Strand, dem das Meer einen zarten weißen Saum anhäkelte.
Ich mag diese Schilderung sehr. War man dort gewesen, stellt man fest, dass die Porqueroller und vielleicht Zugereiste einiges getan haben, dass es nicht mehr so ist, wie der Erzähler es berichtet. An dieser Allee, die sie beschreiten, liegen heute Apartments und Teile davon sind eingezäunt. Es geht ein Weg zum Meer ab, aber er ist als Privatweg gekennzeichnet. Kann man machen, stimmt mich jedoch nicht besonders milde.
Eine Sache, die ich nicht verstehe, ist die des Pinienhains und dem Strand. Wenn es eine Allee ist, wie es Simenon schildert, dann führt dieser Weg (Straße würde ich es nicht nennen wollen, vielleicht ja Piste) an dem Plage d’Argent vorbei und zwar in einiger Entfernung – es bedarf einer bewussten Entscheidung, sich zum Strand zu begeben.
Das Motiv für die Besichtigung des Strandes für die beiden Ermittler (ich schließe den Journalisten jetzt mal mit ein) war die Tatsache, dass von dem Strand die drei Frauen verschwunden waren. Ich täte sagen, dass eine Inaugenscheinnahme gereicht hätte, wenn man eine Strecke vor sich hatte wie die beiden. Wer macht sich das Leben unnötig schwer? Am Strand schlendern ist eine Sache, mit einem Ziel vor Augen sucht man sich einen besser präparierten Weg.
Natürlich könnte es sein, dass die beiden Männer schmälere Wege nahmen – allerdings muss die Schilderung der Allee dann als künstlerische Freiheit gewertet werden.
An dem Strand gibt es übrigens auch ein Lokal und die Möglichkeit, Eis zu essen – Lélia le Ber sei Dank.
Wohin wollten der Ermittler und der Journalist eigentlich? Der Name der Erzählung gibt es vor: »Le Grand Langoustier«. Dort saßen die Hauptverdächtigen und mit denen wollte G7 sprechen. Dabei handelt es sich um eine Halbinsel, auf der die Reste von einem Fort zu finden sind.
Betritt man sie und es überkommt einen die Lust zu Baden, sich im Wasser ein wenig abzukühlen, so bietet sich dem Wanderer beidseitig die Gelegenheit. Rechter Hand hat man den Plage Grand Langoustier und links den Plage Noire du Lagnoustier. Letzterer erscheint ein wenig kleiner, was aber keine nennenswerte Rolle spielt. Als Besucher der beiden Strände kann man sich sicher sein, dass es hier recht ruhig und gemütlich zugeht.
Der Strand, von dem die Frauen verschwunden waren, denen G7 auf der Spur war, ist einer der beiden Strände, die sehr dorfnah waren. Vom Dorfplatz erreicht man den Plage d’Argent innerhalb von zehn, vielleicht fünfzehn Minuten. Zur Halbinsel ist man gut anderthalb Stunden unterwegs. Es lässt sich leicht erahnen, wo es die meisten Badewilligen hintreibt.
Vom Strand der verschwundenen Frauen aus gibt es zwei Routen, die zur Halbinsel und Monsieur Henry, dem Verdächtigen, führen. Im Dienste der Spurensuche sind wir beide gegangen, was sich heroischer anhört, als es ist. Wir wählten den einen Weg auf dem Hinweg und den anderen halt als Option zurück. Sie unterscheiden sich in der Länge und ich würde sagen im Schwierigkeitsgrad. Allerdings gibt es ebenfalls Unterschiede in Sachen Attraktivität.
Mittendurch
Wir wählten als Hinweg den längeren Weg, der im Inneren der Insel verläuft. Von unserem Startpunkt sah es so aus, als würde es eine schattige Angelegenheit und insgeheim hatten wir die Hoffnung, dass sich die Wahl schön flach gestalten würde.
Zuerst führt einen der Weg durch Wein-Felder und an einem Gut entlang. An anderer Stelle hatte ich darüber philosophiert, ob der auf der Insel erzeugte Wein in den Restaurants im Glas oder als Pichet offen ausgeschenkt wird. Nein, das wird er nicht. In einigen Restaurants wird er als Aperitif angeboten, sprich glasweise, aber üblicherweise bietet die örtliche Gastronomie den Wein als Flasche an.
Eine andere Möglichkeit für Interessierte ist, sich im örtlichen Supermarkt den Wein zu holen – er ist erheblich günstiger. Was nicht heißen soll, dass er billig wäre.
Nach den Weinfeldern kommt man in den Wald, allerdings beginnt dann ein steter Anstieg auf der staubigen Piste. Wir waren recht früh morgens unterwegs und andere Spaziergänger sind uns nicht begegnet. Stattdessen hin und wieder ein Shuttlebus des Ressorts »Le Mar du Langoustiers«. Obwohl er langsam und rücksichtsvoll fuhr, wirbelte er ordentlich Staub auf. Nicht gerade das reine Vergnügen. Aber wir hatten vor, an einem der beiden Strände zu baden, von daher schien es uns egal.
In sanften Kurven wandte sich der Weg nach oben und am Scheitelpunkt kann sich der Wanderer entscheiden, welche Richtung er zur Halbinsel nimmt. Zwei der drei Optionen waren schmal, steil und steinig – weshalb wir davon Abstand nach. Der dritte Weg führte weiter auf der staubigen Piste, nun halt nur bergab, und wir mussten durch das schon erwähnte Ressort (ebenfalls ein Projekt von Lélia le Ber) stiefeln. Wir hatten den Eindruck, dass es entweder verboten ist oder zumindest nicht erwünscht – aber nach vierzehn Tagen in Frankreich bekommt man auch als Fremder ein abgeklärtes Verhältnis zu Verboten.
Der G7-Erzähler hätte sich gefreut, denn einer seiner Kritikpunkte an der Insel wurde abgearbeitet: Es gibt mittlerweile einen Tennisplatz. Mir fehlt die Fantasie, wer sich bei den auf Porquerolles herrschenden Temperaturen einer solchen Tortur hingibt, das vielleicht auch noch mit Freude – aber das Jahr hat nicht nur Sommer-Monate.
Hinter den Tennisplätzen tritt man durch ein Tor auf den Weg, der die beiden direkten Wege zusammenführt und es geht auf die Halbinsel.
Der Küstenweg
Was die Ausblicke angeht, ist der Weg am Meer entlang wesentlich reizvoller. Er soll, glaubt man den Wegweisern auf der Insel, kürzer sein. Das Problem ist nur, dass es einem nicht so vorkommen wird. Statt eines steten Anstieges hat man es mit einem Auf und Ab zu tun, kombiniert mit ruppigen Wegen mit vielen Steinen. Es ist schnell klar, warum die Shuttle-Busse des Luxus-Ressorts nicht diese Schotterpiste nehmen – er wäre viel zu ungemütlich und ruckelig für die Gäste.
Vermutlich war das der Weg, den auch die beiden nahmen, denn in der Erzählung heißt es:
X-mal mussten wir stehen bleiben und uns den Schweiß von der Stirn wischen, und ohne die Unerbittlichkeit von G7 hätte ich mir ein Bad gegönnt, nackt wie die anderen, da unten in der Kühle einer Calanque zwischen den rötlichen Felsen.
Es ist jedoch die touristische Route und meisten derjenigen, die sich auf zur Halbinsel machen, werden diesen Weg nehmen. Sprich, man ist nicht allein. Auf dem Weg trifft man eine ganze Reihe von Fahrradfahrern. Diejenigen unter denen, die sich für ein Fahrrad mit Elektro-Unterstützung entschieden hatten, machten häufig einen glücklicheren Eindruck als die, die wirklich zu strampeln hatten. Wir hatten eine Karte des Fahrradverleihs unseres Vertrauens gehabt und teile er Strecke wurden als schwierig deklariert – an denen sollte sich keiner zu schade sein, vom Rad zu steigen und zu schieben. Bei einem Sturz mit bösen Folgen wäre mir nicht klar, wie schnell Hilfe vor Ort wäre.
Die Piste, die zum Mas du Langoustier führte, war auf der Karte übrigens ausgegraut eingezeichnet, was so viel heißen sollte: »Nimm den Weg mal lieber nicht!«, aber die Agenda gab es so deutlich nicht zu verstehen.
So schön
Es ist ein Kommen und Gehen an den beiden Stränden. Wer jetzt schreckliche Bilder vor den Augen hat, den kann ich beruhigen. Wir waren um die Mittagszeit dort und wenn an dem Strand zwanzig Leute waren, dann ist das hochgegriffen. Das mag in der Hauptsaison noch ein wenig anders sein, ich kann es mir aber nicht vorstellen. Es ist ganz einfach: Man kommt dorthin – zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Boot – , wer Glück hat, findet ein schattiges Plätzchen, badet ein wenig und macht sich auf den Weg. Es ist nicht der Familienstrand, wie man ihn am Plage d’Argent findet, mit vielen Kindern. Dafür ist der Weg zu beschwerlich.
Allerdings gehen nicht alle an den Strand. Zur linken Hand, wenn man die Insel betritt, befindet sich das Fort du Langoustier. Das lässt sich wohl besichtigen. Uns reichte der Blick aus der Ferne und so gingen wir gar nicht erst in diese Richtung, sondern hielten uns an das Ende von Grand Langoustier, bevor wir uns nach rechts wandten. Von einer Anhöhe aus, wo sich eine Wetterstation befindet, hatten wir eine herrliche Aussicht auf die Insel Petit Langoustier und die vor dem Strand Plage du Langoustier liegende Bucht.
Simenon schreibt, man hätte, wenn man sich auf der Halbinsel befindet, kaum Bezugspunkte, an denen sich das Auge orientieren könnte. Das mag auf die Stelle ankommen, an der man sich gerade befindet. Aber zum einen fand ich die Gegebenheiten gar nicht so riesig, wie ich es mir anhand der gelesenen Beschreibungen vorgestellt hatte. Mit meinen Vorstellungen von der Größe eines Bauerngehöftes oder Landhauses habe ich gewisse Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wie diese auf dem Fleckchen Erde platziert waren. Schwierig wird das auch deshalb, da es sich um ein sehr hügeliges Gelände handelt. Zum anderen gibt es zwei Höhe, die sich klar abzeichnen und Wasser drumherum. Aber die literarische Vorlage ist an der Stelle eindeutig – das Erlebte fand auf Grand Langoustier statt.
Da uns bei der Hitze eine gewisse Faulheit überkam und wir die Seite zum Pointe du Grand Langoustier nicht evaluierten, die Seite, auf der sich die von uns nicht besichtigte Befestigungsanlage befand, prüfte ich das im Nachgang anhand von Satellitenbildern. Wenn es etwas gegeben hat, dann wurde es vor langer Zeit aufgegeben, niedergerissen und ist nun von Vegetation übermannt worden.
In den Geschichten ist öfter davon die Rede, dass auf der Insel nicht so viel los wäre, und vermutlich hätte der Hund von Monsieur Henry ganz häufig anschlagen müssen, wenn er seinen Dienst heute verrichten müsste. Aber auf Grand Langoustier kann es wirklich passieren, dass man an den Aussichtspunkten allein ist. Das hat auf dieser Insel schon einen gewissen Seltenheitswert.
Nach Nordosten
Bei der Betrachtung von Simenons Geschichten fällt auf, dass er die Nord-Seite der Insel bevorzugte. Ich habe keine Bezüge zur südlichen Seite bekommen. Das ist jedoch nicht der Grund, warum der Süden hier nicht vorkommt. Wir waren hatten drei Nächte auf der Insel gebucht. Da blieben für die Exkursionen nur zwei ganze Tage. Es gab einen kleinen Anlauf, auch den Süden zu explorieren. Mein Fahrrad versagte mir den Dienst beim Erklimmen von Hügeln, insofern spare ich ganz im Sinne von Simenon den Süden aus.
Im Mittelpunkt der Geschichten stand sowieso das Dorf und der Nordosten der Insel. Immer wieder tritt dabei ein Ort in Erscheinung, den ich deshalb unbedingt sehen wollte: Rocher des Medes. Der liegt, nicht exakt, aber irgendwie schon, genau am anderen Ende der Insel.
Dr. Mahé ließ sich mit dem Boot dorthin bringen, die Familie setzte er unterwegs am Strand ab, um dort zu angeln. Auch der Besitzer des »Eisschranks«, Mimile Boussus, fuhr an die Stelle, um zu angeln. Und letztlich Oscar Labut, der sich an diesem Ort seines Peinigers Jules Marelier entledigte. Steht man an dem Kap, auch hier ziert eine Festung die Landschaft, ist es erlaubt, mit einer gewissen Ehrfurcht auf die beiden Felsen im Meer zu schauen.
Denn wenn ich sagen, dass ich am Rocher des Medes war, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Ich habe aus einer gewissen Entfernung (und mit dem entsprechenden Respekt) auf die beiden Felsen geschaut, die von Wasser umspült werden. Ich war ein wenig erstaunt, dass es an der Stelle auch noch einen Strand gibt und es erlaubt ist, recht weit in das Wasser zu gehen. Offenbar ist es so, dass es erst an den Felsen und dahinter recht tief wird. Nun sagt meine Frau immer, dass es keiner Tiefe bedarf, um zu ertrinken – das könne man auch in einer Pfütze –, aber je mehr Raum zwischen der Wasseroberfläche und dem Meeresboden ist, desto gefährlicher wirds wohl sein.
Das war also die Stelle, an der Simenon zwei Männer hatte ertrinken lassen. Der Dritte, ich verrate natürlich nicht wer, wurde vom Strand aus erschossen.
Inspektor Pyke hatte sich eine Badehose gekauft, sobald er auf Porquerolles ankam. Als er seine Reise antrat, um die Ermittlungsmethoden der französischen Kriminalpolizei kennenzulernen, konnte er nicht ahnen, dass es ihn auf die Insel verschlagen würde. Nun war er oft schon vor Maigret auf den Beinen gewesen und dann hörte dieser nur, während er seinen ersten Kaffee nahm, dass Pyke Baden wäre.
Simenon verrät uns nicht, wo der Engländer sich erfrischte: Das Einfachste wäre es gewesen, runter zum Hafen zu gehen. Für den Inspektor wären das nur ein paar Schritte gewesen. Dort gibt es eine Stelle, die wie eine kleine Badestelle aussieht. Baden habe ich niemanden gesehen, vielleicht stehen irgendwo Schilder, die es verbieten.
Die nächsten beiden Gelegenheiten wären der westlich gelegene Plage d’Argent oder Plage de la Courtade in die andere Richtung. Der Letztere, so kommt es mir vor, liegt ein wenig näher. Wem nach Baden ist und der kann sich weiter in die Richtung bewegen und findet einen weiteren schönen Strand, der dem Weg auf seinen Namen gab: Plage de Notre-Dame. Bewegt man sich aus dem Örtchen heraus, lässt sich die Beschreibung Simenons nur bestätigen:
Bis die Touristen den Weg zum Strand eingeschlagen hatten, bot sich auf dem Platz der Anblick einer Völkerwanderung.
Aber je weiter man sich von Porquerolles entfernt, desto ruhiger wird es auch hier. Bis zum wunderbaren Plage de Notre-Dame kommt dann nur noch ein Bruchteil der Besucher. Der Strand hat mehrere Zugänge. Gleich beim ersten zu stoppen, empfiehlt sich nicht unbedingt. Ein Halt ist aber schon wegen des schönen Foto-Motivs vom Strand anzuraten.
Ich hatte auf der Nordseite der Insel keinen Strand gesehen, der wirklich sehr breit gewesen und mit dem schönsten Sand versehen wäre. So auch dieser nicht. Die Schönheit kommt aus der Lage, von der Farbe des Wassers und dem Panorama, das sich dahinter auftut.
Wer empfindlich an den Füßen ist, sollte Strandschuhe mitnehmen, um die Steine im Wasser, die sich wie eine Barrikade gelegt haben, zu überwinden. Danach hat man den besten Sand und gefühlt etwas wärmeres Wasser als auf Grand Langoustier. Der Grund hierfür wird gewiss auch sein, dass es nicht sehr schnell tief wird – man kann weit hineingehen und immer noch stehen.
Pyke wird so weit gar nicht gekommen sein. Wer hier seine Tage zu verbringen durfte (oder musste), war die Familie von François Mahé. Am Angeln lag der Frau und den beiden Kindern nichts, deshalb tuckerten sie zwar mit dem Vater in Richtung Rocher des Mèdes, aber kurz davor wurden sie abgesetzt.
Von hier aus ist es nicht mehr weit zu dem Punkt. Mit dem Boot schon gar nicht, aber auch zu Fuß ist man höchstens zwanzig Minuten unterwegs. Die Fahrradverleiher sehen es nicht so gern, wenn ihre Fahrräder genutzt werden, die Höhe zu der Befestigungsanlage zu erklimmen. Recht deutlich wird das auf der Karte, die einem an die Hand gegeben wird. Sobald der Weg steinig wurde, hatten wir unsere Fahrräder geparkt und waren weiter zu Fuß marschiert. Das ist noch mal ein Angang, gerade dann, wenn die Sonne knallt.
Aber die Belohnung erwartet einem immer am Ende: grandiose Ausblicke.
Auf ein Wiedersehen
Auch ein rotgekleidetes kleines Mädchen, die Tochter des ehemaligen Legionärs, stand da und lutschte ein grünes Bonbon.
Beim Lesen der Porquerolles-Geschichten war dieser Satz ein Höhepunkt gewesen. Wahrscheinlich ist die Reihenfolge, der man die Stories liest, wichtig: Ich hatte mir zuerst den Maigret- und den Mahé-Roman geschnappt, bevor ich die Kurzerzählungen las. Wählt man diese Reihenfolge, fällt einem der Satz aus der Geschichte »Bei Todesstrafe« unmittelbar ins Auge: Handelt es sich nicht um eine Anspielung auf Élisabeth Klamm aus der Geschichte um den Arzt? Das wäre ein netter kleiner Scherz, den sich Simenon da erlaubt hat. Ich glaube nicht, dass die Wirkung andersrum die gleiche wäre – sprich, wenn man die Erzählung zuerst gelesen hätte.
In den Geschichten tauchen noch Namen und natürlich Orte auf, die auf Verbindungen hinweisen: Da ist der Lebensmittelhändler und auch der Name Polyte wird gern verwendet, Jojo sowieso.
Auf unserer Reise war Porquerolles ein Höhepunkt gewesen. Könnte ich mir vorstellen, dort einen gesamten Sommerurlaub zu verbringen. Nein, ganz gewiss nicht. Mir ist es dort zu heiß gewesen und ich wechsle ungern mehrmals am Tag meine Kleidung, einfach nur weil ich durchgeschwitzt bin. Aber für vier oder fünf Tage ist es ein schöner Urlaubsort. Die Stände sind herrlich, man kann herumspazieren und außerhalb von Porquerolles finden sich auf der Insel immer wieder Orte, an denen man vielleicht nicht allein ist, aber zumindest seine Ruhe hat.