Kein Kind von Traurigkeit
Gibt es eine gewisse Rivalität zwischen Lausanne und Zürich? Wenn ich einem alten Presseartikel glauben darf, schon, denn zu Simenons 80. Geburtstag mokierte sich ein Journalist in einer Glosse über die Idee, dass man in Lausanne auf die Idee gekommen war, Simenon die Ehrenbürgerschaft zu verleihen.
Dank Fellini wissen wir, dass er 10 000 Frauen «besessen» hat. Also, wie er unlängst in einem Interview im französischen Fernsehen erläuterte, drei pro Tag. Wahrscheinlich auch ein Weltrekord. Man fragt sich, wann er neben dieser aufreibenden Beschäftigung überhaupt Zeit gefunden hat, seine immense Romanproduktion abzusondern. Seine ungeheure Lebensgier hat er produktiv in Literatur umgesetzt.
Das macht den Züricher schon ziemlich fertig, dass darf man wohl sagen. Aber er fängt sich, und betrachtet dann völlig unglossenhaft das Werk des Schriftstellers, der sich zu der Zeit schon über zwanzig Jahre in der Schweiz aufhielt:
Seine Romane sind oft Liebeserzählungen, doch keine sentimentalen Groschengeschichten. Die Liebe wird als Schicksal beschrieben, als Fatalität, der zwei Menschen verfallen sind, zynisch, unschuldig, grausam.
Dass DIE in Lausanne auf die Ideen gekommen sind, Simenon zum Ehrenbürger zu machen, dafür zeigt Bernhard Landau, der Autor dieses Artikels, letztlich doch noch Verständnis:
Er ist ohnehin ehrenvoller als das bereits wieder dementierte Ehrenbürgerrecht der Stadt Lausanne, denn dieses würde nicht nur den Schriftsteller Georges Simenon ehren, sondern auch einen grossen Steuerzahler, was sehr schweizerisch ist, also verständlich.