Maigret und Erfurt
Alexander Kluge im Interview mit dem »Tagesspiegel«...
Die “Berliner Zeitung” schrieb: “Robert Steinhäuser ist einer von uns.”
Keiner von uns kennt diesen Mann. Wir müssen es anders versuchen. Nehmen Sie ein Ereignis, das räumlich ferner liegt. In Nanterre bei Paris betritt ein junger Mann, von dem bekannt war, dass er etwas gelten wollte, das Rathaus und erschießt eine Reihe von Menschen, wird überwältigt und dann ausgerechnet in die Polizeistation gebracht, in der Simenon ...
der berühmte Krimi-Schriftsteller ...
seinen Kommissar Maigret arbeiten lässt. Maigret kennt den Alltag genau, und seine Taktik besteht darin, dass er zur Auflockerung einer Vernehmung Brote und Bier aus dem Bistro nebenan kommen lässt. Dort nun, im sechsten Stockwerk, arbeitet heute in der Realität ein Kommissar, der die Maigret’sche Methode beherrscht. Er beruhigt den jungen Mann erst einmal, weil er den Grund erfahren will. Er nimmt ihm auch die Handschellen ab. In diesem Moment springt der Täter ans Fenster und stürzt sich hinaus.
Der Kommissar bekam seine Frage nicht beantwortet.
Doch, später kam heraus, dass der Mann seine Tat schriftlich begründet hatte. Attentäter haben eine Art Öffentlichkeit vor Augen, Leser, für die sie Briefe schreiben. Der Täter schrieb, sein Leben sei nichts wert, aber wenn er schon sterben müsse, wolle er es nicht allein tun, sondern andere mitreißen. Er wolle so die Bedeutung des Selbstmords unterstreichen. [...]