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Blumenkorso
Bei einem Assoziationsspiel hätte ich, wenn mir der Begriff »Karneval« zugerufen worden wäre, Ortsnamen wie beispielsweise Düsseldorf, Köln, Mainz, Venedig oder Rio gerufen. Nizza wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Auf den dortigen Karneval bin ich nur aufmerksam geworden, weil er in einem Telefongespräch mit Kommissar Maigret erwähnt wurde.
Es kommt zu folgendem Dialog:
»Wie ist das Wetter bei euch?«
»Großartig. Alles ist voller Touristen, die zum Karneval gekommen sind. Morgen ist der Blumencorso, und man baut gerade die Tribünen auf.«
Vorher waren der Kommissar mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Féret, der jetzt in Nizza arbeitete, bei einem anderen Thema und unmittelbar nach dieser Bemerkung kamen die beiden auf das ursprüngliche Thema zurück. Also kein Erstaunen von Maigret, kein interessiertes Nachfragen, sondern es wird einfach so hingenommen.
Vielleicht war Maigret im Grunde seines Herzens Norddeutscher und hat sich gedacht: »Ach, die verrückten Südfranzosen, die mit ihrem Karneval. Gut, dass wir das hier in Paris nicht haben.« Aber man weiß es nicht.
Klar, dass ich nicht einfach so darüber hinweggehen konnte, sondern erst einmal prüfen musste, was es mit diesem Karneval auf sich hat. Das offizielle Marketinggedöns besagt, dass dies ein weltweit einmaliges Ereignis wäre. Das mag sein, aber es ist halt nicht ganz so bekannt, wie die oben erwähnten Festivitäten aus gleichem Anlass, die in Venedig und Rio gefeiert werden. Aber immerhin so bekannt, dass es schon damals Touristen angelockt hat. (Simenon hat im Zusammenhang mit Nizza eine Zeitung erwähnt, die nur bis 1944 erschienen ist, und dass in den Kriegszeiten Karneval mit Umzügen gefeiert wurde, der auch noch Touristen angelockt sei, ist für mich recht unwahrscheinlich. Das würde bedeuten – ob absichtlich oder nicht –, dass der Roman früher als 1944 spielt.)
Es startet, so entnehme ich es einem Programm, mit einem Blumencorso. Junge Frauen stehen auf einem der Umzugswagen und von diesem werden Blumen geworfen. Das scheint mir erst einmal eine kostspielige Angelegenheit zu sein, aber zumindest heute muss man für Tribünenplätze bezahlen. Dass man damals auch schon mit Tribünen arbeitete, ist dem kurzen Satz schon zu entnehmen.
Interessanter ist ein anderer Aspekt, denn Féret spricht davon, dass »der Blumencorso« stattfinden würde. Das hört sich nach einem singulären Ereignis hat. Das mag eine Täuschung sein, aber offenbar ist dieser Umzug so beliebt, dass man ihn nicht nur einmal stattfinden lässt, sondern beispielsweise im Jahr 2022 gleich fünf Mal an verschiedenen Tagen.
Der Aufwand mit den Tribünen würde andernfalls wohl nicht lohnen. Deshalb gibt es auch noch eine Reihe von anderen Umzügen, die ebenfalls in der Zeit stattfinden. Teilweise erst am Abend und in illuminierter Form.