Canal de l’Ourcq

Canal de l’Ourcq


Insgeheim haben wir alle die Hoffnung, dass, wenn wir einen Begriff in die Suchmaske eines Programmes eingeben, wir ein korrektes und möglichst eindeutiges Ergebnis bekommen. Oft funktioniert das. Umso verwunderter sind wir, wenn uns die Programme enttäuschen. Ich suchte zum Beispiel nach einem Örtchen namens »Beauval« und bekam genau ein Ergebnis.

Eine hübsche kleine Ortschaft, knapp über 2.000 Einwohner, irgendwo in der Picardie gelegen und auf Fotos sah man, dass eine Kirche über der Stadt thront. Ich freute mich für den Ort auch, dass er eine so prächtige Verkehrsanbindung hat. Drei Aspekte gaben mir zu denken und ließen den Verdacht aufkommen, dass ich mit dieser Antwort falsch unterwegs war: 

  • die Stadt befindet nördlich von Amiens,
  • damit liegt sie ziemlich weit weg von Paris und
  • ein Kanal war nicht zu entdecken.

Ich suchte auf der Karte nach einem Beauval, in dessen Nähe eine Wasserstraße zu finden war, denn schließlich hatten die Gebrüder Naud zu tun gehabt:

Sein Bruder ahnte, was das Problem war: Sie hatten in Beauval, bei Kilometerstein 48 des Canal de l’Ourcq, Quadersteine geladen.

Also musste dieses Beauval in der Nähe von Paris liegen, egal von welcher Seite man sich diesem Kilometerstein nähert. Irgendwer wird schon festgelegt haben, wo ein Kanal beginnt. Ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht, schließlich hat ein Kanal in dem Sinn keine Quelle.

Der Kanal

Der Canal de l’Ourcq ist kein Fremder für mich. Vor einiger Zeit gab es einen Text über den Canal Saint-Martin und in dem Zuge tauchte dieser Kanal vielmehr seine Entstehungsgeschichte auf meinem Radar auf. 

Kurz zusammengefasst: Der beschauliche Fluss Ourcq wurde für sein gutes Wasser geschätzt und auserkoren, Paris mit seinem kostbaren Nass zu versorgen. Die Ourcq war ideal, schließlich floss sie in die richtige Richtung – nach Paris. Nur kurz vor Paris, da wurde er komisch und verbündete sich mit der Marne. Deren Wasser kam unmittelbar vor Paris mit der Seine zusammen und floss durch die französische Metropole. Aber so sauber, wie man es brauchte, war es dann nicht mehr. Deshalb wurde beschlossen, ein Kanal zu bauen. Kurz vor Paris durfte der Fluss einen Teil seines Wassers über seinen natürlichen Lauf in die Marne abgeben, der Rest wurde über den Kanal in Richtung La Villette geführt.

In der Beschreibung des Kanals wird der Ort Beauval erwähnt: Er ist also keine Erfindung von Simenon. 1880 soll dort ein Schrägaufzug gebaut worden sein. Der Zweck ist mir nicht ganz klar. Ich hatte gelesen, dass er den Kanal mit der Marne verbunden haben soll – aber die ist fünfzehn Kilometer entfernt – über den Daumen gepeilt. Funktioniert hat das, was immer dort gebaut worden ist, auf jeden Fall. Nur ist heute davon nichts mehr zu sehen.

Die Entdeckung

Um herauszufinden, wo sich der Ort befindet, habe ich auf einer Karte versucht, dem Kanal mit dem Finger zu folgen. Das scheiterte nicht nur daran, dass dieser eher schmal ist, sondern auch durch bewaldete Gegenden fließt. So ist sein Lauf nicht genau auszumachen. Ich kam mir vor wie Hänsel.

Ich brauchte einen anderen Plan. Die Bilder, die man von dem Kanal sieht, sehen sehr lauschig aus. Neben dem Kanal befindet sich ein Weg, der für Spaziergänger auf kurzen Strecken oder für Fahrradfahrer für die längeren Distanzen sehr gut genutzt werden kann. Tourismus! Ich fand einen Hinweis, dass es einen Plan gibt, auf der die touristischen Offerten entlang des Kanals geschildert werden. Diese Darstellungen sind uns bekannt: Maßstabsgerecht ist nichts, aber wichtige Stationen sollten sich dort wiederfinden.

Bei dem Tourismusbüro, welches die Karte ursprünglich anbot, war das Info-Material nicht mehr zu finden. Vielleicht gibt es eine neuere Version, die noch nicht verlinkt war, oder man hat dieses Highlight gestrichen. Aber es gab eine Archiv-Version und die krallte ich mir und konnte auf der Übersichtskarte den Kanal mit dem Finger »abfahren«. Und da war es: Beauval. Zwischen Varinfroy und Neufchelles.

Gut, das sind auch beides keine sehr großen Gemeinden. Aber im Vergleich zu Beauval, in welchem vielleicht dreißig Häuser zu finden sind, sind es Metropolen. Gut, das ist eine maßlose Übertreibung. Wenn Sie Varinfroy in einen der Internet-Kartendienste eingibt, gibt es Ergebnisse. Bei der Betätigung des Zooms, erscheint dann der Ort, an dem die Nauds die Steinquader geladen haben.

Genau: Napoléon mochte zuerst die Wasserversorgung von Paris im Auge gehabt haben. Es brauchte nicht lang, da kam man auf den Trichter, dass sich auch gut die Stadt mit Waren versorgen konnte. Deshalb entstanden entlang des Kanals eine Reihe von Binnenhäfen, an denen Güter umgeschlagen werden konnte. Heute werden höchstens noch Touristen auf dem Wasser auf größeren Booten transportiert. Wassersportler sind mit Kanus unterwegs und transportieren sich selbst. Für die Wirtschaft hat der Kanal schon seit den 60er-Jahren keine Bedeutung mehr.

Wer das Geradlinige des Kanals nicht mag: Neben dem Kanal plätschert in wunderbarer Unordnung die Ourcq vor sich her.

Hat man schönes Wetter und will sich ein wenig aus der Stadt hinausbewegen, dann scheint mir eine Tour an dem Kanal eine nette Sache zu sein. Der Karte ist übrigens zu entnehmen, dass sich in der Nähe von Beauval auch ein Bahnhof befindet. Man muss nicht die 48 Kilometer radeln. Hier übrigens ein Wink mit dem Zaunpfahl: Luftlinie sind es von dem Ort nach Paris schon sechzig Kilometer. Der Kanal führt allerdings nicht in gerader Linie nach in das Bassin de la Vilette …

Touristische Karte des Kanals