Clowns


Mit Clowns ist das so eine Sache: Einerseits sind sie oft saukomisch, als Zirkus-Witzemacher oder im Varieté. Zu ihrem Sein gehört jedoch auch eine Schattenseite, die sich bei Stephen King oder in der Inanspruchnahme eines Killers wie John Wayne Gacy repräsentiert. Was ich nicht behaupten kann, ist, dass ich mich jemals mit Clowns beschäftigt hätte. Hingenommen ja – mehr nicht.

In dem Roman »Madame Maigrets Freundin« wurde dem Kommissar ein Hinweis auf einen Mann gegeben, der wie ein Clown ausgesehen haben soll. Konkret konnten es die Zeugen nicht festmachen, er sah halt aus wie ein Narr, heißt es da.

Maigret wusste bald, um was für eine Type es sich handeln würde. Und in der Tat kam der beobachtete Mann aus der Zirkuswelt. Interessanter war jedoch ein Gespräch, dass sich zwischen Maigret und einem Schuster entspann, der den Besucher des Buchbinders beobachtet hatte. Dieser Zeuge meinte:

»[...] Als ich eben vom Clown gesprochen habe, musste ich plötzlich an einen Koffer denken. Und warum? Weil Clowns natürlich immer mit einem Koffer in der Manege auftauchen.«
»Das ist eher der Typ dummer August.«
»August oder Clown, wen kümmert das. Gehen wir auf ein Gläschen?«

Beim Lesen folgte ein Moment des Innehaltens und gefolgt von der Erkenntnis, dass ich mir über den Clown an sich noch nie Gedanken gemacht hatte. 

Klar ist, dass er normalerweise für die Belustigung des Publikums sorgen soll. Mir war jedoch unklar, dass es eine Klassifizierung von den Spaßmachern gab und war vermutlich auf dieser Schuster-Schiene, der Maigret mit der Bemerkung parierte, wen es denn interessiere, ob es sich um einen »August oder Clown« handeln würde.

Maigret wusste um den Unterschied, bei seinem Gesprächspartner war es zweifelhaft oder es war Desinteresse – denn die exakte Unterscheidung besteht zwischen dem »dummen August« und dem »Weißclown«. Letzterer ist einem Clowns-Trupp derjenige, der ernsthaft daherkommt und intelligent wirkt. Dieser Typ Clown ist eleganter gekleidet als sein Widerpart, und das vom Kopf bis zur Sohle. Das Gesicht und der Hals sind weiß, die Mundpartie wird rot geschminkt. Die Augenbrauen sind sehr markant schwarz betont.

Der »dumme August« dagegen trägt er lustige Klamotten, ist nachlässig gekleidet. Sein Kennzeichen ist oft eine rote Nase und das Gesicht ist nur teilweise geschminkt. Das Adjektiv gibt es schon vor, dass die Zuschauer einem Tölpel begegnen, der herum stolpert und dem Missgeschicke am laufenden Band passieren. 

In der Manege kann es sein, dass man einen von den tölpelhaften Spaßmachern zu tun hat, manchmal treten sie auch zu zwei oder zu dritt auf. Was sehr unwahrscheinlich ist, da nicht so spaßig, ist der Auftritt eines einzelnen Weißclowns. Warum sollte man das auch sehen wollen? Im Alltag ist man das selbst. Der Weißclown braucht also unbedingt den dummen August, damit seine eigene Rolle funktioniert. Dieser Typ Clown entwickelte sich erst nach dem »dummen August«. Der August wurde im 19. Jahrhundert vom amerikanischen Clown Tom Belling in die Zirkuswelt eingeführt. Als solcher agierte er jedoch nicht sehr lang allein in der Manege, denn just dieser Belling trat in seinen späteren Jahren fast immer gemeinsam mit einem Weißclown auf.

Zu der Ernsthaftigkeit des Weißclowns kommt hinzu, dass diese Figur oft als Moderator oder gar als Zirkusdirektor auftritt. Er ist in diesem Fall damit beschäftigt, das Programm zu leiten und das wird von seinem Kompagnon, dem dussligen August, torpediert – absichtlich oder versehentlich sei einmal dahingestellt.

Wenn also der Weißclown der »normale Typ« ist, eigentlich ein Nicht-Clown, dann fällt uns ein Mensch als Clown nur dann auf, wenn in ihm der »dumme August« vermutet wird. Verstärkt wird dieser Eindruck des Schusters in diesem Fall durch den Koffer, den der Fremde bei sich trug – ein typisches August-Accessoire, welches dummerweise immer aufzugehen pflegt und aus dem die unmöglichsten Dinge plumpsen. Das passierte diesem Clowns-Typ jedoch nicht, was Maigret aber sehr zupassgekommen wäre – neugierig wie er ist.

Während Maigret in dem kurzen Gesprächsfetzen den beobachteten Mann präzise einordnete, ist die Reaktion des Schusters darauf reichlich unwirsch und wenig korrekt. Schließlich ist der »dumme August« genauso ein Clown wie sein Widerpart. Aber das geht vielleicht schon mal unter, wenn man mit seinen Gedanken nur beim nächsten Schluck Weißwein ist.