Bildnachweis: Nouchi - maigret.de
Das Mysterium Nouchi
Nouchi
Vor zwei, vielleicht auch drei Jahren um die Weihnachtszeit traf ein Päckchen ein. Den Absender kann man als anonym bezeichnen, denn genauso wenig wie ich daran glaube, dass der Weihnachtsmann Geschenke bringt, Osterhasen Eier anmalen, so wenig glaube ich daran, dass mir ein Inspektor aus Maigrets Team Bücher zusendet. In dem Päckchen waren verschiedenste Bücher zu finden.
Damals bedankte ich mich auf den Seiten hier und ich hoffe, der Absender hat es auch gelesen (wenn nicht, hier ein zweiter Versuch DANKE zu sagen!).
Nun ist es Gelegenheit gewesen, sich mal wieder eines der Bücher zu schnappen, die in der Wundertüte drin waren, und hier drüber zu schreiben. Es hätte mich nicht überraschen sollen, dass dies ein wenig Arbeit nach sich zog.
In dem Heftchen mit dem Namen »Suspense« fand sich eine Geschichte von Simenon, die den Namen »Nouchi« trug. Entstanden ist die Geschichte 1929, gehört also zum Frühwerk Simenons. Eine kurze Recherche auf dieser Seite ergab nicht mehr Information, als dass die Geschichte erschienen ist. Deutsche Quellen gibt es jedoch nicht und auch die Deutsche Nationalbibliothek spuckt zu den Stichwörtern nichts aus. Unser aller Freund Google gab mir allein die Information, dass Nouchi eine Mischsprache handelt, die an der Elfenbeinküste gesprochen wird – das erste deutsche Ergebnis trägt den interessanten Titel »Soziolinguistische Aspekte des Nouchi, einer Mischsprache der Côte d’Ivoire«, was mich dazu veranlasste, mal nachzulesen, was eine Mischsprache ist. Die Neugierde stirbt zuletzt.
Der Name sagte mir aber trotzdem etwas. Es gab eine Nouchi in dem Roman »Maigret verliert eine Verehrerin«. Wenn man nun die Erzählung liest, fangen hier die Merkwürdigkeiten an.
Originalton aus »Nouchi«
If Nouchi was not precisely pretty, she was provocative and above all extremely young-nineteen, with a long firm body and little high breasts sharply moulded by her light silk dress.
Meine amateurhafte Übersetzung:
Nouchi war nicht gerade hübsch, sie war provokativ und vor allem sehr jung – neunzehn, mit einem langen, festen Körper und kleinen, hohen Brüsten, die sich scharf in ihrem hellen Seidenkleid geprägt abzeichneten.
In dem Maigret-Roman findet sich dann folgende Passage zu Nouchi:
Wenn sie auch schmal war und kaum Hüften hatte, so hatte sie doch starkentwickelte, spitze Brüste, die ein enggeschnürtes Mieder erst recht zur Geltung brachte.
Eine Nouchi spielt auch eine Rolle in »Der Stammgast«. Bei Gelegenheit schaue ich mal nach, welche Charakterisierung Simenon dort für Nouchi verewigt hat. In allen Fällen handelt es sich um Ungarinnen. In der Erzählung ist sie schon neunzehn, im Maigret-Roman ist sie sechzehn Jahre alt.
Interessant fand ich allerdings, dass die Suche nach dem Vornamen »Nouchi« so überhaupt gar keine Ergebnisse bringt, die etwas mit Ungarn zu tun haben. In der Wikipedia, der ungarischen wohlgemerkt, bekomme ich auf die Suche nach dem Namen zur Antwort: Hozd létre a(z) „Nouchi” nevű lapot ezen a wikin! (»Erstelle einen Eintrag namens “Nouchi” in diesem Wiki!«) – der Name scheint dort nicht besonders bekannt zu sein.
Nach dem ersten Überfliegen der Erzählung, stand für mich noch die Frage im Raum, ob es sich wohl um die gleichen Nouchis handeln würde. Das kann ich mittlerweile ausschließen. Denn die Nouchi in der Kurzerzählung hatte einen Vater, der Staatsrat gewesen war und war in der Modebranche tätig. Sie hatte so gutes Benehmen, dass sie sich in der besseren Gesellschaft bewegen kann. Das kann man von der Maigret-Nouchi nicht sagen.
Die Nouchi aus der Erzählung hat übrigens einen Freund, der Verkäufer in einem Plattenladen ist, und als Familienname wird für ihn Siveschi angegeben. Das ist eigentlich der Familienname der Nouchi, mit der Maigret zu tun hat und die Simenon zehn Jahre später erfunden hat.
So lässt sich festhalten: Simenon recycelte gern Namen und hatte sich zudem mit Nouchi einen Vornamen für Ungarinnen ausgesucht, der so geläufig im Ungarischen nicht ist.