Bildnachweis: Des Richters Frisur - maigret.de / Leonardo AI
Des Richters Frisur
Schon mal von Prosper Bressant gehört? Nein?! Ich will Ihnen hiermit ein Zertifikat ausstellen, dass das offiziell nicht schlimm ist. Hätten Sie die französische Staatsangehörigkeit und wären gleichzeitig Friseur, dann wäre das eine andere Sache. Mit meinem neu gewonnenen Wissen würde ich mich trauen, Sie schräg anzusehen und zu fragen: »Wirklich?« Nicht, dass besagter Prosper Friseur wäre.
Oft hebe ich mir das Beste für den Schluss auf. Hin und wieder etwas Neues zu wagen, schadet aber nicht. Deshalb möchte ich schon ganz am Anfang einen Tipp geben: Es geht um die Frisur von Rudi Völler.
Damit bin ich genauso fies wie Simenon in seiner Erzählung »Ziliouk«. Auch wenn ich kein Fußballkenner bin, sagt mir der Name Völler etwas. Da war doch diese Spuckattacke, der er irgendwann mal ausgesetzt war, und ich habe ein Bild von seiner Frisur vor Augen. Die trug man damals so, wie man in der Zeit auch einen Schnauzer sein eigen zu nennen hatte. Eine Übertreibung, ich weiß …. Das sind aber Geschichten aus den 1980er-, vielleicht 1990er-Jahren. Wer erinnert sich daran? Ich schreib’s nur ungern, aber so ists nun mal: alte Leute.
Simenon machte dies ohne die ganzen Erklärungen, so wie ich, indem er schreibt:
Wie immer bot er ein Bild in Schwarz-Weiß: weiß seine Haut, sein Bürstenschnitt à la Prosper Bressant, sein gestärktes Hemd, schwarz sein strenger Anzug.
Es gab gleich zwei Überraschungen. Zum einen kann man besagten Prosper Bressant nicht als Zeitgenossen von Simenon bezeichnen. Als unser Fokus-Schriftsteller zur Welt kam, war dieser Mann schon siebzehn Jahre tot. Wann fängt man an, sich für Frisuren zu interessieren? Heute vielleicht mit zehn, elf Jahren als Junge. Früher eher noch später. Also als Simenon im Teenager-Alter war, lag der frisurennamengebende Mann gut dreißig Jahre unter der Erde.
Dann sah ich das Bild von dem Mann. Der Haarschnitt, der den Kopf des Namensgebers zierte, schaute genauso aus wie zahllose Männerfrisuren auf alten Gemälden. Was soll daran besonders gewesen sein?
Ein wenig mehr Recherche war unerlässlich: Der Mann hatte in einer Rechtsanwaltskanzlei angefangen zu arbeiten. Die Erfüllung war das nicht, weshalb er sich der Schauspielerei zuwandte. Er machte sich einen Namen im französischen Theater in St. Petersburg und nach einigen Jahren kam er zurück nach Paris. Das war 1846 und zu dem Zeitpunkt war er 31. Er war gut und er besaß eine Haarpracht, die sich mit der auf dem Bild nicht zu vergleichen ist. Sie erlaubte ihm, die Haare vorn kurz zu tragen und hinten lang. Dieser neue Stil wird ihm zugeschrieben – Abbildungen, die ihn mit dieser Frisur zeigen, sind aber nicht zu finden.
In Paris hatte Prosper Bressant derartigen Erfolg, dass er acht Jahre nach sein Rückkehr aus Russland Mitglied der Comédie-Française wurde, wozu schon einiges gehörte.
Die ihm zugeschriebene Frisur wird im Frankreich »à la Bressant« genannt. Im englischsprachigen Raum wird sie als »mullet« bezeichnet und in Deutschland firmiert sie unter dem Namen »Vokuhila«. Meine Fantasie hatte mir einen Streich gespielt, denn ich habe, wenn ich den Begriff wahrgenommen hatte, irgendwie an Wikinger gedacht. Die triviale Erklärung, dass eine Abkürzung von »Vorne kurz, hinten lang« ist, bringt mich immer noch zum Schmunzeln.
Heißt also, wir müssen uns – zumindest was die Haarpracht angeht – sowohl Prosper Bressant wie auch Richter Froget wie Rudi Völler vorstellen.