Da geht er

Die Fensterläden sind zu


Die Romanvorlage hat einen schönen deutschen Titel – »Die grünen Fensterläden« –, der sich stimmungsvoll auf Covern umsetzen lässt. Einen Tick besser klingt noch der Französische. Ob der eine wie der andere Titel noch zu retten ist, wird sich zeigen. Der Filmtitel »Les volets verts« dürfte in jedem Fall verbrannt sein. Das schwarze Schaf ist schnell ausgemacht: Gérard Depardieu.

Jeder Einkäufer, der einigermaßen auf der Höhe der Nachrichten ist, wird sich zweimal überlegen, ob er einen Film mit dem Hauptdarsteller einkauft, der derart negativ in den Schlagzeilen ist und das nicht erst seit heute.

Lange Zeit konnten sich Prominente hinter ihrem Prominentenstatus verbergen und hatten eine gewisse Narrenfreiheit, man hat ihnen so manches nachgesehen. Diese Ära ist vorbei: Weinstein, Spacey, Louis C.K. können ein Lied davon singen. 

Hier auf der Seite ist ein Beitrag zu finden, in denen die Produzenten beschreiben, wie viel Herzblut sie in das Projekt gesteckt haben. Dann müssen sie anschauen, wie der Hauptdarsteller in sehr unerquickliche Beschuldigungen verstrickt wird und das auch noch im Zusammenhang mit dem Film.

Seit diesem Monat sollen vor einem Pariser Gericht die Vorwürfe verhandelt werden, dass er eine Dekorateurin am Set an sich gezogen haben soll und sie unsittlich berührte. Begleitet wurde das von Kommentaren seinerseits, die nicht jugendfrei gewesen. Eine Assistentin des Regisseurs dieses Films erhob ähnliche Vorwürfe.

Nun kann man sich hinstellen und sagen, dass der Schauspielstar das Opfer eine Kampagne sei – Carla Bruni tat das wie auch Charlotte Rampling und eine Reihe anderer bekannter (französischer) Stars. Schaut man genauer in deren offenen Brief, verteidigen sie ihn aber nur vor der Berichterstattung. Die Frage, ob er schuldig ist oder nicht, wollen sie ausgeklammert wissen. Von daher würden sie wahrscheinlich nicht unterschreiben, dass es »mediale Lynchjustiz« wäre, wie es verschiedentlich zu hören war.

Im Jahr 1991 veröffentlichte das Time-Magazin die Übersetzung eines Interviews von 1978, in dem Depardieu bestätigte, dass er mit neun Jahren zum ersten Mal an einer Vergewaltigung anwesend war. Es wurde sich im Anschluss darüber gestritten, ob er »beteiligt« war oder »teilgenommen« hat. Irritierend ist, dass er vom ersten Mal sprach – also gab es weitere Male? – und die Tatsache, dass er der Meinung war, dass die Frauen es gewollt hatten. 

Ein Effekt von Prominenz wie sie Depardieu hat, ist, dass mit ihr eine gewisse Macht einhergeht. Wer würde einer Frau glauben, die behauptet, ein solch bekannter Mann hätte sie missbraucht? Viele Opfer glaubten, dass sich der Kampf nicht lohnen würde, dass die Gesellschaft (und auch die Justiz) ihnen nicht glauben würde. So traurig es ist, damit lagen sie richtig. Das ändert sich erst langsam.

Deshalb war es schon eine Wucht, als die Vorwürfe von Charlotte Arnould 2018 öffentlich wurden und sie es über Umwegen erreichte, dass ihre Vorwürfe untersucht werden. Das löste eine Welle aus, denn plötzlich waren da auch die Geschichten, die vor Ewigkeiten passiert sind. Eine spanische Journalistin konnte von Vorfällen im Jahr 1995 berichten, Emmanuelle Debever erzählte von Übergriffen Anfang der 1980er-Jahre. Liest man sich tiefer in die Materie, gehen einem die Augen über.

Hinzu kommen die Berichte von den Übergriffen am Set von »Les volets vert«. Also hätte ein Einkäufer nicht nur mit der problematischen Geschichte des Hauptdarstellers zu tun, sondern auch noch der Tatsache, dass es bei der Produktion des Films nicht alles mit rechten Dingen zuging. Aus der Vergangenheit wurde berichtet, dass Depardieu das nicht heimlich tat – andere schauten zu. Er war ja der Star!

Sieht es danach aus, dass Depardieu in der Geschichte das Opfer ist?

In Avignon wird gerade 51 Männern der Prozess gemacht, weil sie Gisèle Pélicot vergewaltigten – die zum Zeitpunkt der Verbrechen bewusstlos war. Ein Zustand, den ihr Ehemann ohne ihr Wissen herbeigeführt hat. Möglich, dass dies das Bewusstsein in Frankreich, in dem bisher erstaunlich nachlässig mit diesem Thema umgegangen wurde, ändert. Und gut vorstellbar, dass sich das auch auf die Prozesse um Gérard Depardieu auswirkt.

All das macht mich sehr skeptisch, dass sich noch ein Einkäufer finden wird, der diesen Film nach Deutschland bringt und synchronisieren wird. Gestützt wird das, dass es keine einzige Erwähnung gibt, dass die Rechte in hiesige Gefilde verkauft worden wären.