Die Tänzerin und die Gräfin

Die Tänzerin und die Gräfin

Ohne Lucas


Die Maigret-Filme mit Rowan Atkinson wurden in Budapest gedreht. Wenn man durch die Stadt wandelt, und das Vergnügen hatte ich im Spätsommer diesen Jahres, fühlt man sich an Paris und Wien erinnert. Die Entscheidung, dort zu drehen, kann ich gut nachvollziehen. Auf Twitter gab es vorgestern jemanden, der die Fischerbastei erkannte, mir war das nicht aufgefallen – raffiniert, da meine Erwartungshaltung ist, dass es Paris ist.

Typisch für Budapest sind die Wohnhäuser – man kommt von allen Geschossen in den Innenhof und erreicht von dort aus die Wohnungen. Diese Bauweise ist mir in Paris noch nie aufgefallen. Eine kurze Recherche nach Bildern Pariser Innenhöfe bestätigte mir das nochmals.

Der Film beginnt in der Wohnung der Gräfin. Philippe möchte gern von der Wohnungsbesitzerin Geld haben, findet aber keines. Es ist kein großer Widerstand zu sehen, als er ein Schmuckstück von ihr mitnimmt, um es zu verscherbeln. Die nächste Szene spielt außerhalb der Wohnung im erweiterten Treppenhaus. Philippe kommt an einem Mann vorbei, der zur Wohnung der Gräfin möchte. Er eilt diesem hinterher, um ihm zu sagen, dass die Gräfin unpässlich wäre. Stattdessen wird er von dem Herren so gewürgt, dass er am Ende auf dem Boden landet. Ob bewusstlos oder tot, wird an der Stelle nicht klar. Ich war der Meinung, dass er tot wäre und fragte mich die ganze Zeit, warum dieses Verbrechen in der Geschichte überhaupt keine Rolle mehr spielte.

Statt dessen geht es nun mit Arlette weiter. Diese tanzt nicht nur, wie der Titel es suggeriert, sondern sie tanzt auch in dem Club. Das macht für die Stimmung ein wenig mehr als eine Striptease-Tänzerin. Wenn man weiß, was im Original steht, wirkt eine solche Änderung ein wenig prüde.

Maigret hat keine normalen Arbeitszeiten, so viel ist klar – manchmal schlägt er sich ganze Nächte um die Ohren. Liegt kein akuter Fall an, verbringt er seine Abende und Nächte bei Madame Maigret. Ein ganz solider Mann. Es gibt also keinen Grund für ihn, in der Nacht vor dem Mord an Arlette, am Quai des Orfèvres zu sein. Deshalb wird die Handlung auf den Vorabend verlegt, womit es nicht ganz so unwahrscheinlich wird. Das wiederum hat zur Folge, dass Arlette nicht erst nach der Schließung des Clubs zur Polizei geht, sondern die Arbeit vorzeitig verlässt, um sich bei Maigret zu melden. Der Ablauf, wie er im Buch geschildert wird, ist wesentlich plausibler (und übrigens auch stimmungsvoller). Nun habe ich die dritte Tänzerin-und-Gräfin-Verfilmung gesehen und was den Anfang der Filme angeht, fand ich die Rupert-Davies-Variante mit Abstand am Besten.

Arlette kommt also zu Maigret, erzählt die Oscar-Gräfin-Geschichte, widerruft sie später ein wenig wieder und verschwindet. Kurz darauf ist Arlette tot und die Gräfin wird auch gefunden.

Nun folgt der Film wieder der Story, wie sie im Buche steht. Lapointe entpuppt sich als Liebhaber von Arlette und wird in der Folge von Maigret mit Aufträgen versehen, die ihn vom Montmartre fern halten. Janvier muss dafür um so mehr tun. Wir haben es in den Maigret-Romanen immer mit einem Vierer-Gespann zu tun: Maigret – Lucas – Janvier – Lapointe. Wer auch in den vorherigen Verfilmungen dieser Reihe fehlte, ist Lucas. In den Büchern ist er der treue Begleiter des Kommissars. Was hat er dem Drehbuchschreiber getan, dass er aus dem Film geschrieben wurde?

Der Wirt des Picratt’s ist der unsympathische Fred, der mit Rosa verheiratet ist. Während er herumhurt, kümmert sie sich um die Mädchen. Von ihr werden schon mal Mädchen mit einer neuen Identität ausgestattet, so auch Arlette.

In der Mitte des Filmes steht Philippe, der zum meiner Überraschung noch am Leben war, im Mittelpunkt. Es ist schnell klar, dass er nicht der Täter gewesen sein kann. Janvier führt ein Verhör mit ihm, von dem man nicht sagen kann, dass dies angemessen gewesen ist und bekommt dafür von Maigret auch einen ordentlichen Rüffel. Er wird dazu verdonnert, Philippe zu observieren und auf diesen Weg, Oscar zu finden.

Der spielt aber sein ganz eigenes Spiel. Auf der Jagd nach Oscar wird Maigret Opfer eines »Streichs« desselben. Der gibt sich als Taxifahrer aus und lädt Maigret im Nirgendwo ab. Anschließend fährt Oscar zurück in die Stadt, um noch an gewissen Personen Rache zu nehmen und Maigret muss sich ganz schön anstrengen, um das zu verhindern. In dieser Geschichte hat Oscar beobachtet, wie die Arlette und die Gräfin den Mann der Gräfin umgebracht haben. Die nächsten Jahre bestritt Oscar sein Einkommen durch Erpressung und Zuhälterei. Arlette schickte er auf die Straße und als sie verschwand und eine neue Identität annahm, wurde er – sagen wir mal – sehr unangenehm und tödlich.

Das Ende ist nicht gerade logisch. Das Finale findet im Picratt’s statt, wo Oscar Fred erschossen hat und Rosa gefesselt hatte. Er wollte Rache nehmen, dass sie es ermöglichte, dass sich Arlette vor ihm versteckte. Warum bringt er sie nicht gleich um, sondern fesselte sie erst? Es sieht fast so aus, als hätte Oscar auf Maigret gewartet. Warum nur, habe ich mich gefragt. Die Lösung ist dann doch recht einfach: Maigret hat noch einige Fragen, um den Fall klären zu können, und der Zuschauer sollte nicht ratlos zurück gelassen werden. Danach konnte der Bösewicht erschossen werden. Aber das übernahm natürlich nicht Maigret.