Die verkorkste Urlaubsplanung
Sein Freund und Arzt Pardon hatte ein Machtwort gesprochen: In diesem Jahr wäre ein Urlaub fällig und es gäbe keine Ausreden, es nicht zu tun. Der Körper würde seinen Tribut fordern und der Kommissar würde schließlich nicht jünger. Somit war klar: Im August würde Maigret nicht arbeiten. Er verpasste es aber trotzdem, sich rechtzeitig um den Urlaub zu kümmern. So wurde etwas Spezielles draus.
Es erscheint mir fast ein wenig gemein, in diesen Zeiten einen Beitrag über Urlaubsplanung zu verfassen. Kaum einer von uns ist auch den verschiedensten Gründen im Augenblick in der Lage, einen Sommerurlaub zu planen – wer weiß, was bis dahin passiert, was erlaubt ist und wo man hindarf. Aus den Augen darf schließlich auch nicht lassen, dass die anrollende dritte Welle uns wirtschaftlich weiter schlauchen wird – wer hat im Sommer noch Geld, sich einen Urlaub zu leisten? Und das wichtigste Augenmerk nach wie vor der Gesundheit und der Vermeidung der Seuche.
Maigret-Idee Nr. 1
Schön zu hören, dass Maigret mit seiner Schwägerin und deren Ehemann sowie den Kindern sehr gut zurechtkommt. So gut, dass sie gemeinsam Urlaub machen und sich gern besuchen. Wir erfahren bei der Gelegenheit, dass Schwägerin und Schwager ein Grundstück in der Nähe von La Schlucht besitzen und dort auch gern den Urlaub verbringen. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem Maigret Urlaub nehmen muss, kauft sich sein Schwager ein neues Auto und will eine große Tour damit verbringen. Somit fällt die Reise in den Elsass aus und die Maigrets brauchen eine neue Idee.
Wer ein paar Bilder aus der Gegend sehen möchte, der sollte sich mal zu diesen Artikel anschauen.
Maigret-Idee Nr. 2
Urlaub am Meer ist auch … mir fehlt das Adjektiv. Aus meiner Perspektive würde ich für einen Urlaub im August am Meer das Wort »anstrengend« wählen. Denn alle, die es geschafft haben und einem gewissen Leidensdruck standhalten können, sind da: Zusammen mit ihren Kindern und dazugehörigen Krams, laut und fröhlich – wenn das Wetter schön ist; missgelaunt und traurig, wenn Strandbesuche wetterbedingt keine Option sind. Man reiht sich ein in die Staus und in die vollen Züge, um hinzukommen und man kommt geschafft an, um sich von der Reise zu erholen, und kehrt ramponiert wieder zurück, weil man Stunden im dicken Verkehr gestanden hat oder anderer Rückreisetrubel ein versöhnliches Urlaubende verhinderte.
Vielleicht war es ein Glück, dass Maigret eine erste Reisewelle beobachtet hatte. So tat es weniger weh, dass sie keinen Platz in ihrem Hotel in Les Sables-d'Olonne bekommen hatten. Schließlich hatten sie nicht nur gute Erinnerungen an den Urlaubsort: Madame Maigret erkrankte dort, musste ins Hospital und dann geschah auch noch ein Mord. In dem 1947 entstandenen Roman ließ Simenon die Maigrets in dem Hotel »Hôtel Bel Air« nächtigen.
Für »Maigret amüsiert sich« hatten die Maigrets geplant, im »Hôtel des Roches-Noires« abzusteigen.
Ob es zu dem Zeitpunkt auch noch die etwas dicklichen Wirte gewesen waren, die sich rührend um ihre Gäste kümmerten? Oder war es schon die Nachfolger? Der Roman entstand neun Jahre später und ich finde einen Aspekt an der Geschichte recht interessant: 1945 hat Simenon in dem »Hôtel des Roches-Noires« eine Zeit lang gewohnt und sich dort auskuriert (vgl. »Seite 169«). Er schrieb zwei Jahre später einen Roman, in dem der Ort eine Hauptrolle spielt, ließ aber das Hotel – in dem es ihm wirklich gut gefallen hat – unerwähnt. Nach neun Jahren bekommt das Hotel und sein Betreiber eine Nebenrolle als Komplize des Kommissars beim Vortäuschen eines See-Urlaubs. (Das erzählte er seinen Kollegen und ließ sich die Post dorthin nachsenden.)
Meine Idee
Ich habe mich gefragt, warum Meung-sur-Loire noch keine Option gewesen war.
Resultat
Für uns ist durch diese misslungene Urlaubsplanung einer schöner Maigret-Fall herausgekommen. Denn einen Mord bekommt der Kommissar, aber er muss ihn durch Detektiv-Arbeit lösen und nicht auf die üblichen Ressourcen zurückgreifen.