Titel von »Hier irrt Maigret«

Drama


Ist schon ein Weilchen her, dass ich einen Maigret gesehen habe. Also schnappte ich mir diesmal einen aus der ersten Staffel und das war »Hier irrt Maigret«. Es war keine bewusste Wahl, denn die Benennung der Dateien schlug damals fehl und so ist es immer eine Überraschung, was mich erwartet. Es bleibt auch noch ein wenig Vorfreude, denn irgendwann kommt sicher auch »Mein Freund Maigret«, so hieß die Datei diesmal.

Die Folge beginnt damit, dass Maigret nach Hause kommt. Seiner Frau erklärt er, dass er zu Hause arbeiten würde (also Home Office macht), weil er im Büro nur gestört werden würde. Ich nehme an, so ein Privileg hatte man nur, wenn man Chef war. Lucas oder Torrence hätten schön im Inspektoren-Büro arbeiten müssen, hätten sie Berichte zu schreiben. Gut, sie schreiben auch keine Reports an Minister.

Man ahnt es natürlich schon, dass das nicht richtig funktioniert. Kaum hat sich der Kommissar gesetzt, klingelt es schon an der Tür und Lucas steht Sekunden später mit einer Frau im Zimmer von Maigret und erklärt seinem Vorgesetzten, dass das wichtig wäre, denn es ginge um Mord. Dieser erkennt die Frau, die Lucas beibrachte, als (ehemalige) Prostituierte und die beiden liegen sich sofort in den Haaren. Die Frau hatte nämlich die Leiche der Frau gefunden, für die sie geputzt hatte, und war in dem Augenblick die Hauptverdächtige Nummer 1. Das lag wohl an der Vorgeschichte…

Interessant finde ich an der Szene, dass Rupert Davies als Maigret, sich vor der Dame aufbaut und dabei seinen Fuß auf den Stuhl stellt. Das soll vielleicht locker wirken, aber die Wirkung ist eine ganz andere: »Der hat ja noch nicht mal zu Hause Manieren und benimmt sich, als wäre er in einer Hafenkneipe und würde gleich ein Lied anstimmen.« Passt also überhaupt nicht – zumal es ein wirklich schöner Stuhl ist, der noch mit Stoff bezogen ist und gepolstert aussieht. Und der Kommissar ist weiß Gott nicht mit Pantoffeln im Haus unterwegs! Wir sind hier wirklich kein Etepetete-Haushalt, aber das sollte ich zu Hause mal auf unseren Stühlen ausprobieren. Da wäre aber was los!

Stimmt nicht

Wenn ich von der ersten Szene spreche, dann stimmt das nicht. Anfangs sieht man einen Arzt mit einer Schwester, dann sieht wie zu dem Arzt, ein anderer Arzt mit einer Ärztin dazukommen (womit wir jetzt schon bei vier Personen sind, denn die Schwester geht nicht weg) und nach einer kurzen Unterredung verschwinden der erste Arzt und die Schwester auf Nimmerwiedersehen, womit dann – Finale! – nur noch eine Ärztin und einen Arzt überbleiben, die sich beide als Hauptfiguren entpuppen werden. Ihren Auftritt haben damit Professor Gouin und seine Assistentin Dr. Lucile Decaux – der Zuschauer erfährt nur noch nicht, was es mit den beiden auf sich hat. Er hat irgendwie was Amouröses im Sinne, aber ihr ist nicht danach.

Es kommt der Vorspann, dann stellt sich schnell heraus, dass wir es mit einem Mann zu tun haben, der im Mittelpunkt von vier Frauen steht: Da wäre seine Ehefrau, die sein Leben regelt und sein Geld ausgibt. Seine Geliebte, die er nach einer Operation bei sich im Haus aufnimmt (also ihr eine Wohnung im gleichen Haus besorgt und bezahlt), und die ihm zur Dankbarkeit (und zu Sex) verpflichtet ist. Netter Nebeneffekt: Armut war erst mal nicht ihr Thema. Nummer 3 wäre die schon erwähnte Assistentin, die bereit wäre, für den Professor jeden Meineid zu schwören – dem Professor ist das durchaus recht, aber er ist Realist genug, um später Maigret gegenüber festzustellen, dass sie das für jeden berühmten Mann machen würde. Letztlich wäre da noch die Schwester seiner Frau, die ihn abgrundtief hasst.

 

Seine Geliebte ist das Mordopfer und sie war schwanger. Sie kommt in dem Film körperlich nicht vor (kann könnte also sagen, die haben an der Leiche gespart).

Die Verfolgungsjagd

​Eigentlich hat es die Figur des Lucas in den Maigret-Verfilmungen mit Davies schon recht gut. Im Buch wird er nämlich als klein und dicklich geschrieben. Ewen Solon, der den Lucas darstellt, ist dagegen ein sportlicher Typ und ein Mitt-Vierziger. Damit hat er gegenüber dem Buch-Lucas erhebliche Vorteile. Die Verfolgungsjagd nach dem verdächtigen jungen Liebhaber des Mordopfers hätte er durchaus gewinnen können. Sein Start war aber nicht besonders gelungen, schließlich fällt er zu Anfang gleich von einem Barhocker. Nachdem es durch die Straßen von Paris, über Märkte letztlich zu einem Güterbahnhof geht, wo der Verdächtige auch noch von einer Brücke über einen Brückenpfeiler nach unten klettert und schließlich zwischen den zahllosen Zügen verschwindet, muss auch Ewen Solon aufgeben. Vielleicht liegt es daran, dass seine Figur so viel raucht - wer weiß?

Kleine Zwischeninfo, weil ich das ganz interessant fand: Ewen Solon spielte in zwei Staffeln von Dr. Who zwei unterschiedliche Charaktere über mehrere Folgen.

Die Verfolgungsjagd nimmt also einige Zeit in Anspruch. Sie wirkt deplatziert in der Geschichte. Zumal der Verdächtige kurze Zeit später am Quai erscheint und seine Unschuld gegenüber Maigret beteuert.

Unterschiede

Die meisten Unterschiede zu dem Roman stören eigentlich kaum. Ich zuckte zusammen, als ich hörte, wie der Professor im Gespräch zu Maigret sagte:

»Man mag den Frauen das logische Denken absprechen, aber oft beurteilen sie Dinge vom Instinkt her richtig.«
»Na, da bin ich ganz ihrer Ansicht.«

So steht’s nicht in der Vorlage und schon heute würde man dafür – zu Recht – ordentlich was auf die Mütze bekommen. Wenn man genau hinschaut, merkt man auch, dass Maigret zu seiner Frau nicht so oft »Danke« sagt, wie er eigentlich sollte. Und das »Bitte« nach meinem Geschmack auch zu oft fehlt. Nimmt man jetzt noch die Geschichte mit den schmutzigen Schuhen auf dem Stuhl dazu – Mann, Mann, Mann!

Maigret geht zwar in der Vorlage auch davon aus, dass die Ehefrau die Mörderin ist, aber in der Verfilmung wird noch ein kleiner Haken geschlagen, und die Schwester mit hineingezogen. Der Kommissar gibt gegenüber dem Professor vor, die Schwester seiner Ehefrau wäre es gewesen und daraufhin stürmt Gouins Ehefrau herein, gesteht und beschuldigt ihren Mann, sie nicht geliebt zu haben. Also Drama!

Beim Abendessen mit seiner Frau kann Maigret dann sagen, dass er eine Falle gestellt habe. Womit das Ganze ja überhaupt gar kein Irrtum oder eine Niederlage gewesen sein. Das nimmt ihm wiederum das Menschliche, was einem Irrtum innewohnt. Eigentlich schade! Denn es ist doch auch der Kontrast, zwischen dem nahezu perfekten Mediziner und dem Kommissar, die einen gewissen Reiz ausüben. (Schön aber, wie Maigret in der Szene versucht gedankenverloren die Suppe mit einer Gabel zu essen.)

 

Ist der Film damit schlecht? Nein, ganz und gar nicht. Die Geschichte ist spannend erzählt, es kommt keine Langeweile auf und ich erfreue mich an den Drehorten, bei denen ich mich immer wieder frage, ob die in Paris gedreht worden sind. Wenn ich dann ganz ehrlich bin: Gibt man mir noch einen Grund, mich über irgendwas aufzuregen oder zu monieren, dann macht mich das nicht unglücklich.