Bildnachweis: Église Saint-Augustin - maigret.de
Ein echter Maigret-Spaziergang
Maigret ist ein echter Paris-Kenner. Während viele Bewohner der Stadt ihren Quartieren verhaftet sind und kaum mal über den engen Tellerrand hinaus schauen (oder hinausgeschaut haben), brachte die Mordlust der Pariser den Kommissar in die verschiedensten Ecken von Paris. Aber von Spaziergängen ist selten die Rede, da geht Madame Maigret mit ihrem Mann vom Kino zurück.
Nachdem die Urlaubspläne, die die Maigrets hatten, ins Wasser gefallen waren, hatte Maigret seiner Frau vorgeschlagen, Urlaub in der Heimat zu machen. Hoch und heilig hatte er der skeptischen Madame Maigret versprochen, dass er nicht zum Quai des Orfèvres gehen würde, um dort dem ausgedünnten Personal unter die Arme zu greifen. Als dann ein hochbrisanter Fall auftauchte, kann man sich vorstellen, wie sehr es dem Kommissar in den Füßen juckte. Als Ehrenmann gilt für den Mann: Versprochen ist versprochen.
Kreativ ausgelegt
Das kennt wohl jeder: Man hat etwas zugesagt und plötzlich passt das nicht mehr in den Kram. Nun versucht man, das Versprechen soweit wie möglich auszulegen, ohne es zu brechen. Ermittlungen am Quai des Orfèvres hatte sich Maigret untersagt. Nicht betroffen ist die Arbeit als Amateur-Detektiv. Darauf hatte sich Maigret verlegt. Während er den Fortgang der Ermittlung versucht nachzuvollziehen, wird jeder seiner Schritte von Madame Maigret und seinem Freund Dr. Pardon, der den Urlaub verschrieben hat, überwacht.
Der Doktor hat gute Kontrolle über den Kommissar, da er als Informationsquelle für Maigret unabdingbar ist.
Ein Amateur-Detektiv-Spaziergang
Mit dem Bus ging es zum Place Saint-Augustin. Als wir auf den Spuren der jungen Toten unterwegs waren, feierten wir dort unser Bergfest mit einer überteuerten Pizza. Auch uns führte der Weg wie die Maigrets zum Boulevard Haussmann, allerdings hielten wir nicht an dem Haus an. Wenn man vor der 137 steht, wird man feststellen, dass keine 137b angeschlagen ist. Google Maps kennt diese Hausnummer nicht. Überraschenderweise wird sowohl bei OpenStreetMap wie auch bei Apple Maps ein Ergebnis ausgegeben. Durchaus möglich, dass dies nur eine Adresshilfe für Postzusteller darstellt – für ein Haus ist zwischen der 137 und 139, wie an jedem Boulevard, der etwas auf sich hält, kein Platz.
Maigret wollte sich ein Bild machen und gehörte damit zu den anderen Schaulustigen, die sich dort versammelt hatten. Um nicht von Kollegen entdeckt zu werden, wird er sich ein wenig abseits gehalten haben. Aber er konnte das Haus begutachten und empfand es als ein altmodisch – konnte ihm aber Gutbürgerlichkeit nicht absprechen und für jemanden, der etwas darstellen möchte, war es gewiss die richtige Adresse. Für die Nummer 137 gilt das auch.
Das Urlauber-Pärchen entfernte sich und spazierte zum Place des Ternes. Besonders erschöpft können die beiden Herrschaften noch nicht gewesen sein, aber es sollte Urlaub sein und da gehören solche Momente dazu. Über die Avenue de Wagram machten sie sich auf den Weg zum Triumphbogen. Ein wenig über den Champs-Élysées flanieren – die Maigrets waren wie die Touristen, die von überall anreisten. Spätestens am Place de la Concorde schlugen sie einen Weg ein, der sie nach Hause führe. Wenn sie das wirklich zu Fuß spaziert waren, dann hatten sie einen ordentlichen Marsch hingelegt. Zumal die Tour an einem Nachmittag absolviert worden war.
Doppelter Gewinn
Wer diese kleine Tour läuft, hat gleich zweierlei gewonnen: Zum einen kann man touristische Must-do von der Liste streichen, zum anderen kann man sagen, dass man auf den Spuren von Maigret unterwegs gewesen war. Eine Zeitschätzung würde ich nicht abgeben wollen, zumal auf dem Weg eine Reihe von Geschäftsstraßen liegen, deren Shops man vielleicht nicht einfach links liegen lässt.