Merkhefte

Eine Notiz wert


Das Merkheft gibt es immer noch. Wenn Sie an der Stelle hellhörig geworden sind, dann gehören Sie zu denen, denen auch der Begriff »Zweitausendeins« etwas sagt und, das ist ein sehr unangenehmer Aspekt an diesem Sachverhalt, man zählt Sie nicht mehr zu den jungen Leuten dieser Republik. Wir sollten nicht traurig sein, wir haben dafür Erinnerungen! Zum Beispiel an coole Buchhandlungen.

In Erinnerungen soll an der Stelle nicht geschwelgt werden, vielmehr werde ich die interessierten jüngeren Herrschaften kurz auf Stand bringen: 1969 wurde ein Frankfurt am Main ein Verlag gegründet, der sich gleichzeitig auch um den Vertrieb seiner Bücher kümmerte. Er beließ es jedoch nicht nur bei Büchern, sondern die Leute wollten damals ebenso Musik (in Form von Schallplatten) kaufen.

Der Vertrieb erfolgte über eigene Ladenlokale, aber zum großen Teil auch über Versand. Damit die Leute nicht in die raren Geschäfte reisen musste, verschickte Zweitausendeins Kataloge, welche den Titel »Merkheft« trugen. Sie waren auf ganz dünnem Papier gedruckt und teilweise in fürchterlich kleiner Schrift gesetzt (wenn ich mich recht entsinne, heute wäre es eine echte Herausforderung). Aber die Leute stöberten gern drin herum und es gehörte viel Selbstdisziplin dazu, dem Kaufbegehren zu widerstehen. Jeder Katalog enthielt tolle Sachen, die zudem mit attraktiven Preisen daherkamen. Aber auch das, was billig erstanden wird, muss irgendwo untergebracht werden – das ist halt immer das Problem.

Die Schallplatten wurden durch CDs abgelöst und irgendwann in den 2000er-Jahren wurde das böse MP3 auf die Massen losgelassen, es entstanden Shops, in denen man digital seine Musik kaufen konnte. Auch der Buchhandel änderte sich, gerade durch Player wie Amazon, aber was den Versand anging, hätte Zweitausendeins Marke und Erfahrung gehabt. Wahrscheinlich gab es andere Aspekte, die dafür sorgten, dass in jenen Jahren der wirtschaftliche Abstieg begann. Die Gründer des Unternehmens verkauften dieses und zogen sich nach und nach zurück.

Die einzelnen Besitzerwechsel und Verästelungen lassen sich nachlesen, interessant an dieser Stelle ist, dass das »Merkheft« in die Ganske-Gruppe wanderte. Auf der Webseite prangt jedoch nicht nur der Schriftzug »Zweitausendundeins«, sondern man erreicht die Merkheft-Webseite ebenfalls über die Domain zweitausendeins.de. (Den Verlag, der mittlerweile in Leipzig beheimatet ist, ist übrigens unter der Webadresse zweitausendeins-verlag.de zu finden. Dieser hat mit den neuen Besitzern des Merkheftes nichts zu tun.)

Erbost

Goldene Zeiten schienen zu kommen. So sah es 2017 aus, als der Lizenzwechsel für die deutschen Ausgaben bekannt gegeben wurde. Dass es nicht ganz so schön geworden ist, wie wir Leser:innen es uns gewünscht haben, wahrscheinlich auch wie es sich die Verlage erhofft und geplant hatten, wurde etwa 2021 klar. Corona war voll im Gange und der Ukraine-Krieg sollte folgen. Die Hardcover verkauften sich nicht nach den Erwartungen und die geschlossenen Buchhandlungen sollten nicht mit Simenon-Titeln, die sie nicht absetzen konnten, geflutet werden.

Manch Entscheidung konnte von den Sammler:innen der Ausgaben nicht nachvollzogen werden und verärgerte sie nicht unerheblich. Schließlich handelte es sich nicht um kleine Beträge, dazu ist das Werk von Simenon viel zu umfangreich. Hinzu kamen auch Probleme in der Qualität einzelner Ausgaben, die man nicht mit künstlerischer Freiheit der Gestaltung abtun konnte.

Letztens gab es den Tipp, sich einmal das »Merkheft« anzuschauen. Der Verdacht: Da werden Simenons aus dem Atlantik-Verlag jetzt schon verramscht! Die Empörung richtete sich nicht dagegen, dass Bücher irgendwann günstiger angeboten werden. Vielmehr wurde moniert, dass die Edition noch nicht vollständig wäre, und damit begonnen würde, sie günstig zu verscherbeln. Wie solle das gewertet werden und was sagt das für die Zukunft der Edition aus? 

Eine berechtigte Frage.

Die Simenon-Liebhaber:innen sind schließlich gebrannte Kinder und in den letzten Jahren nicht gerade gehätschelt worden. Da ist eine gewisse Vorsicht angebracht.

Auf der Webseite von merkheft.de werden einzelne Pakete von Atlantik-Ausgaben angeboten, die jeweils fünf Titel umfassen und für knapp unter dreißig Euro verkauft werden. Das ist ein Schnäppchen, keine Frage! Um eine Erklärung ringend, begann die Recherche. Diese führte letztlich zu der Erkenntnis, dass das Merkheft von damals nichts mehr mit dem der Gegenwart zu tun hat … und das halt nicht nur hin Hinsicht auf die Aufmachung, sondern im Hinblick auf die Eigentümer.

Wie das Merkheft gehören auch Hoffmann und Campe wie auch der Atlantik-Verlag zur Ganske-Gruppe. Da schließt sich der Kreis, und die geschätzten Sammler:innen können wieder ausatmen. Alles bleibt in der Familie.

Die Pakete

Bisher sind offenbar sieben Pakete erschienen. Zwei Pakete sind derzeit vergriffen und werden auf der Webseite nicht weiter erwähnt.

Maigret auf der Schattenseite
enthält: »Maigret und der Messerstecher«, »Maigret und die Keller des Majestic«, »Maigret und sein Toter«, »Maigret und die junge Tote«, »Maigret stellt eine Falle« (offenbar vergriffen)

Maigret auf Reisen. Seine hitzigsten Fälle
enthält: »Maigret in der Liberty Bar«, »Mein Freund Maigret«, »Maigret amüsiert sich«, »Maigret bei den Flamen«, »Maigret und der gelbe Hund«

Verhängnisvolle Affäre
enthält: »Das Haus am Kanal«, »Die Zeit mit Anais«, »Das blaue Zimmer«, »Striptease«, »Die Marie vom Hafen«

Die größten Klassiker
enthält: »Der Schnee war schmutzig«, »Das Rätsel der Maria Galanda«, »Der Mörder«, »Die Witwe Couderc«, »Sonntag«

Maigret tappt im Dunkeln
enthält: »Maigret und die braven Leute«, »Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien«, »Maigret und Pietr der Lette«, »Maigret und die Tänzerin«, »Maigret und der einsame Mann«

Maigret. Wahn und Wirklichkeit
enthält: »Maigret zögert«, »Maigret und die verrückte Witwe«, »Hier irrt Maigret«, »Maigret im Haus des Richters«, »Maigret und der Weinhändler«

Gefährliche Liebschaften
enthält: »Die Beichte«, »Im Falle eines Unfalls«, »Der Teddybär«, »Antoine und Julie«, »Die Selbstmörder«

In den Angeboten wird notiert, dass die Originalausgaben insgesamt 60 Euro kosten würden. Diese Pakete mit Sonderausgaben werden für 29,90 Euro angeboten. Die Sonderausgabe soll eine einfachere Ausstattung haben. Verglichen wird gewiss mit den Taschenbuch-Ausgaben von Atlantik. Schließlich liegen die Hardcover-Ausgaben (insbesondere der Maigret-Romane) in anderen Preis-Regionen. Allerdings lässt die Bebilderung darauf schließen, dass auch dieses Ausgaben von Atlantik sind. Die Unterschiede lassen sich anhand der Bebilderung nicht ersehen.

Die einzelnen Pakete müssen schmissige Namen haben – das erfordert das Marketing. So kann der Galanda-Erzählband auch schon mal bei den Klassikern landen die Hafen-Marie wird eine verhängnisvolle Affäre angedichtet.

Wer nur die preisliche Seite betrachtet, bekommt mit den Paketen ein attraktives Angebot geliefert und einen günstigen Einstieg in die Simenon-Welt. Wer einsteigt, muss jedoch entweder fleißig die Merkheft-Webseite im Auge behalten oder regelmäßig die Merkheft-Magazine lesen – in denen werden die Ausgaben übrigens nicht wiederkehrend angepriesen, Aufmerksamkeit ist erste Sammler-Pflicht.