Familie Simenon

Farbige Herangehensweise


John Simenon sprach davon, dass er mit der von ihm unterstützten Comic-Reihe – der erste Band erschien im Februar diesen Jahres – das Leben seines Vaters in Bilder bringen wollte. Eine gute Idee, zumal die Umsetzung auch eine gelungene ist. Als ich das las, ahnte ich nicht, dass im letzten Jahr ein Comic erschienen ist – wohl ohne Unterstützung aus der Familie.

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Zugegeben: Das Bild, das den Artikel als Aufmacher dient, widerspricht der Überschrift. Nichtsdestotrotz ist die Headline korrekt. Was diesen Band von der Ostrogoth-Reihe unterscheidet, ist zum einigen die Farbigkeit – er ist durchgehend in Farbe produziert worden. Während die Simenon-Produktion eher Broschüren-artig daherkommt, hat dieser Band einen festen Einband. Das überraschte mich wirklich, denn für das Buch bezahlte ich neu keine zehn Euro. (Vielleicht ist das der Tatsache geschuldet, dass es keine Buchpreisbindung für solche Titel gibt.) 

Legt man die beiden Bände nebeneinander, dann fällt ins Auge, dass sich der Stil zwischen den beiden Titeln unterscheidet. Die Anmutung hier ist eher konventionell, während mir die Zeichnungen in dem anderen Comic ein wenig künstlerischer erschienen. Das ist aber keine Kritik, sondern mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass Christian Maucler tief in den Farbtopf greifen konnte, während sich das Ostrogoth-Quartett mit Farbe sehr zurückgehalten hatte.

Überlagerung

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Zwar mag der Titel suggerieren, dass in dem Comic das ganze Leben Simenons »abgehandelt« wird, das ist aber nicht der Fall. Wie schon in dem anderen Buch endet die Geschichte Anfang der 30er-Jahre in Paris. Sie setzt aber früher an. Die Leser:innen werden zu Beginn in das Wohnzimmer der Familie Simenon entführt, in dem sich Vater und Sohn darüber unterhalten, wie die berufliche Zukunft des Zwölfjährigen aussehen soll, der noch damit beschäftigt war, mit Spielzeugsoldaten zu spielen. Außerdem spielen die Lesegewohnheiten des späteren Schriftstellers eine große Rolle.

In der Geschichte folgen die erste Liebe und Liebschaft, seine Ausbildung, bevor es letztlich mit seiner Karriere als Journalist und seinem Leben in Künstlerkreisen weitergeht.

Die Zeichnungen in dem Band erscheinen mir ein wenig expliziter als in dem anderen. Die Zeichner müssen das wollen, keine Frage, aber die Farbigkeit spielt sicher eine Rolle. Ich halte das für kein Drama, schließlich ist es kein Buch, welches für Kinder gedacht ist. Dürfte diese auch überhaupt nicht interessieren.

Zielgruppe

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Da mögen wir hierzulande unseren Kindern, manchmal abschätzig, das Lesen von Comics noch zugestehen. Der Hintergedanke dabei ist oft genug: »Bevor sie gar nichts lesen!« Dass es eine ausgeprägte Comic-Kultur für Erwachsene gibt, dürfte aber zweifelhaft sein. Nicht, dass Erwachsenen-Comics kein Thema wäre: Es geht, wie die 90er-Jahre Maigret-Comics zeigen (die aber eine Übersetzung aus dem Französischen sind und nicht eine Idee eines deutschen Verlegers waren). In der Masse ist diese Kunstform nicht angekommen, und vermutlich werden viele auch mit dem Begriff »Kunst« hadern.

Frankreich und Belgien haben in dieser Beziehung eine andere Tradition und einen anderen Stellenwert. Trotzdem bin ich überrascht, denn Simenon steht nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses. Weder in der Öffentlichkeit noch im Feuilleton. Der 120. Geburtstag war zwar ein Event (ich persönlich erwarte zum 125. allerdings mehr Aktionen und eine größere Medienpräsenz). Aber war wirklich zu erwarten, dass es gleich zwei Comics gibt, die sich aktuell mit dem Leben Simenons beschäftigen? Ich hätte da keinen Penny drauf gewettet.

Aber schön, dass es so ist. Im französischsprachigen Raum …

Will sagen: Es gibt keine Adaption des Titels ins Deutsche. Die Geschichte stammte von Rodolphe, die Zeichnungen von Christian Maucler. Erschienen ist der Band im Verlag Editions Philéas (Paris).