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Glücklicher Zufall


Im Print-Katalog von Carlsen ist es erwiesenermaßen korrekt, da ich jedoch den Online-Auftritt des Verlages besucht hatte, war ich sehr irritiert gewesen: Wer übersetzt wohl den Comic »Der Passagier der Polarlys«? Die Frage ließ sich klären – die Übersetzung wird von Christoph Haas vorgenommen. In den vergangenen Tagen wurden Unklarheiten beseitigt, die mit dem Thema zusammenhängen.

Wer im Internet nach Dr. Christoph Haas sucht, wird schnell fündig: Er hat sich einen Namen als Comic-Kritiker gemacht und schreibt über dieses Thema in verschiedenen Tageszeitungen und Magazinen (TAZ, Süddeutsche Zeitung). Zudem kommen Comic-Übersetzungen wie zum Beispiel die von Ersin Karabuluts »Tagebuch der Unruhe« oder die gezeichnete Biografie von George Lucas »Der lange Weg zu Star Wars«. In Karlsruhe hat er noch einen Lehrauftrag für Filmwissenschaften. Gut beschäftigt, mag man meinen, aber im Hauptberuf lehrt Haas »Deutsch als Fremdsprache« an der Berufsakademie in Passau. Schließlich hat er eine mehrköpfige Familie zu versorgen und von den zuerst genannten Tätigkeiten ließe sich das schlecht bewerkstelligen.

Und nun hatte er einen weiteren Job in der vergangenen Woche, den er nicht einmal bezahlt bekommen hat: Er musste einen Comic-Laien in die Comic-Übersetzer-Welt einweihen.

Die ersten Fragen zielten darauf ab, wie sich Übersetzer:innen auf einen solchen Job vorbereiten. Ich hatte mir vorgestellt, dass man sich erst einmal den Roman besorgt und dieses durcharbeitet. Üblicherweise ist das nicht notwendig: Das Manuskript genügt, es kann gleich losgelegt werden. 

In diesem Fall war es jedoch ein wenig anders. Die Geschichte spielt nicht nur in den 1930er-Jahren, sondern wurde zu der Zeit geschrieben und beginnt mit Szenen in einem speziellen Milieu. Dieses hat so seine ganz eigenen Ausdrücke, auch der maritimen Umgebung geschuldet. Christoph Haas hatte sich deshalb eine französische Ausgabe des Romans besorgt, um sich einzulesen. Der Handlungsfaden des Comics entspricht jedoch gerade am Anfang nicht dem des Buches.

Das ist eine spezielle Schwierigkeit mit diesem Titel. Allgemein wäre das Buch leicht zu übersetzen und die Sprache nicht kompliziert.

Jeder von uns kennt Comic – Zeichnung plus Text- und Denkblasen oder rechteckigen Kästen. In die Blasen und Rechtecke muss der Text hinein. Eine Übersetzung aus dem Französischen ist recht dankbar, denn die Texte sind entweder genauso lang wie die deutschen oder länger. Aus dem Englischen zu übersetzen ist in der Hinsicht komplizierter, da die Sprache prägnanter, weniger umständlich wäre. Beim Übersetzen würde ihn das aber noch nicht beschäftigen. Ein Thema ist das erst, wenn er seine Übersetzung in einer längeren Session mit dem Lektor durchgehen würde. Genau konnte mir es Christoph Haas nicht sagen, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass bei einer Übertragung die Größe der Textblasen geändert würde.

Die Texte auf dieser Webseite sind, wie sicher schon manche:r bemerkt hat, sehr Simenon-lastig. So ist es verständlich, dass ich auch den Simenon-Background abklopfte. Christoph Haas erzählte, dass er in jungen Jahren mal ein oder zwei Maigrets gelesen hätte. Das hätte ihm nicht zugesagt und in seiner Lese-Karriere spielte Simenon keine Rolle. Vor etwas zwei, drei Jahren hatte er einen neuen Anlauf gestartet – diesmal in der Non-Maigret-Welt. Sein erster Roman war »La mort d'Auguste« (dt.: »Der Tod des Auguste Mature«). Damit hatte ihn Simenon gefangen genommen und seitdem hat er sich mit »Stoff eingedeckt« und ihn auch konsumiert – Zugang zu Maigret hat er mittlerweile ebenso gefunden.

Nun hat Christoph Haas ein Ziel, das so viele Simenon-Lesende auf der Agenda haben: das komplette Werk lesen. Das dürfte eine Herausforderung sein, denn wie eingangs beschrieben, ist der Mann vielseitig interessiert und beschäftigt. Und es gibt so viel anderes zu lesen, was ebenfalls lohnt.

Stellte sich noch die Frage: Wie ist Christoph Haas an diesen Auftrag gekommen? Dazu erzählte er, dass er vor einigen Jahren bei Carlsen angeklopft hatte. Im letzten Jahr hatte es einige Aufträge gegeben, in denen es um Übertragungen aus dem Französischen ging. Als nun die Übersetzung des Simenons anstand, wäre er noch im Fokus gewesen und deshalb hätte man ihn gefragt. Dass er sich privat in den letzten Jahren mit dem Werk von Simenons »angefreundet« hatte, wäre ein netter Zufall.

Eine Frage hätte er mir nicht beantworten können: Würde er auch weitere Simenon-Comics übersetzen? Am Übersetzer würde es nicht liegen, deshalb ist hier die Antwort vom Verlag interessant. Vom zuständigen Redakteur bekam ich die Auskunft, dass man prinzipiell keine Auskünfte über die Programme in der Zukunft gibt (das kommt mir sehr bekannt vor). Man sich aber gut vorstellen könnte, weitere Titel aufzunehmen, da sie ins Portfolio passen würden – in dem sich beispielsweise auch Agatha Christie befindet. Ob daraus etwas Beständiges wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen muss der deutschsprachige Non-Maigret-Erstling in der Comic-Welt Anklang finden und zum anderen muss es über »La neige était sale« (dt. »Der Schnee war schmutzig«) weiteren Stoff geben.