Bildnachweis: quiet urban landscape - (c) Julian Hacker (Lizenz)
Hässliches schön bebildert
An einem angenehmen Ort, zu Berlin gehörend, beschloss eine Runde von Herren, dass es Zeit wäre, die Judenverfolgung zu systematisieren. In den darauffolgenden Jahren zeigten sie, dass ihre Beschlüsse mit eine Effektivität umgesetzt werden konnten, die erschreckend beispiellos war. Auch in Frankreich zeigte das Folgen, dank williger Helfer.
Das damit nicht zu spaßen war, sollte Simenon am eigenen Leibe erfahren. Bei ihm tauchte ein Staatsvertreter auf und forderte ihn auf, einen Arier-Nachweis zu liefern. Die einzige, die ihm einen solchen Nachweis liefern konnte, war seine Mutter und die lebte in einem ganz anderen Gebiet. Mit den Maßstäben, die wir heute anlegen, hört sich eine solche Aufgabe nicht kompliziert an: Mail schreiben, anrufen, ein bisschen recherchieren und dann ab in den Copy-Shop – aber so war es halt nicht und so bereitete das Ansinnen dem Schriftsteller Aufregung und Mama Henriette eine ganze Menge Scherereien.
In den besetzten Gebieten folgten die Deutschen der Politik, die am Wannensee beschlossen worden war, und die so willfährige Herrschaften wie Eichmann meisten von ihren Schreibtischen aus umsetzten. Das hieß nicht, dass man anderswo sicher gewesen war. Juden, die sich in den von den Deutschen nicht besetzten Teil Frankreichs geflüchtet hatten, mussten feststellen, dass die Vichy-Regierung der Linie der Deutschen folgte. Nicht, dass die Franzosen eigene Vernichtungslager bauten, aber sie sorgten dafür, dass die Juden dorthin verbracht wurden.
Der Fluss, das Gebiet, die Zeitung und anderswo eine Affäre
An der Grenze der Départements Alpes-de-Haute-Provence und Alpes-Maritimes befindet sich der Col de la Cayolle. Hier, in der Nähe der Ortschaft Entraunes, entspringt die Var. Der Fluss ist etwas über einhundert Kilometer lang und mündet ins Mittelmeer und spendet der Region nicht nur Wasser, sondern gab einem Département auch seinen Namen.
Menschen vergeben Namen, Menschen sortieren gern auch mal neu – so wurde das Gebiet um Grasse, durch das die Var fließt, und welches zu dem Département gehörte, einem anderen zugeschlagen. So entstand die skurrile Situation, dass der namensgebende Fluss nicht mehr durch das Département fließt, welches seinen Namen trägt. In Frankreich hatte man sich diese Art von Spaß nur einmal erlaubt.
Die wichtigste Stadt in der Gegend ist Toulon, die heute auch die Hauptstadt des Départements ist. Dort gründete 1880 der damalige Bürgermeister, Henri Dutasta, eine Zeitung mit dem Namen »Le Petit Var«. Dutasta war als Professor für Philosophie an einer Schule angestellt gewesen. Als er sich für Stadtrat in Toulon bewarb, wurde Druck aus dem Bildungsministerium heraus gemacht, er möge sich entscheiden, ob er weiterhin seiner Lehrtätigkeit nachgehen oder sich der Politik widmen wolle. Er entschied sich für die Politik, wurde mit 35 Jahren Bürgermeister und blieb das für zehn Jahre.
Das »petit« in der Zeitung dürfte nicht der gewünschten Auflagenzahl geschuldet sein, sondern eher dem Format der Zeitung, in dem es produziert worden war. Vielleicht hatte sich Dustata inspirieren lassen von einer erfolgreichen Zeitungsgründung in seiner Nachbarschaft. Seit 1868 wurde in Marseille die »Le Petit Marseillais« herausgegeben. Kurz nach der Gründung der Zeitung erschütterte die Stadt eine Kriminalaffäre – eine Reihe von Frauen wurde beschuldigt, ihre Ehemänner vergiftet zu haben. Warum auch immer Fanny Lambert das tat, was sie tat, aber sie ließ Miette Marino eine Warnung zukommen, dass Marie Autran sie umbringen wolle. Die beiden Frauen hatten direkt nichts miteinander zu tun, außer der Tatsache, dass sie sich den Mann teilten. Ob Madame Marino davon vor der Nachricht wusste, wird in den Berichten über die Affäre nicht ausgeführt. Sie sorgte sich um ihr Leben und erzählte erschüttert ihrem Mann von dem Gehörten.
Barthélémy Marino ging zu seiner Geliebten, die noch nicht allzu lang Witwe war, und konfrontiere sie mit dem Gehörten. Richtig zugeben mochte die Frau den Mordversuch nicht, aber sie gab ihm ein Häppchen, mit dem der Freizeitdetektiv in Nöten weiterermitteln konnte. Er fand den Giftmischer, der ihm verriet, dass er die Mittelchen bereitstellt hatte, die für den Tod des Ehemanns seiner Geliebten sorgten. Nach acht Tagen Ermittlung wusste Marino so viel, dass er zur Polizei ging und ihr einen kompletten Fall mit drei Mörderinnen und einer Reihe von Helfern präsentieren konnte.
Die Affäre war für den Gründer der Zeitung – Toussaint Samat – ein Geschenk. Er sorgte dafür, dass einer seiner Journalisten immer bei dem Prozess anwesend war und sich die Mitarbeiter ständig abwechselten. So konnte in der Zeitung immer brühwarm von dem Fortgang des Prozesses berichtet werden und die Leser waren bis in das kleinste Detail informiert. Dieses Vorgehen erinnert an die heutige Berichterstattung und erscheint uns als nichts besonderes – damals stellte es eine Innovation dar. Horace Bertin schrieb über den Zeitungsmacher, dass Samat das schwierige Handwerk verstand, eine Volkszeitung zu machen. Dabei spielte auch der Preis der Zeitung eine Rolle, der anfangs 50% unter dem des Wettbewerbs lag.
In den 30er-Jahren des 20. Jahrhundert war die Zeitung derart erfolgreich, dass sie Wettbewerber aufkaufte. In Toulon wurde zuerst die »La République du Var« übernommen, bevor sich die Marseiller die »Le Petit Var« schnappten.
»Le Petit Var« in Addis Abeba
Oscar Labro bekam in der Kurzgeschichte »Bei Todesstrafe« Post von den verschiedensten Orten aus Afrika und Europa. Mit jeder Karte kam ihm der Absender, ein gewisser Jules, näher.
Bis er schließlich vor der Tür stand.
Die erste Karte, die Labro erhielt, kam aus Addis Abeba. Labro hatte zu der Stadt keine Beziehung und dürfte sich gefragt haben, wie Jules – wer immer dieser Jules genau war – von seinem gegenwärtigen Wohnsitz auf Porquerolles erfahren hatte. Die Frage wird ihm von dem Ankömmling beantwortet: Als die Tochter von Labro, Yvonne, geheiratet hatte, schaltete der Brautvater eine Anzeige in der Zeitung »Le Petit Var« um das freudige Ereignis zu verkünden.
Eben diese Ausgabe, was für ein riesiger Zufall, schaffte es durch einen Exil-Franzosen bis in die äthiopische Hauptstadt. Der nicht genannte Mann hatte die Zeitung tatsächlich abonniert und als Jules bei ihm war, sah er eine beziehungsweise diese Ausgabe, blätterte sie durch und erblickte den Namen Oscar Labro. Und sah eine potentielle Geldquelle.
Die Story ist hierzulande nicht sehr oft erschienen – bisher zweimal, davon einmal in einer Zeitschrift. Interessierte Leser:innen sollten nach dem Kurzgeschichten-Band »Die schwanzlosen Schweinchen« von Diogenes Ausschau halten.
Die Erzählung entstand 1946 und muss, schaut man sich die historischen Abläufe an, im Jahr 1944 spielen oder davor. So, wie sich Jules durch die Welt bewegt, ist es wahrscheinlicher, dass die Geschichte weit davor spielt – in den Kriegszeiten hätte er größere Schwierigkeiten gehabt aus Äthiopien nach Frankreich zu gelangen. Aber das Jahr 1944 ist ein markanter Anker, denn im genannten Jahr wurde das Erscheinen der Zeitung eingestellt.
Das kam so
Das Mutter-Haus der Zeitung bekannte sich 1940 zur Nationalen Revolution von Pétain. Das dürfte der erste Sargnagel gewesen sein. Ein Direktor der Zeitung, Jean Gaillard-Bourrageas, und wurde wegen Unterschlagung verhaftet. Er konnte sich daraus winden: Allerdings zum Nachteil seiner Geschäftspartner unter Einflussname der Deutschen und durch Pierre Laval – was ein weiterer Sargnagel für die Zeitung gewesen sein dürfte. Nach der Befreiung Frankreichs wurde nicht nur »Le Petit Marseillais« das Erscheinen verboten, sondern auch dem kleinen Ableger in Toulon.
Der Aufstieg
Cover Time 1/1931
Credits: Public Domain
Das Nachrichten-Magazin »Time« hatte 1927 die grandiose Idee einmal im Jahr die »Person of the Year« zu küren. Die Ernennung sollte der- oder demjenigen gelten, der in dem Jahr die Welt zum Guten oder zum Schlechten prägte. Das konnte auch eine Gruppe von Menschen sein. Manche betrachten das als Auszeichnung, die Zeitschrift selber macht deutlich, dass sie es nicht als solche versteht. Die Auswahl von Personen wie Hitler und Stalin macht es deutlich. Auch ist die Wahl jeweils eine sehr amerikanische Sicht – als Präsident landet man fast automatisch auf der Liste. Trump beispielsweise hat den Titel gewiss verdient (immerhin beschäftigt er uns seit diversen Jahren Tag für Tag und auch in diesem Fall mag ich das Etikett nicht als Auszeichnung verstehen), während man sich bei Biden und Harris – den Trägern des Titels im Jahr 2020 – fragt, in wie fern sie eine maßgebende Bedeutung haben – außer, dass sie die Frühnachrichten durch das Fernbleiben von Twittern befriedet haben.
Im fünften Jahr der Geschichte wurde Pierre Laval das Prädikat verpasst. Warum eigentlich und wer war der Mann?
Der Vater war Wirt und Hotelier, außerdem betrieb er einen Pferdehandel. Eine Kombination, die offenbar nicht ganz unüblich war – auch der (fiktive) Vater von François Mahé verkaufte Pferde und betrieb einen Ausschank. Der Sohn kam 1883 zur Welt und arbeitete bei Bedarf in der Wirtschaft des Vaters mit. Erst studierte Laval Naturwissenschaften, bevor er sich Jura zuwandte und schließlich Rechtsanwalt wurde.
Als Rechtsanwalt arbeitete er für ärmere Leute und für Gewerkschaften. Er stand der kommunistischen Gewerkschaft CGT nah. Bekanntheit erreichte er durch die Verteidigung Gustave Manhès, einem Gewerkschafter, dem der Besitz von Sprengstoff und anarchistischen Büchern vorgeworfen wurde. Für den Mann erreichte er einen Freispruch.
Schon in dieser Zeit betätigte er sich politisch – wie leicht zu erkennen ist, segelte er auf der linken Seite des politischen Spektrums. Sein erstes Abgeordnetenmandat gewann Laval kurz vor dem ersten Weltkrieg im Mai 1914. Er folgte einer pazifistischen Linie und opponierte aber nicht gegen die große politische Linie Clemenceaus. Die Sozialisten, für die er im Parlament saß, sahen das anders und erlitten bei der nächsten Wahl eine Niederlage. Damit war auch Laval wieder aus dem Parlament.
Er wurde 1923 Bürgermeister von Aubervilliers (was er fast zwanzig Jahre blieb) und kehrte ins Parlament zurück. Allerdings entfernte er sich in den 20er-Jahren von den Linken. Er fand neben seinen politischen Aktivitäten, Zeit sich weiterhin als Rechtsanwalt zu betätigten und wurde als Medienunternehmer wohlhabend. Laval besaß einige Zeitungen und betrieb eine Reihe von Radiostationen. Unter anderem kaufte er den »Le Petit Var«, den er aber einschließlich anderer Provinz-Zeitungen 1931 aus finanziellen Gründen an einen Bekannten abtrat– dieser betrieb das Geschäft, aber die politische Kontrolle (sprich die redaktionelle Richtung) gab weiterhin Laval vor.
Im Jahr 1925 kam er das erste Mal in ein Regierungsamt und wurde Minister für Arbeit und soziale Sicherheit. Er galt als geschickter Verhandler und konnte in dieser Zeit einige Streiks beilegen, zum Beispiel den der nordfranzösischen Textilarbeiter. Später war er verantwortlich für innere Angelegenheiten, für die Kolonien und Außenminister.
1931 wurde Laval zum ersten Mal Ministerpräsident. Durch die gesundheitliche Schwäche des damaligen Außenministers Aristide Briand, nahm er als Ministerpräsident die außenpolitischen Zügel in die Hand. Er folgte der pazifistischen Linie seines Außenministers und organisierte einen Kredit für die Reichsbank während der Weltwirtschaftskrise. Auch griff er der Bank of England unter die Arme – ein Geschäft, dass sich für Frankreich jedoch nicht rechnen sollte. Diese Linie – das kooperativ nette – war es wohl, die ihn zum ersten Franzosen auf der Time-Liste machte. Seine Reise in die Vereinigten Staaten in dem Jahr wurde sehr wohlwollend aufgenommen.
Danach ist es ein auf und ab – die französischen Verhältnisse in der Politik der damaligen Zeit waren sehr unruhig. Minister waren für ein paar Monate, manchmal Wochen im Amt, bevor sie entweder abgesägt wurden oder in einem neuen Kabinett neue Aufnahmen übernahmen. Kontinuität sieht anders aus. Laval war immer mal wieder dabei, in den verschiedensten schon genannten Ämtern, und eine längere Pause was die Regierungsgeschäft anging, begann mit der Machtübernahme der Volksfront.
Politischen Einfluss übte er in der Zeit als Senator aus und über die Medien, die er kontrollierte. Aus einem Linken war mit der Zeit ein Rechter geworden.
Der Mann hinter Pétain
Erst mit Beginn des zweiten Weltkrieges kam der Mann wieder zurück an die Macht. In seiner Rolle in der Regierung hatte er Dekrete abzuzeichnen – da waren Bestimmungen, die eindeutig antisemitisch gewesen waren und gegen die Freimaurer richteten. Laval tat sich jedoch nicht als Macher in diesen Angelegenheiten hervor. Er versuchte, sich eng an Deutschland anzulehnen und war der Meinung, dass man als Besiegter nicht auf Rache (oder Befreiung) sinnen solle. Die Deutschen werden ihn gemocht haben: Die Belgische Nationalbank hatte den Franzosen ihr Gold zur Verwahrung gegeben. Ohne Not gab Laval es den Deutschen ohne das Frankreich eine Gegenleistung erhielt. Nur ein Beispiel.
Die gab es erst später. Pétain entließ Laval und der Politiker wurde verhaftet. Die Entlassung mochte noch angehen, bei der Inhaftierung machten die Deutschen nicht mehr mit. Der deutsche Botschafter in Paris griff ein und sorgte für die Entlassung aus der Haft. Der Politiker konnte unter dem Schutz der Wehrmacht in Paris leben und mischte sich weiterhin in die französische Politik ein. Pétain hatte Laval erst durch Pierre-Étienne Flandin ersetzt, diesem folgte François Darlan. Gemeinsam suchten sie einen Weg, einen Friedensvertrag mit Deutschland zu schließen. Sie scheiterten damit, denn Hitler hatte kein Interesse daran. Darlan glaubte nicht an den großen Sieg der Deutschen und hegte seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Das missfiel den Deutschen und sie setzten wiederum Pétain unter Druck. Die Kombination aus den beiden Faktoren (Scheitern des Friedensplans plus Druck der Deutschen) sorgte dafür, dass Darlan entlassen wurde und Laval zurück an die Macht kam. Der neue alte Regierungschef erklärte, dass sich Frankreich in die von Deutschland geprägte europäische Ordnung einzufügen hätte und der Kampf gegen den Bolschewismus an oberster Stelle stehen würde.
Mit seinem zweiten Eintritt in Pétains Dienste änderte sich Lavals Position in Bezug auf die Behandlung der jüdischen Bevölkerung. Alle Juden mussten einen gelben Stern zeigen. Laval unterstützte die Vorgaben aus Deutschland und setzte sie schärfer um als seine Vorgänger im Amt. Was die Deportationen anging und übertraf die Vorgaben der Deutschen noch, in dem er auch Kinder deportieren ließ. Interessant ist, dass es Rassismus im Rassismus geben kann. Von den Deportationen sollten diejenigen verschont bleiben, die die französische Staatsangehörigkeit besaßen. Marc Boegner, der den französischen Protestanten vorsaß, versuchte Einfluss auf den Politiker zu nehmen. Aber der war der festen Überzeugung, dass die Juden im Süden Polens, einen neuen Staat aufzubauen hätten. Auf die Berichte von Massakern ging Laval nicht ein.
Laval meinte in einem Statement bei seinem Prozess, dass die Tatsache, dass er die französischen Juden geschützt hatte, ihm den Dank dieser einbringen würde und sie es begrüßen würden, wenn er weiterhin Verantwortung in der Regierung träge. Ein bemerkenswertes Beispiel für eine verschobene Wahrnehmung.
Der Politiker trug darüber hinaus die politische Verantwortung für die Verschickung von Zwangsarbeitern aus Frankreich nach Deutschland. Zwar waren es in den Augen von Franz Sauckel nie genug Menschen, die nach Deutschland zur Arbeit geschickt wurden. Aber es waren nicht ein paar Jungs und Mädels, die zwangsverpflichtet worden sind – die Zahlen gingen in die Hunderttausende. Ebenso ging auf das Konto der Kampf der Vichy-Regierung gegen den Widerstand.
Über die letzten Jahre sammelte er viel Macht in seinen Händen: Unter Pétain war er Innen-, Außen- und Informationsminister. Spezielle Abteilungen hatte er ebenfalls unter direkter Kontrolle wie die für die Judenverfolgung und die Zwangsarbeit. Gute Freunde arbeiteten unter ihm als Minister oder wurden in Schlüsselpositionen untergebracht.
Pierre Laval bei seiner Verteidigung im Prozess 1945
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Nachdem die Alliierten in der Normandie gelandet waren, wurde es nicht nur für die Deutschen eng. Auch Laval musste sich neu orientieren. Im August 1944 wurde er von den Deutschen – gegen seinen Willen – nach Sigmaringen gebracht. Regierungsarbeit betrieb er nun nicht mehr. Die Schweiz verweigerte ihm Asyl, so ließ er sich von der Luftwaffe nach Spanien zu Franco bringen – mit dem hatte er schon in den 30er-Jahren zusammengearbeitet. Bleiben konnte er nicht. Über Österreich wird er von den Amerikanern an Frankreich ausgeliefert und ab Oktober 1945 wurde ihm der Prozess gemacht. Es war ein kurzer Prozess. Nach vier Tagen wurde er von der Jury zum Tode verurteilt.
Keine zwei Wochen später sollte er hingerichtet werden. Am Tag der geplanten Hinrichtung nahm Laval, der bekannt war für seine weiße Krawatte, eine Dosis Zyanid zu sich, aber sein Leben wurde gerettet. Nachdem er einigermaßen hergestellt war, stellte man Laval vor das Erschießungskommando. Ich habe eine negative Einstellung zur Todesstrafe – solch ein Vorgehen setzt staatlicher Rechthaberei aber noch ein Sahnehäubchen auf. »Wir wollen nicht, dass du dich umbringst! Wir wollen dich umbringen!«
Die Nachfolge des »Le Petit Var«
Widerstandskämpfer nahmen sich der Medienunternehmen an, deren Besitzer sich nicht mehr um ihre Firmen kümmern wollten, konnten oder durften. Neue Zeitungen wurden gegründet – die »Le Petit Marseillais«, an der in den letzten Kriegsjahren immer noch Pierre Laval beteiligt war, verschwand. Dafür erschien die linken Zeitung »La Marseillaise«, die bei der Gründung die Räumlichkeiten der alten Zeitung nutzte. Die Zeitung hatte in den letzten Jahren immer wieder mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Noch ist sie aber da …
Aus der »Le Petit Var« wurde die »Le Petit Varois«, ebenfalls kommunistisch geprägt. Es finden sich Zitate aus der Zeitung im Netz, die bis in die 60er-Jahre hinein reichen. Wahrscheinlich wurde sie später von »La Marseillaise« übernommen, wie schon die Marseiller Zeitung den Vorgänger übernommen hatte.