Hôtel du Louvre

Hôtel du Louvre


Mit dem Louvre hat Paris das größte Kunstmuseum der Welt. Wer Lust verspürt, sich kulturell in dem Museum zu vergnügen, sollte nicht zu viel Zeit mit An- und Abfahrt verplempern. Eine Adresse, die Sie dafür in Erwägung ziehen können, ist das »Hôtel du Louvre« – welches seinen Namen völlig zurecht trägt. Eine Ersparnis im Reisebudget wird sich durch diese Wahl der Absteige nicht einstellen – im Gegenteil.

Paris macht es einem sehr schwer, launig über seine Hotels zu schreiben. Die meisten Zimmer im bezahlbaren Bereich erinnern eher an Käfige für Legehennen denn an Komfort-Zimmer. Obwohl sie Bezeichnung «Komfort« regelmäßig in ihrem Namen tragen. 

Wer größere Zimmer mag, könnte auch im »Hôtel du Louvre« enttäuscht werden: Bei dem günstigsten Angebot für eine Nacht am ersten März-Wochenende handelt es sich um ein Zimmer mit 20 m2 – für lausige 616 Euro – erfreulicherweise ist das Frühstück für 60 Euro für zwei Personen schon mit enthalten. Die Größe geht in Ordnung und der Preis muss wahrscheinlich genommen werden – Lage plus der Einordnung als Fünfsternehotel.

Joseph Van Damme hatte den Status eines Quasi-Häftlings, als er mit Maigret in Paris ankam. Das war nach seinen Eskapaden auf der Fahrt von Reims in die Hauptstadt auch nicht anders zu erwarten. Für den Geschäftsmann war das Prozedere am Quai äußerst demütigend. Er, der es gewöhnt war, mit dem Flugzeug zu reisen und in den besten Hotels abzusteigen, jeden Luxus konsumierend, der sich bietet, brauchte nach der »Behandlung« eine Unterkunft, die ihn wieder aufbaute.

Das Hotel befindet sich gleich ums Eck des damaligen Arbeitszuhauses des Kommissars. Also kleiner Realitätscheck: Wie plausibel war es, dass der Firmenchef aus Bremen in dem Hotel absteigt?

Lange Geschichte

Die Antwort erfolgt ganz untypisch zu Beginn und ohne Umschweife: Ja, unbedingt. Der Mann hatte das Geld, um sich dort einzuquartieren, und das Hotel gab es schon. Das passt.

Ganz untypisch gibt es auch überhaupt gar kein »Aber«. Trotzdem soll die Gelegenheit nicht verpasst werden, das Rad der Zeit weiter zurückzudrehen.

Der Louvre hatte nicht immer die Strahlkraft, die wie wir sie heute beim Anblick vermuten. Eine Zeit lang war es der Sitz der französischen Könige, aber diese verzogen sich schon im Laufe des 17. Jahrhunderts nach Versailles und ließen den Parisern ein halbfertiges Gebäude zurück, das von der Stadt übernommen und weiter ausgebaut werden musste. Da sich die königlichen Herrschaften und ihr Staat nicht mehr in Paris aufhalten mussten, hatten sie auch kein Auge darauf, was sich um den Louvre herum entwickelte. Appetitlich war das nicht.

Paris-Illusion (Midjourney AI)

Nachdem der Louvre nach der Revolution von 1789 zu einem Kunstmuseum ausgebaut wurde – auch so ein Projekt von Napoléon – geriet die Umgebung um 1855 in das Blickfeld von Kaiser Napoléon III. Der wollte die düsteren Gassen nicht mehr wissen und wies den großen Stadtumbauer Haussmann an, die Gegend zu richten. So entstand die Rue de Rivoli.

Ausdrücklicher Wunsch des Herrschers war auch, dass große Hotels in der Gegend entstanden, in dem man die Prominenz unterbringen konnte. Das Erste, das an der Magistrale zwischen Oper und Louvre gebaut wurde, war das »Grand Hôtel du Louvre«. Es sollen über tausend Mitarbeiter für die Reisenden gesorgt haben, die dort in etwa siebenhundert Zimmer nächtigen konnten. Sie kümmerten sich nicht nur um die Beherbergung, sondern es gab so etwas wie einen Chauffeur-Service, man konnte Guides und Dolmetscher buchen, es gab eine Wechselstube und einen Concierge-Service, der den Namen verdiente. Dazu ein Restaurant, welches einen hervorragenden internationalen Ruf erlangen sollte. Das Hotel war mit seinen ganzen Services so etwas wie ein Google auf Beinen.

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Briefkopf »Hôtel du Louvre«

Credits: Public Domain

Nun war das Restaurant nicht nur eine Besonderheit in der damaligen Zeit, sondern auch die Tatsache, dass sich in dem Gebäude Geschäfte niederließen. In den kommenden zwanzig Jahren wurden es immer mehr Luxusgeschäfte, sodass irgendwann das Hotelgebäude mehr ein Einkaufszentrum denn eine Herberge war.

1887 wurde das Hotel an den Place du Palais-Royal verlegt und durfte wieder das sein, was es sein sollte: Ein Platz für müde Touristen, um zu schlafen zu können. Natürlich mit Luxus.

Das hat sich bis heute nicht geändert. Das Hotel gehört mittlerweile einer Verwaltungsgesellschaft in Luxemburg, die mit Geld aus Katar ausgestattet wurde und nun vermutlich dieses nach Katar zurücküberweist. Das bekommt sie von der amerikanischen Hotel-Kette Hyatt, die das Etablissement heute betreibt.

Die Gästin

Simenon beherbergte nicht nur den Geschäftsmann aus Bremen in dem Hotel. In einem weiteren Fall sollte dieses eine Rolle spielen: Monsieur Nahour war ermordet worden. Als seine Frau wieder in der Stadt landet, begab sie sich zum Tatort – welches das gemeinsame Zuhause war –, und erklärte, dass sie dort nicht nächtigen würde.

»In welches Hotel gehen Sie? Ins Ritz?«
»O nein. Das würde zu viele Erinnerungen wecken … Warten Sie, wie heißt noch mal das Hotel an der Ecke Rue de Rivoli bei der Place Vendôme?«
»Hôtel du Louvre?«
»Ja, das meine ich. Wir gehen ins Hôtel du Louvre.«

Lina Nahour war aus Amsterdam mit ihrer Freundin Anna Keegel gekommen, die sie nun im Schlepptau hatte. Auf Wunsch der Hausherrin gehörte auch das Dienstmädchen zu dem Tross gehörte, der in dem Hotel absteigen sollte. Das dürfte ein teurer Spaß gewesen sein, auch wenn das Hotel Gesindezimmer bereitgestellt hat, die üblicherweise in weniger schönen Ecken des Gebäudes lagen und dazu kleiner waren und einfacher ausgestattet.

Aber der verstorbene Ehemann war nicht gerade arm gewesen. Also sind Sorgen der Leser:innen um das Haushaltsbudget der Madame unangebracht.

Madame Nahour hatte nicht in der Unterkunft angerufen, um zu fragen, ob sie ausgebucht waren, sondern hatte sich in einem Taxi direkt auf dem Weg gemacht. Gemeinsam mit Lucas fuhr er den Damen hinterher und konnte beobachten, dass sie sich nach Zimmern erkundigte und anschließend das Gepäck hineinbrachten.

Erst dann begab sich Maigret ins Hotel:

Seine Untersuchungen führten ihn öfter in kleine Bistros oder in die lärmigen Bars rund um die Champs-Élysées, aber nur selten in Luxushotels.

Das war die Gelegenheit für Maigret, sich in einem solchem »Schuppen« mal ein Bierchen zu gönnen. Es war nicht viel Zeit vergangen, vielleicht hatte Maigret sein Bier ausgetrunken, da ließ sich der Detektiv mit dem Zimmer von Madame Nahour verbinden und fragte, ob er sie befragen könne. Sie nahm aber gerade ein Bad, weshalb die Freundin am Telefon war. Ob er denn in zehn Minuten mal für eine Befragung vorbeikommen könne, fragte Maigret – und ganz ehrlich: Zehn Minuten, um aus der Badewanne zu kommen, sich anzukleiden und fertigzumachen? Was da den Kommissar geritten hat?

Die Antwort war klipp und klar: Natürlich nicht in der kurzen Zeit und das gab Maigret und Lucas die Gelegenheit, noch einen Happen zu sich zu nehmen. Das Hotel hatte ein Grill-Restaurant. Die Schilderung lässt erahnen, wie wohl sich die beiden gefühlt haben werden:

Ein paar Minuten später gingen Maigret und Lucas in den Grill Room, wo eine ebenso gedämpfte Atmosphäre herrschte wie in der Bar und man die gleiche Eichentäfelung, die gleichen Wandlampen und kleinen Lampen auf den Tischen sah. Nur drei oder vier waren besetzt. Es wurde geflüstert wie in einer Kirche, und der Geschäftsführer, die Oberkellner und Kellner schlichen wie Ministranten durch den Raum.
Als man ihm eine ellenlange Karte reichte, schüttelte Maigret den Kopf.
»Eine Wurstplatte«, murmelte er.
»Für mich auch.«
»Also zweimal kalter Aufschnitt«, sagte der Oberkellner.
»Und Bier.«
»Ich schicke Ihnen den Sommelier.«

Ein Ort, an dem man eine Bier-Bestellung über einen Sommelier vornehmen darf … nein, muss. Großartig! Ganz klar, dass der abschließende Kaffee nach dem Mahl nicht vom Kellner gebracht wurde. Der braune Muntermacher wurde von einem Mann in türkischer Nationaltracht serviert. 

Bei dem anschließenden Verhör nutzte Maigret die Gelegenheit, sich bei Madame Nahour umzuschauen. Er fragte sie um Erlaubnis, ob er auch ihr Schlafzimmer betreten dürfe. Also hatte sie sich für eine Suite entschieden und nicht etwa für ein billiges Zwanzig-Quadratmeter-Zimmer für 600 Euro.

Maigret nahm nach der Befragung sein Bier nicht in dem Schlafpalast, sondern begab sich in ein Bistro. 

Ein Tatort

Eine weitere Erwähnung widerfährt dem Hotel in der Erzählung »Die Todesstrafe«. Maigret hatte einen Fall zu bearbeiten, bei der ein belgischer Graf im Zimmer 318 ermordet wurde. Der Kommissar hatte einen Verdächtigen, aber er konnte ihm die Tat nicht nachweisen. Der Neffe von Adalbert d’Oulmont wahr aalglatt. Simenon entschloss sich deshalb, ihm nach Brüssel zu folgen. Dort gab es einen Showdown in einem anderen Hotel.

In dieser Episode spielt das Hotel nur eine Nebenrolle: Simenon hätte sich für jedes andere Luxushotel in Paris als Schauplatz des Verbrechens entscheiden können. Schließlich ging es ihm nur darum, zu zeigen, wie wohlhabend der Ermordete gewesen war.