Hotel Nordstern


Erst gibt es die Übersetzung für die Buchausgaben, dann erfolgt eine Bearbeitung – das scheint mir der gängige Weg zu sein. Bei den Maigret-Erzählungen, die der Saarländische Rundfunk 1953 produzierte, war das nicht der Fall – ein bemerkenswertes Vorgehen. In der Reihe entstand eine Bearbeitung der 1938 entstandenen Erzählung »L’Etoile du Nord«.

Was ist die Situation?

Der Kommissar war kurz davor Ex-Kommissar oder einfach nur Monsieur Maigret zu werden. Madame Maigret war schon in Meung-sur-Loire und bereitete dort alles für die Ankunft des Pensionärs vor. Maigret schafft es, sich eine Ermittlung zu krallen. In der literarischen Vorlage wird es deutlicher, dass er sich nach diesem letzten Fall sehnte, da ihm das Auf- und Wegräumen zuwider war.

In einem Hotel in der Nähe des Gare du Nord hatte man die Leiche eines Mannes gefunden. Er war erstochen worden und nun hatte man dort einen Haufen von Leuten herumsitzen, die den Tatort nicht verlassen sollten. Maigret hat schnell eine Verdächtige gefunden und kümmert sich sehr ausgiebig um sie.

Ich hatte das Gefühl – sowohl beim Hören wie beim Nachlesen – dass das junge Mädchen, was er erwischt hatte, ziemlich clever war.

Was sind die Unterschiede?

Erstaunlich ist, dass es kaum Unterschiede gibt. Der Anfang ist ein wenig unterschiedlich, aber dann hält man sich an den roten Faden, den Simenon in der Geschichte vorgegeben hat. Die Abwandlungen fallen nicht weiter ins Gewicht. Teilweise sind die Dialoge in der 2010er-Ausgabe der Erzählung genauso, wie sie im Hörspiel zu vernehmen sind.

Merkwürdiges und Erwähnenswertes

Erst war ich irritiert, dann war ich amüsiert: Alle Namen werden durchweg französisch ausgesprochen. Zumindest war die Aussprache so, dass ich es für eine französische halten würde. Nur einer nicht: Lucas. Dessen Name wurde die ganze Zeit deutsch ausgesprochen.

Der Hotelbesitzer wurde von Maigret verhört. Eine Frage des Kommissars lautete: Wo er denn wohnen/schlafen würde – woraufhin der Hotelier antwortet, in einem kleinen Zimmer im ersten Stock, welches er nicht vermieten könne. Der Raum habe nur eine Dachluke. Nun fand der Mord im zweiten Stock statt und ich dachte mir so: Warum hat denn dieser Raum ein Dachfenster. Deutlicher wird es, wenn später davon die Rede ist, dass die Zimmermädchen im sechsten Stock wohnen würde. Da würde ich ein solches Fenster erwarten. Ein Blick in die Vorlage offenbart, dass nur von einem kleinen Fenster die Rede ist.

Die Ansprache der jungen Frau erzeugt heute Stirnrunzeln – Herzchen, Kleines. Ich glaube, da war Verschiedenes dabei, was mich zusammenzucken ließ. In der deutschen Übersetzung geht es da schon wesentlich respektvoller zu. Es gab in dieser nur eine Stelle, wo ich gesagt hätte: Tja, lieber Kommissar, heute hättest du eine Beschwerde am Hals.

Kurzes Fazit

Das Hörspiel ist auf der gerade erschienen Hörspielbox »Maigret – Die raffiniertesten Fälle« aus dem Audio Verlag zu finden. Ich hatte die Erzählung als kurz (ja, das stimmt) in Erinnerung und damals nahm ich sie nicht als bemerkenswert wahr. Aus welchen Gründen auch immer, hatte ich diesmal einen besseren Zugang zu dem Stückchen bekommen. Dieses Duell zwischen der jungen Frau, ihr Name ist ein großes Geheimnis, und dem Kommissar ist ein wirklich schönes Stück. Die Umsetzung zu einem Hörspiel kann man ebenfalls als gelungen bezeichnen, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass die Bearbeitung gut siebzig Jahre alt ist.