Bildnachweis: Maigret und der Verrückte - Screenshot Serie
In auswärtigen Betten
Vor ein paar Tagen las ich ein Interview, welches John Simenon gab. Verfilmungen waren auch ein Thema und Simenons Sohn sagte sinngemäß, dass für ihn originalgetreue Verfilmungen kein Muss wären. Wichtig wäre, dass die Rahmenhandlung und Entwicklung der Hauptfiguren zu erkennen wäre. Selbst unter diesen wahrlich lockeren Kriterien als Maßstab, bleibt die Geschichte mit Rupert Davies hinter der Vorlage weit zurück.
Die Geschichte wurde für die Verfilmung ordentlich umgemodelt und ein paar Änderungen sind gut verkraftbar. Vermutlich konnte und wollte man aus Kostengründen nicht ein Bergerac drehen und bevor solche Klugscheißer, wie meiner einer daherkommen und beispielsweise rufen: »So eine Kirche gibt es in Bergerac ja gar nicht!« und »Nein, der Bahnhof sieht ja ganz anders aus!«, erfand man einfach Orte und ließ die Geschichte dort spielen.
Es handelt sich bei der Verrückten-Geschichte nicht nur um eine Geschichte, die man der ersten Maigret-Phase zuordnen muss, sondern vermutlich ist auch Maigret noch jünger. Dafür würde ich als Indiz heranziehen, dass Madame Maigret anfangs ihrer Schwester hilft, als ein weiteres Kind kommt. Da Rupert Davies im fortgeschrittenen Alter ist, steigt Maigret in dieser Folge ganz sittsam an einem Bahnhof aus dem Zug und springt nicht während der Fahrt aus dem Zug, um dem Mann zu folgen. Zwar ist es der falsche Bahnhof, aber immerhin einen Stunt hat man Rupert Davies auf diese Art und Weise erspart.
Das waren Änderungen, die recht gut verkraftbar sind.
Anderer Figurenmix
Da ich ein Faible für komische Geschichten habe (womit sich eigentlich die Frage stellt, warum ich mich so intensiv mit dem völlig unkomischen Simenon beschäftige), trauerte ich schon beim Lesen des Buches der verpassten Gelegenheit nach, dass die Verwechslung nicht ausgekostet wurde. In dieser Folge besteht die Verwechslung gefühlt nur Bruchteile von der im Buch: Maigret wird angeschossen, stürzt dramatisch auf eine Frau, wird ins Krankenhaus gebracht und schon bei der ersten Begegnung – der Kommissar ist noch bewusstlos – klärt sich alles auf. Die Exekutive ist nicht glücklich, dass man einen der ihren gefangen hat statt den Verrückten – aber das wird nicht weiter ausgekostet.
Die Exekutive stellt sich hier in Form eines Polizisten dar, der früher einmal bei der Fremden-Legion war. Ein ganz harter Hund! Er wird mit Maigret nicht warm. Das mag daran liegen, dass dieser aus der Hauptstadt kommt, einen Ruf hat und sich in das Geschehen einmischt. Das ist aber nur eine Vermutung.
Der Staatsanwalt aus dem Buch wird hier zum Bürgermeister. Warum mischt sich nun ein Bürgermeister in solche Angelegenheiten ein und wird vom Ortspolizisten als Autorität angerufen. Das mag noch gehen, aber warum hat der Bürgermeister einen Haftbefehl ausgestellt? Ich kenne mich mit den Gepflogenheiten in Frankreich nicht im Detail aus, aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich und ist mir auch bei anderen Gelegenheiten nicht untergekommen. Ein Staatsanwalt passt in die ganze Geschichte viel besser hinein, als ein Bürgermeister. Außerdem ist der Staatsanwalt in der Vorlage ein Gegenspieler von Maigret, da er etwas zu verbergen sucht und die Untersuchungen torpediert. Der Bürgermeister ist indes ein »lieber Charakter«.
Immerhin scheint der Bürgermeister ein inniges Verhältnis zu Françoise zu haben, die eigentlich ihren Schwager Dr. Rivaud liebt. Aber warum besteht das Verhältnis? In der Vorlage kommt nach und nach heraus, worum es in der Beziehung geht und was es mit dem Staatsanwalt-Konflikt auf sich hat. War das, was Simenon in dem Roman beschrieben hat, zu dreckig für das Fernsehen und störte die biedere Welt. Da es keine Erklärungen für die Beziehung zwischen dem Bürgermeister und Françoise gibt, bleibt sie rätselhaft. Wer das Buch nicht kommt, könnte denken, dass es sich bei dem Bürgermeister um einen (sehr) netten Onkel von Françoise handelt und man nur vergessen hat, das zu erwähnen.
Madame Maigret recherchiert auch ein wenig. Offenbar sehr gern. Den Widerstand dagegen, den man im Buch spürt, wird genauso wenig thematisiert, wie der Konflikt, den Maigret mit Leduc austrägt. Zwar recherchiert er hinter Leduc hinterher, aber Probleme gibt es deshalb nicht. Aber das ekelhafte Verhalten gegenüber seinem Freund wird nicht deutlich.
Es wird allerdings auch nicht thematisiert, dass die Leute sich fragen, ob der Kommissar nicht selbst ein wenig verrückt geworden ist.
Drama, Drama, Drama
Den Blick, den der Polizist dem Bürgermeister zuweist, als ihnen klar wird, dass sie es mit dem berühmten Kommissar Maigret aus Paris zu tun haben, ist unbezahlbar. Aber die dramatischen Blicke, die dann noch folgen und zwar von Dr. Rivaud, seiner Frau und seiner Schwägerin/Geliebten, sind so etwas von schmalzig, dass sie schnell nerven. Dazu gehört auch das Streifen durch Wald und Wiesen. Die Zeit hätte man besser in das Erzählen der Geschichte investiert – man merkt ja, dass bei mir diverse Fragen offen geblieben sind.
Bei einer starken Vorlage von Simenon habe ich eine schwache Umsetzung der Geschichte mit dieser Folge gesehen. Die Hauptfiguren sind mir zu eindimensional und agieren zu melodramatisch. Schade, denn sowohl die Beziehungen in der literarischen Vorlage sind interessant ausgedacht, wie auch die Figuren selbst Ecken und Kanten haben. Davon bleibt nicht viel über.