Le general disparu

Le général disparu


Im »Le Petit Marseillais« vom 21. September 1927 wird berichtet, dass im damaligen Leningrad ein Prozess gegen monarchistische Agenten begonnen hätte. Das Grüppchen wäre von Finnland ins Land gekommen. Sie teilten sich. In Leningrad verübten sie einen Anschlag auf so etwas wie einen Business-Club – ein Vereinshaus von Kommunisten ist wahrscheinlicher. 

Ein Anschlag, der in Moskau auf ein politisches Büro geplant war, misslang. Die Agenten, so hieß es aus Moskau, wären von einer Organisation ausgesendet worden, an deren Spitze der ehemalige General Koutepov stand. Die Agenten hatten aber Kontakt zu Geheimdiensten in Finnland, Lettland und Polen.

Der erwähnte General lebte zu der Zeit in Paris. Ihm dürfte klar gewesen sein, dass man das Treiben seiner Organisation in Moskau beobachtete. Eine Verlautbarung über eine Nachrichtenagentur wie der TASS war so etwas wie ein Ritterschlag und eine Urkunde der Staatsführung mit dem Text: »Du bist unser Feind.«

Wie konnte es dazu kommen?

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Pjotr Nikolajewitsch Wrangel

Credits: Public Domain

Im August 1878 kam in einer Stadt im äußersten Nordostens Litauens Pjotr Nikolajewitsch Wrangel zur Welt, nach dem gregorianischen Kalender wäre es der 27. gewesen. Vorangestellt war seinem Namen ein »Baron« und das öffnet einem in der Gesellschaft schon gewisse Türen. Der junge Mann studierte am Institut für Bergbauwesen, bevor er sich in als Freiwilliger für das Militär meldete. Er startete seine Karriere in einem Kavallerieregiment und wurde schon ein Jahr nach seinem Eintritt zum Offizier beförderte. Er nahm am Russisch-Japanischen Krieg teil, welches nicht so gut für das Zarenreich ausging und war an einer Strafexpedition in das Baltikum beteiligt. 1908 heiratete er die Tochter eines Kammerherrn am Zarenhof und zwei Jahre später konnte er eine Fortbildung an der Akademie des Generalstabes abschließen. Sprich: Der Weg nach oben war geebnet.

Seine Karriere beim Militär wurde durch den Ersten Weltkrieg beschleunigt. Diente er am Anfang als Kommandeur eines Kavallerie-Regiments. Im Januar 1917 wurde er zum Generalmajor ernannt, der letzte Rang, den er in der Zaren-Armee einnahm. Es kam zur Februarrevolution und schon mit der stand Wrangel nicht auf dem besten Fuß. Als dann kurz darauf die Oktoberrevolution startete, war der Adelsspross schon nicht mehr in der Armee. Er zog sich zurück auf seine Datscha und die Bolschewiken verhafteten ihn dort. Nach einer kurzen Haftzeit ging er in den Untergrund, denn wie wankelmütig die neuen Machthaber waren, war zu dem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

Im Bürgerkrieg schloss er sich der Weißen Arme an. Dort übernahm er wieder die Führung. 1918 wurde er Generalleutnant in der Armee. Zum Oberbefehlshaber der Weißen Armee wurde er, nachdem General Denikin den Posten abgeben musste. Zu der Zeit stand die Armee schon auf verlorenem Posten und im November des Jahres verließen die letzten Einheiten der Armee das Land.

Wrangel ging ins Exil und galt als Oberhaupt der geflohenen Weißen. Er gründete die Union aller Russischen Militärverbände (ROWS). Die aus Russland geflohenen Truppen sollten zusammengehalten werden und mit kleinen und großen Aktionen die Regierung der Sowjetunion destabilisieren.

Der Mann hatte schon etwas erlebt, so schrieb er seine Memoiren. Ob er jedoch damit rechnete, seinen fünfzigsten Geburtstag nicht mehr feiern zu können? Am 25. April 1928 starb er nach kurzer schwerer Krankheit. Sein Butler hatte einen Bruder, der in dem Haus der Wranglers zu Gast war, und kurz nachdem der Mann verschwand, fing es an dem ehemaligen General schlechter zu gehen. Die Familie war der Meinung, dass das Familienoberhaupt vergiftet worden war und dieser Bruder des Butlers ein Geheimagent eines sowjetischen Geheimdienstes war.

Die Organisation

Die von Wrangel gegründete Organisation hatte ihren  Sitz in Paris gehabt. In ihrem Selbstverständnis war es eine Organisation, die sich auf christlichen Werten gründete; dazu patriotisch und streng antikommunistisch.

Mitglieder der Organisation kämpften nicht nur heimlich in Russland, sondern sie waren auch in die Kriege in Spanien, China und Finnland involviert. Während des Zweiten Weltkrieges war die Organisation größtenteils neutral. Mitglieder, die in Bulgarien und Bulgarien lebten, schlossen sich dem Russischen Korps, einem Teil der Wehrmacht an, um gegen Tito zu kämpfen.

Vielmehr hofften die Mitglieder, dass die westlichen Allierten nach einem Sieg gegen Deutschland, sich um die Sowjetunion »kümmern« würden. Taten sie aber nicht. Die Organisation wurde auf natürlich Art und Weise dezimiert und spielte immer weniger eine militärische Rolle. Viele der ROWS-Mitglieder, die in Tschechien, Bulgarien und Jugoslawien gelebt hatten und nicht fliehen konnten, wurden nach dem Krieg durch sowjetische Agenten verhaftet – ins Gulag verbracht oder getötet..

Die politische Arbeit setzte sie bis in die 1990er-Jahre fort. Während der Fall der Kommunisten bejubelt wurde, sah man die anschließende Zersplitterung des großen Landes sehr negativ. Im Jahre 1992 wurde eine eigene russische Sektion eröffnet. Die Mitglieder sahen jedoch, dass ihre Mission erfüllt war – im Jahr 2001 löste sich die Organisation auf. (Ein paar Leute waren nicht zufrieden mit der Entscheidung der Mehrheit und organisierte einen neuen Verein. Wofür auch immer ...)

Der Nachfolger

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Alexander Pawlowitsch Kutepow

Credits: Public Domain

Alexander Pawlowitsch Kutepow hatte sich zeitig für eine militärische Laufbahn entschieden. Im Alter von zwanzig Jahren wurde der junge Adlige auf die Junker-Infanterie-Schule in St. Petersburg (später Leningard, bevor man sich in den 1990er-Jahren auf den alten Namen besann) geschickt. Seinene rsten Einsatz hatte er im russich-japanischen Kireig, in dem er schwer verletzt wurde. Er nahm schon damals an den kompliziertesten und gefährlichsten Operationen teil und war hochdekoriert. Auszeichnungen sammelte er auch im Ersten Weltkrieg, befehligte erst Kompanien, dann Bataillone und am Ende – da war er schon zum Oberst ernannt worden – Regimenter.

Mit seiner Herkunft und seinem Werdegang scheint es selbstverständlich, dass er Probleme mit der Februarrevolution hatte. Er versuchte sogar Widerstand zu organisieren, blieb aber damit allein, da die anderen Offiziere in seiner Umgebung keine große Lust verspürten, für die Monarchie zu kämpfen. Monate später wurde schon wieder der Aufstand gegen die Regierung geprobt und Kutepow schlug sich auf die Seiten der Weißen Armee. Zeitgenössischen Berichten nach, war der Mann entschlossen und unnachgiebig. Traf er Chaos an, schaffte er es innerhalb von kurzer Zeit, Ordnung zu schaffen. Dafür ging er über Leichen.

In der Weißen Armee brachte er es bis zum Generalleutnant. Die militärischen und politischen Ziele erreichte seine Partei nicht, so ging er im Alter von 37 Jahren ins Exil. Erst kam er nach Bulgarien. Nach den dortigen Umwälzungen ging es über Serbien nach Frankreich, wo er sich in Paris niederließ. Er engagierte sich hier im ROWS und kümmerte sich darum, dass um Aktionen in der UdSSR und baute eine Spionage-Abwehr innerhalb der Organisation auf.

Kutepow stieg nach dem Tod Wrangels zum Führer der Vereinigung auf und wurde damit das nächste Ziel Moskaus.

An einem Sonntag im Januar

Für die Zeitungen war es ein Top-Thema: Ein hochrangiger Dissident verschwindet einfach sang- und klanglos von der Bildoberfläche. Am 26. Januar war der Russe auf dem Weg zur Kirche, kam dort aber nie an. Er würde doch nicht einfach verschwinden, wo er auf dem Weg zu einem Trauergottesdienst für einen General war, unter dessen Befehl er gekämpft hatte. Das mochte niemand glauben. Schnell wurde auch der Gedanke verworfen, es wäre ein Raub gewesen, denn der ehemalige General hatte nie viel Geld bei sich.

General Miller, er sollte Nachfolger von Kutepow werden und ihm sollte letztlich das gleiche Schicksal ereilen, äußerte schon kurz nach dem Verschwinden, dass ein Eingreifen Moskaus vorliegen würde. Vielleicht nicht das »offizielle Moskau«, aber russische Kommunisten wären es auf jeden Fall gewesen.

Seine Mitarbeiter waren sehr vorsichtig und hatten den Vorsitzenden der ROWS im Auge. Das Interesse an dem Bürgerkriegsgeneral von seiten seiner Widersacher bestand, war bekannt – er wurde von der Gegenseite überwacht und fotografiert. Entführungsversuche hatte es auch schon früher gegegeben, einige klangen auch sehr ausgefeilt. Bei der Polizei war man zu dem Zeitpunkt reserviert.

Der Grund dafür wird zwei Tage später von »Le Parisien« genannt:

Die Wahrheit ist, dass derzeit niemand in dieser obskuren und überraschenden Geschichte wirklich klar sehen kann. Die Polizei hat zwar eine genaue Vorstellung, hütet sich aber aus leicht verständlichen Gründen davor, diese vor der Zeit zu veröffentlichen. Außerdem hat sie selbst Schwierigkeiten, sich in dem Wust von spontanen Zeugenaussagen und Denunziationen von Kontrahenten zurechtzufinden, die sie sammelt.

Fest stand nur, dass der Kutepow an diesem Sonntag um 11 Uhr in der Rue Rousselet in ein Auto stieg und nicht mehr gesehen wurde. Der Rest ist sehr vage – einige Zeugen, auf die man große Hoffnungen setzte, folgten eigenen Interessen oder stellten sich als derart irre heraus, dass man sie in die Psychiatrie einwies.

In Moskau hatte man auch offiziell mitbekommen, dass etwas am Laufen war. Die Zeitungen dort berichteten Ende Januar über die Vorkommnisse. Unter den Umständen, sollte man annehmen, dass das gleiche in der dortigen Presse stand. Das war allerdings nicht der Fall: Die einen sagten, der General habe sich von seinen Gesinnungsgenossen losgesagt und wäre nach Moskau gereist; andere schrieben, dass die Geheimdienste mit der Aktion nichts zu tun hätte. Auf jeden Fall hatte sich ein Botschaftsrat aus Paris auf die Reise nach Moskau gemacht, um Stalin zu berichten.

Unter der Zwischenüberschrift »Zufälle« berichtete am 5. Februar des Jahres die Zeitung »L'Intransigeant«, dass zwei Tage nach der Entführung des Generals ein russischer Geheimdienstmitarbeiter, der für die kompliziertesten Angelegenheiten eingesetzt wurde, wieder nach Berlin abreiste. In Berlin, offenbar einer Spionage-Metropole in der damaligen Zeit, lebte ein ehemaliger leitender Agent der Russen, und in dessen Haus wohnte der Kutepow während seines letzten Aufenthalts in Deutschland.

In der Ausgabe des »Parisien« vom 9. Februar wird das erste Mal erwähnt, dass ein Zeuge berichtete, dass ein Polizist mit im Spiel gewesen sein könnte. Allerdings wird auf Ungereimtheiten in der Gesamtheit der Aussagen hingewiesen, so dass konstatiert wird:

Das Verschwinden scheint leider die einzige Gewissheit der Ermittlungen zu sein.

Am 13. Februar protestierte Moskau beim französischen Botschafter gegen die Verhaftung eines Botschaftssekretärs. In Paris dementierte man, dass es eine Verhaftung gegeben habe. Die Polizisten, die nach Berlin gereist waren, um das Verschwinden des Generals zu untersuchen, kam unverrichteter Dinge wieder zurück.

Und aus Wien hieß es, der General wäre dort auch nicht. Kurz darauf wurde aus der Türkei vermeldet, dass man dort über den Fall nicht schreiben dürfe.

Ende März vermeldet »L'Intransigeant«, dass drei Letten verhört wurden, aber eine Headline war es wohl nur deshalb geworden, weil nichts anderes an dem Tag passierte. Denn neue Spuren ergaben sich aus den Aussagen nicht. Überhaupt beschleicht einen, folgt man der Berichterstattung, dass keine wesentlichen Aspekte hinzukamen und die Polizei bei den Ermittlungen auf der Stelle trat. Sicher schien nun nur zu sein, dass es eine Entführung war und die Wahrscheinlichkeit, dass die Sowjetunion dahinter steckte, war sehr groß. Die oben erwähnte Zeitung schloss daraus:

Wir sind gezwungen, festzustellen, dass die in Frankreich zugelassenen sowjetischen Organisationen Machenschaften betreiben, die normale diplomatische Beziehungen unmöglich machen.

Ende Mai wurde vermeldet, dass man in Moskau einen Mann erschossen hätte, der als Konterrevolutionär galt, aber eigentlich ein Geheimagent des sowjetischen Geheimdienstes gewesen sei. Dieser Mann hätte mit der Entführung von Kutepow zu tun gehabt. Hören, sagen ... auch hier besteht der Verdacht, dass man einfach nur mal wieder einen alten Fall am Köcheln halten wollte. Anfang Juni fragte »L'Intransigeant« bei der Polizei nach, wie es um den Fall stand. Die Polizei, so hieß es, habe nicht die Absicht, den Fall einzustellen. Das tat sie übrigens lange Zeit nicht – selbst sieben Jahre danach hieß es, man ermittele noch.

Im Juli tat sich eine neue Quelle auf. So berichteten es einige Zeitungen. Da danach Schweigen herrschte, nämlich ganze drei Monate lang, darf davon ausgegangen werden, dass es eine Luftnummer war.

Im Oktober veröffentliche eine russischsprachige Zeitung in Paris einige Neuigkeiten. Demnach war die ROWS von Tschekisten unterwandert worden. Das erscheint plausibel, denn die wenigsten Aktionen der Organisation, die sie in Russland planten und ausführten, waren erfolgreich. In der Regel wurden die Agenten gefasst und getötet. Kernaussage des Artikels:

General Kutepow wurde von Janowitsch, Guelfand, Hellert und Fikhner entführt.

Man hatte dem Mann eine Geschichte aufgetischt, dass es ein geheimes Gespräch geben müsse. Offenbar habe sich der General darauf eingelassen:

An diesem Tag verließ General Kutepow gegen 10 Uhr morgens sein Haus. Auf dem Boulevard du Montparnasse traf er seine Informanten, die ihm den Standort des Autos mitteilten, das auf ihn wartete. der unbequeme Kutepow nahm darin Platz und erst im Auto bemerkte er die Falle. Nach einem kurzen kampf wurde er mit einem Narkotikum betäubt. Es ist anzumerken, dass General eine tiefe Wunde über dem Herzen hatte. Er hielt die Wirkung des Chloroforms nicht aus und starb am nächsten Tag, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen.

Eine Geschichte, die so gut ist, wie jede andere, und wurde von Fikhner erzählt. Geplant wurde die Entführung von einem Berliner Team schon im Jahr zuvor. Kein sowjetischer Agent in Paris wäre beteiligt gewesen. Aber sie hätten Leute in der ROWS gehabt, die den General manipulierten. Drüber hinaus berichtete der Spion, dass die Mitglieder des Entführungsteams zurück nach Moskau beordert wurden. Die meisten waren anschließend erschossen worden. Fikhner hätte es vorgezogen, fernzubleiben und hatte sich in ein Land abgesetzt, welches nicht in die Sowjetunion auslieferte. 

Im Nachgang

Auch im Jahre 1937 kam es zu einem Zwischenfall: Dimitri Navachine wurde ermordet und in dem Zuge wurde auch die Entführung Alexander Kutepow betrachtet. Die damaligen Ermittlugnen und Berichterstattung wird wie folgt zusammengefasst:

Natürlich hatten einige Tage nach dem Verschwinden des Generals zahlreiche Zeugen behauptet, das Auto gesehen zu haben. Es wurde überall gesehen: in der Nähe von Marseille, in der Normandie, in der Nähe von Paris, an der belgischen Grenze. Irgendwann schien die Spur in der Normandie klarer als die anderen zu sein: Es wurde sofort von einem sowjetischen Frachter gesprochen, der sich am Tag der Entführung an der normannischen Küste befunden hatte.
[...]
Aber abgesehen von diesen falschen Wendungen befindet sich der Fall Koutepow heute an demselben Punkt wie vor sieben Jahren: Wir wissen nichts.

Nichts ist eindeutig. Das Sterbedatum des Generals wird in der englisch- und russischsprachigen Wikipedia mit dem 26. Januar angegeben, in der deutschen und französischen Fassung mit dem 6. Mai. Warum eigentlich?

Pawel Sudoplatow hatte auch etwas zu dem Fall beizutragen, aber nur in schriftlicher Form. Demnach wäre der Täter Yakov Serebryansky.

Sudoplatow war an der Entführung nicht beteiligt. Zu der Zeit war er 23 Jahre alt und noch in der Ukraine beim Geheimdienst beschäftigt. Erst drei Jahre nach der Entführung von Kutepow sollte der Sudoplatow nach Moskau delegiert werden und für verdeckte Operationen in anderen Staaten eingesetzt werden.

Serebryansky dagegen war schon eine Nummer: Er war von 1925 bis 1928 in Paris und Brüssel stationiert. 1929 wurde er befördert und verantwortete eine Abteilungen, die Sabotage und Terrorismus im Ausland vorbereiten sollte ... nur für den Kriegsfall versteht sich. Den Memoiren von Sudoplatow zufolge, spielte sich die Entführung wie folgt ab:

Diese Arbeit wurde von Yakov Serebryansky geleistet, unterstützt von seiner Frau und seinem Agenten in der französischen Polizei. In französischen Polizeiuniformen gekleidet, hielten sie Kutepow auf der Straße unter dem Vorwand an, ihn zu befragen, und setzten ihn in ein Auto. Kutepow widersetzte sich der Entführung, und während des Kampfes hatte er einen Herzinfarkt und starb, sagte Serebryansky mir.

Sowohl Sudoplatow wie auch Serebryansky bekam karrieretechnisch der Tod von Stalin nicht gut. Sie wurden verhaftet. Während Sudoplatow ins Gefängnis kam und danach weiterleben konnte, starb der vermeintliche Mörder von Kutepow während eines Verhörs.

Eines lässt sich aber mit Gewissheit sagen: Die französischen Zeitungen hatten diesen Agenten Stalins nicht auf dem Schirm.

Keiner kann heute mit Gewissheit sagen, wann und wo der General gestorben ist. Spekulationen, gibt es genug. Manche verdächtigen den General  Nikolai Skoblin, der von der Weißen Armee zu den Bolschewiken übergelaufen war, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein. Aber seine Anwerbung für den sowjetischen Geheimdienst erfolgt erst später, sodass dies unwahrscheinlich ist.

So bleibt ein fantastischer Stoff, der sowohl Literaten wie auch die Filmleute zu Geschichten inspirierte.

Das »Gai-Moulin« in der Geschichte

Nun stellt sich noch die Frage, was Simenon mit all dem zu tun hat. Er schrieb im September 1931 den Roman »Maigret im Gai-Moulin«, der im November des gleichen Jahres erschien.

Im Januar des darauffolgenden Jahres war folgende Meldung in der Zeitung zu lesen:

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Lüttich, 29. Januar. Nachdem ein Finne in der Zeitung über Grigore Alexie Vasilievitch berichtet hatte, kam ein Pariser Inspektor der Sûreté nach Lüttich, um eine Untersuchung durchzuführen. Der Finne hatte erklärt, dass er Anfang 1930 in einem Kabarett mehrmals eine Person getroffen hatte, die Alexie sehr ähnlich sah, und dass diese kurz vor Kutepows Entführung plötzlich verschwunden war.
Der Türsteher des Kabaretts, Herr Isakoff, dem der Polizist das Foto von Alexiet zeigte, erklärte, dass er tatsächlich glaube, einen ehemaligen Stammgast des Kaffees zu erkennen. Er habe ihn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Er konnte jedoch keine Informationen über ihn geben, die die Ermittlungen voranbringen könnten. Inspektor Parenau reiste heute nach Paris ab.

Einen bleibenden Eindruck scheint diese Person nicht hinterlassen zu haben, denn Grigore Alexie Vasilievitch wird nirgendwo erwähnt. In der französischen Ausgabe des Romans (»Tout Maigret, Tome 2) ist zu lesen:

Parenau, ein Inspektor der Pariser Sûreté, ermittelte im Januar 1932 in Lüttich wegen einer gewissen russischen Verschwörung. Einer der Verschwörer war angeblich im Kabarett Le Gai-Moulin in Lüttich gesehen worden und kurz vor der Entführung eines russischen Generals verschwunden. Dieses Zusammentreffen interessierte Simenon sehr: dasselbe Motiv, dieselben Details und derselbe Ermittler aus Frankreich.

Das Interesse von Simenon an dem Fall ist nicht abzustreiten. Das wird er allein schon deshalb gehabt haben, da er die Lokalität kannte. 

Aber weder Motiv noch Detail stimmen überein. Realität und Fiktion sind völlig unterschiedlich. Es kam ein Ermittler aus Paris – mal nachzuschauen, was da gewesen ist. Das war ein Katzensprung. Für die Ermittlungen waren die Pariser Polizisten viel weiter gereist und hatten sich umgehört.

Was bleibt ist das »Gai-Moulin«. Einen Toten gab es dort nicht, aber die Meldung beweist, dass es dieses Lokal gab.