Bildnachweis: Simenon-Denkmal - maigret.de
Licht und Schatten
Die Gastgeber und viele der Gäste der letzten Station unseres diesjährigen Frankreich-Urlaubs waren Belgier. Als wir ihnen offenbarten, dass wir Frankreich verlassen und unser finaler Halt Lüttich wäre, schauten sie uns entgeistert an und meinten: »Warum denn Liège?«. »Simenon«, sagten wir. »Na dann ...« Enthusiasmus für einen Landsmann geht anders.
Die Stadt macht es einem nicht einfach. Es war unser dritter Aufenthalt und, um es mit den Worten unseres diesjährigen Gastgebers auszudrücken, wir wurden mit typisch belgischem Wetter begrüßt. Dieses bestand aus Dauerregen und hob unsere Stimmung nur bedingt.
In erste Linie war der Aufenthalt ein Zwischenstopp, da wir nicht in einem Rutsch von Frankreich zurückfahren wollten. Gewiss hätte sich anderswo auch ein Halt einbauen lassen, aber ich wollte sehen, was sich verändert hatte. Der letzte Besuch lag mindestens fünfzehn Jahre zurück. Wenn nicht sogar länger. Dass sich eine Stadt in einem solchen Zeitraum verändert hat, war anzunehmen.
Das Vergleichen fiel mir schwer. Ich musste feststellen, dass kaum noch Erinnerungen an die Stadt vorhanden waren. Ja, der Fluss und die Kaskade von hässlichen Neubauten an seinem Ufer. Das hatte sich nicht geändert. Eine Symphonie in Grau. Wenn da nicht ein modernes Hochhaus die Skyline zieren würde und das ist nicht ironisch gemeint. Ein Lichtblick für Lüttich, wie wohl die Bauarbeiten an einer Straßenbahnlinie und die allgemein rege Bautätigkeit in der Stadt. Der Bahnhof soll ebenfalls aufgehübscht und modernisiert worden sein, wir haben ihn diesmal nicht besucht.
Genau genommen eine Schande
Im letzten Jahr gab es eine Verlautbarung, dass die Arbeit des Fonds Simenon an der Universität Lüttich aufgewertet und ausgewertet werden sollte. Deshalb hatte ich im Vorweg angefragt, ob es möglich wäre, die Fonds Simenon zu besichtigen bzw. zu besuchen. Nach den Informationen, die ich hatte, sollte der Fonds an bestimmten Tagen zugänglich sein.
Die Antwort, die kam, war ernüchternd: Nein, das wäre nicht möglich. Die Öffentlichkeit wäre nicht mehr zugelassen und ganz nach dem Willen von Georges Simenon würde man sich auf die wissenschaftliche Arbeit konzentrieren.
Herzlichen Glückwunsch!, wenn die wissenschaftliche Arbeit darin besteht, sich in ein Schneckenhaus zurückzuziehen und nicht mehr mit dem interessierten Publikum zu kommunizieren. Da sehe ich auch für die anderen Vorhaben, die damals genannt worden waren, schwarz.
Georges Simenon ist nun 33 Jahre tot. Bei dem riesigen Nachlass, bei dem gewaltigen Leben des Mannes mit seinen vielen Stationen wäre es ein leichtes gewesen, ein Museum auf die Beine zu stellen. Schließlich existiert eine Basis für ein solches Haus dank diverser Ausstellungen (teilweise zu Simenons Lebzeiten), ganz zu schweigen von der Exposition zu seinem 100. Geburtstag. Lüttich würde sich dafür geradezu anbieten, aber es gibt diverse andere Orte, die sich genauso gut eignen würden – auch in Frankreich oder in der Schweiz. Wenn es nur an Räumlichkeiten mangelt, ich würde in Mühbrook meine Garagen leer- und umräumen: Dann könnten wir das Museum auch hier auf die Beine stellen!
An der Stelle will ich nicht verhehlen, dass ich diesen Mangel für eine Schande halte.
Auf Simenons Spuren
Es war wohl in dem Jahr von Simenons 100. Geburtstag, wo wir eine Tour durch Lüttich auf seinen Spuren in größerer Runde machten. Das war wirklich sehr schön. Mit heutzutage riesig wirkenden Geräten marschierten wir durch die Stadt, hauptsächlich Outremeuse, und an den Halten bekamen wir Informationen zu den biografischen Bezügen.
Wer interessiert ist, kann das heute auch machen.
Allerdings, soweit ich das mitbekommen habe, ohne vom Tourismus-Verband gestellte Gerätschaften. Keiner würde heute noch so etwas mit sich rumschleppen wollen und ich vermute, das Tourismusbüro möchte das auch nicht verwalten. Auf der Webseite findet man die Tour ebenfalls. Dazu gibt es Erklärungen und sogar MP3s, in denen einem die Bezüge erklärt werden. Allerdings sind alle Informationen auf Französisch – sowohl die vorgelesenen wie auch die zu lesenden. Sollte man sich darüber mokieren? Denke schon, denn zum einen weiß ich, dass das vor zwanzig Jahren besser war, und zum anderen wird konsequent auf das Französische gesetzt. Auch Flamen und englischsprachige Interessierte werden nicht in ihrer Sprache bedient.
Ich halte das für ein Ärgernis, denn die Webseite für die Tour ist gut umgesetzt.
Immerhin kann man im »Office du tourisme« der Stadt Lüttich, mitten in der Stadt in der Nähe des Marktplatzes gelegen, sich eine kleine Broschüre besorgen und mithilfe dieser den Simenon-Weg anspazieren. Das Heftchen ist in deutscher Sprache zu haben.
Für den Rundgang benötigt man etwa zwei Stunden, wenn man sich nicht durch Brasserien und Cafés ablenken lässt.
Licht!
Unser Gastgeber gab uns einen Tipp: Wir müssten unbedingt die Brasserie »Au Point De Vue«, gleich gegenüber der Oper, besuchen. Dort gäbe es die besten Buletten. Für mich als Ostdeutscher, der gezwungen im Norden ist, um verstanden zu werden, Frikadelle zu sagen, war das ein Wohlklang. Da wir dem Tipp folgten, können wir bestätigen: Die Buletten dort sind nicht nur preisgekrönt, die sind auch noch saulecker!
Das Rezept haben wir uns besorgt und können diese jetzt hier so zubereiten, wie man es in Lüttich macht. Was wir nicht mitnehmen können, sind die deliziösen Croissants, die uns in unserem B&B serviert wurden. Zwar wurde uns erzählt, bei welchem Bäcker wie sie kaufen könnten – mit der Warnung, dass dort immer eine Schlange stände – aber ohne tiefe Lüttich-Kenntnisse war da nichts zu machen.
Simenons Mutter Henriette hatte damals ebenfalls Zimmer vermietet, aber Croissants gab es für die Mieter gewiss nicht. Wir waren von unserer Unterkunft und den Gastgebern sehr angetan gewesen, zumal die Unterkunft originell und geschmackvoll eingerichtet war.
Das in Kombination mit den Buletten, Croissants, den vielen Kneipen und dem Simenon-Spaziergang haben den Zwischenhalt trotzdem lohnenswert gemacht. Auch wenn das Wetter ein wenig besser hätte sein können …