Bildnachweis: Croissant-Traum - maigret.de / Leonardo AI
»Madame Soundso, Herr Kommissar!«
Erstaunlich, wie schnell ich mich ablenken lasse. Gerade noch war ich bei dem einen Thema, dann prüfe ich eine Aussage und befinde mich plötzlich in einem ganz anderen Universum. Gerade eben noch, hatte ich mich mit Anreden beschäftigt und kurz darauf war ich bei Gebäck. In diesem speziellen Fall werde ich mal beides in einen Artikel packen.
Die Geschichte begann damit, dass Maigret in einem Gespräch war und von dem Gegenüber mit den Worten »Herr Kommissar« angesprochen worden ist. Zwei Zeilen darunter sprach der Kommissar seine Gesprächspartnerin mit »Madame Soundso« an (»soundso« ist in diesem Fall ein Platzhalter, das ist hoffentlich klar). Und ich dachte mir: Das ist aber eine komische Mischung, er wird mit der deutschen Anrede angesprochen und sie mit der französischen.
Einen kleinen Augenblick brauchte ich, bis der Groschen fiel. Sie sprach den Kommissar mit seiner Funktion an. Vergleichbar ist das mit der Ansprache »Herr Doktor«, die gelegentlich in den Geschichten auch auftaucht. Und »Monsieur Kommissar« klingt irgendwie komisch. Würde diese Variante gewählt werden, hätte man auch gleich einen »Monsieur Commissaire«, woraus dann »Monsieur Docteur« entstehen würde – und wären diese beiden Formen noch verständlich sind, wird es bei anderen Berufen und Titeln aber komplizierter werden.
So gesehen fand ich diese Unterscheidung sinnvoll. Bei Diogenes wurde es ebenso gehandhabt. Was mich jedoch dazu brachte, in den »uralten« Ausgaben von Kiepenheuer & Witsch nachzuschauen – da war es so, wie ich es in Erinnerung hatte. Madame und Monsieur existierten überhaupt, konsequent war von »Herr und Frau Soundso« die Rede.
Woraufhin ich hin bei den Straßenbezeichnungen nachschaute, und da war ich dann verloren …
… denn ich schaute in einer alten Ausgabe von »Maigret beim Minister« (damals noch »Maigret und der Minister«) nach fand eine Stelle, in der es hieß:
»Die Rue du Croissant ist nicht sehr lang. Dort kennen sich alle.«
Rue du Croissant
Credits: maigret.de
Treffer! Im Sommer stand ich vor dem Straßenschild just dieser Straße. »Was für eine lustige Idee, eine Straße nach einem Gebäck zu benennen!«, dachte ich mir und machte gleich ein Foto davon. Schließlich bekommt man so amüsanten Straßenbezeichnungen nicht alle Tage direkt vor die Nase gesetzt.
Die Straße ist mit 180 Metern wirklich nicht sehr lang. Meine Vermutung ist, dass die Leute den Namen selber so funny fanden, dass nie jemand auf die Idee gekommen ist, diese umzubenennen. In der jüngeren Geschichte haben sich Historiker (oder andere interessierte Leute) Gedanken gemacht, wie sie ihren Namen erhielt. Ein Schild könnte es gewesen sein, auf welchem ein Croissant zu sehen war. Die Straße wird schon im 16. Jahrhundert erwähnt. Zu der Zeit gab es keine Straßennamen und die Leute orientierten sich an solchen Merkmalen, wie zum Beispiel, dass sich in der Straße ein bemerkenswertes Schild befand.
Mitnichten ist es so, dass sich in der Straße zahlreiche Bäcker angesiedelt hatten – davon ist nicht die Rede. In der »Zeit von Maigret« waren dort aber eine Reihe von Druckereien zu finden. Deshalb hätte es durchaus sein können, dass die Straße irgendwann einmal in »Rue des Imprimeurs« hätte umbenannt werden können.
Neugierig, wie ich bin, habe ich geprüft, ob es Brot- oder Keks-Straßen in Paris gibt. Danach schaut es nicht aus, also ist der Straßenname etwas besonderes. Im Maigret-Kosmos findet die Straße auch noch einmal Erwähnung – in dem besagten Minister-Roman.