Bildnachweis: Maigret als Zuschauer - Aus der Folge
Maigret als Zuschauer
Ich habe die Rupert-Davies-Maigret-Verfilmungen als Episoden betrachtet – jede für sich unabhängig. Beschäftige ich mich tiefer mit einem Maigret-Roman, dann schaue ich mir die Verfilmungen dazu an – so ich Zugriff habe. Da ich die BBC-Reihe nicht Folge für Folge betrachte, war mir nicht aufgefallen, dass die Folgen zueinander Bezüge haben.
Zumindest ein Zusammenhang habe ich entdeckt: Maigret sitzt zu Beginn dieser Folge zu Hause im Wohnzimmer und sein Arm steckt in einer Schlaufe. Er bekommt Besuch von Lucas, der ihn auf den aktuellen Stand bringt. Die Top-Meldung ist, dass der Verbrecher, der Torrence umgebracht und Maigret angeschossen hatte, am Morgen hingerichtet worden sei. Die Vorgänger-Folge ist in der Tat »Maigret und die Zwillinge«, basierend auf »Maigret und Pietr-der-Lette«, in der Torrence erschossen wurde.
Was die deutsche DVD-Ausgabe angeht, ist das plausibles Ende – denn die Zwilling-Geschichte ist der vorletzte Teil, und die hier besprochene Story nach dem Roman »Maigret amüsiert sich« die letzte Folge. Als Zuschauer erfährt in der Geschichte nicht, dass es ein Abschied ist.
Der Mainstream gibt sein Fazit am Ende eines Beitrages ab. Damit möchte ich brechen, da das langweilig ist und und verkünde mein Placet an dieser Stelle. Es handelte sich um eine interessante Folge, deren Story sich grob an der Romanvorlage orientiert. Nachfolgend gibt es ein paar Anmerkungen, wo sich dies Geschichte von der Vorlage unterscheidet und was ansonsten ins Auge fiel.
Ein »t« hintendran
Arztgeschichten sind dankbar. Es gibt dir berühmten Arzt-Romane und im Film war der Arzt auch immer sehr präsent. Das spiegelt sich ebenso im Fernsehen wieder. Einen Mangel an Arztserien kann man nicht beklagen. Wie schaut es mit Fernsehserien über Bäcker oder Fleischer aus? Das wird schwierig. Immerhin gibt es einige Filme über Konditoren, Bäcker, Fleischer und Schlachter. Mir fiel bei einer kurzen Suche der Streifen »Boulanger et charbonniére« ins Auge, was man mit »Bäcker und Köhler« (wahlweise Bergmann) übersetzen kann.
Über die Handlung des Films von 1899 habe ich keine Information finden können – aber über den amüsanten Aspekt dieses Titels hinaus hat es mit dem Thema dieser Maigret-Verfilmung nicht das Geringste zu tun.
Kommen wir zurück zu den Ärzten: Es gibt auch kein Überangebot an Serien über Dermatologen und Urologen. Hausärzte wie Dr. Jave in der Vorlage einer war, die gibt es zuhauf. In der Folge ist der Doktor auch ein Hausarzt, ohne dass es explizit gesagt wird, er schreibt sich aber mit »t« am Ende. Also haben wir es mit Philippe Javet zu tun. Womit das »e« auszusprechen ist, während wir das »t« einfach nur zur Kenntnis nehmen.
Seine Frau hatte ihm in der Serie mitgeteilt, dass sie in Zukunft getrennte Konten haben möchte und er die Sachen für seine Praxis selbst zu bezahlen hätte. Er hatte zuvor angemerkt, dass man für das Kleid, was sie sich gekauft hatte, durchaus einen Röntgen-Apparat hätte anschaffen können. Reichlich zickig von der Dame, denkt man sich als Zuschauer, bevor sie ihren Mann zur Eile antreibt. Ein guter Beginn für einen Urlaub.
Schnitt. Vorspann. Madame Javet nackt und tot im Bett.
Nicht ganz natürlich. Es gibt noch ein kleines Intermezzo bei Maigret, der sich auskuriert von seiner Schussverletzung, die ihm in der Vorgängerfolge beigebracht wurde. Lucas ist bei ihm. Er war zum Oberinspektor ernannt worden und nun der offizielle Vertreter von Maigret. Von Ferien ist auch die Rede, aber man weiß nicht so genau, ob Maigret noch krank geschrieben ist oder schon im Urlaub. Madame Maigret möchte lieber heute als morgen losfahren – der Urlaub soll in Concarneau verbracht werden. Bei der Diskussion geht es weniger um den Ort (warum denn Concarenau?), sondern vielmehr um die Frage, ob Maigret seinen abgewetzten Pullover mit auf die Reise nehmen darf (»Der ist doch noch gut!« »Das ist ein Loch drin!« »Ja, und?« – rein Dialog, wie er sich auch bei uns zu Hause abspielen könnte).
Bei den Maigrets klingelte das Telefon. Madame Maigret meldete sich mit »Voltaire zwölf vierunddreißig«, nachdem sie abgenommen hat und ich dachte mir, dass da jemand bei der Synchronisation (?) mit der Telefonnummer 1234 richtig Mühe gegeben hatte. Da die gute Ehefrau sich für ihren Mann Ruhe und Ablenkung vom Dienst wünschte, war sie ein wenig ungehalten; beruhigte sich jedoch schnell, als sie hörte, dass Lucas am Telefon verlangt wurde. Es gab einen neuen Fall und in dem ging es um die tote Madame Javet, die von dem Vertretungsarzt Négrel gefunden worden war.
Während Lucas im Roman im Urlaub weilte (bei Verwandten in Pau) und Janvier die Führung übernommen hatte, spielte Janvier in der Verfilmung keine Rolle – der Assistent von Lucas ist Lapointe. Weiterer Unterschied: Maigret war im Roman im steten Kontakt mit Dr. Pardon und holte von ihm Informationen ein. Das machte er hier genauso wenig, wie er mit Madame Maigret Spaziergänge durch Paris unternahm. Seine Frau blieb die ganze Zeit zu Hause, während er die meiste Zeit mit dem Taxi unterwegs war. Der größte Unterschied ist, dass man als Leser keinen konkreten Einblick in die Ermittlungen am Quai hatte. Hier bekommen wir mit, wie Lucas als Chef-Ermittler agiert. (Was er schon gut macht, auch wenn er seine Probleme damit hat, auf dem Stuhl von Maigret zu sitzen.)
In der Romanvorlage kennt Maigret niemanden persönlich: In der Verfilmung kontaktierte die Verlobte des Vertretungsdoktors Maigret und bat ihn um Hilfe. Dadurch ist er in die Untersuchung involviert und kann sich nur noch halbwegs verstecken. Scheinbar sind es nur Lucas und Madame Maigret, die nicht mitbekommen, dass Maigret mit einer Untersuchung der ganz eigenen Art beschäftigt war. Scheinbar!
Warum hat man es nicht so gelassen, wie es ist und Madame Maigret auf die Spaziergänge mit ihrem Mann geschickt? Das wäre amüsant gewesen. Vielleicht hätte man, überlegte ich mir, dann viele teurer Außenaufnahmen in Paris fertigen müssen und das wollte man nicht. Die Kostenüberlegung muss aber hinten angestellt werden – schließlich hat man Lucas an eine mediterrane Küste geschickt, wo er mit dem Auto durch die Gegend düst. Er schaut sich das Boot an, mit dem Dr. Javet unterwegs war. Da ist ein Mann auf der Jacht und Lucas erklärt, er hätte ein paar Fragen. Die beiden verschwinden unter Deck und als Nächstes sieht man den Oberinspektor mit seinem sportlichen Flitzer durch die Gegend brausen. Da war ich völlig perplex und habe die Drehbuchautoren ob dieser Lücke verflucht.
Die Abweichungen zur Romanvorlage sind signifikant. Zwischenzeitlich habe ich mir die Frage gestellt, ob man aus dieser Geschichte mit einen anderen Mörder zu rechnen hat als im Buch.
Babylonische Sprachverwirrung
Requisiteure haben ordentlich Arbeit zu leisten, wenn Zeitungen mit Bezug zur Geschichte eine Rolle spielen. In der Folge geht das schon am Anfang los, denn Lucas zeigt Maigret ein Blatt, in der von Exekution als Aufmacher berichtet wird. Während die Überschrift des Artikels auf Englisch war, sind der Zeitungsname und der Artikel über dem Aufmacher auf Französisch. Das sieht schon komisch aus und stört das Ambiente. Für die Geschichte, und das gilt auch für den Fortgang, spielen die Gazetten keine Rolle und noch viel weniger, ob man den Text versteht.
Man fühlte sich in der deutschen Synchronisation bemüßigt, dass Thema noch ein bisschen zu verschlimmbessern. Im Original hatte Maigret die Postkarten an Lucas auf Englisch verfasst – was angesichts der englischen Zeitungsartikel fast schon konsequent erscheint. Es gab auch die Gelegenheit, eine Postkarte mit deutschem Inhalt einzubauen. Was das geholfen hat, ist wirklich ein Rätsel – schließlich wird der Inhalt auch immer noch vorgelesen.