Maigret auf deutsch. Geschichte einer Beziehung

Maigret auf Deutsch


Simenon hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, als er in seiner Jugend Artikel mit antisemitischen Einschlag veröffentlichte. Er distanzierte sich davon recht deutlich, aber nicht von Menschen, die diesen Ansichten treu geblieben waren. Man kann eine gewisse Ironie darin sehen, dass ausgerechnet er in Deutschland einen jüdischen Verleger hatte und sich sein Siegeszug hierzulande deshalb verzögerte.

Die Gelegenheiten

Ich beginne aber mal ganz woanders: Mitte des Jahres bekam ich eine Email von einem Mann, den ich nicht kannte. Wenn ich etwas faszinierend finde, dann mit wie vielen Menschen man Kontakt über die Tatsache bekommt, dass man sich mit Simenon beschäftigt. Über die Jahre habe ich viele nette, interessante Bekanntschaften geschlossen und viele interessante Kontakte gehabt, dass ich allein dafür schon dankbar bin. In dieser Mail wurde mir kurz und knapp mitgeteilt, dass im »Antiquar 2/20« ein Artikel mit dem Titel »Maigret auf deutsch. Geschichte einer Beziehung« über Simenon erschienen wäre.

Jetzt ist es so, dass ich keinen direkten beruflichen Bezug zum Buchwesen habe. Ich bin weder in einem Verlag tätig, noch in einer Buchhandlung – welcher Ausrichtung auch immer. Weder das Börsenblatt ist meine ständige Lektüre, noch andere Fachliteratur. Interessiert bin ich auf die Suche nach dem Blatt gegangene und stellte fest, dass es sich um eine etwas kostspieligere Periodika handelte und meine Bereitschaft, dafür Geld auszugeben, ohne zu wissen, was mich erwartet, war recht gering.

Ich dankte dem Verfasser der Mail für die Information und teilte ihm auch mit, dass ich von einem Erwerb erst einmal absehen würde. Daraufhin bekam ich prompt einen Abzug des Artikels zugesandt und durfte feststellen, dass es sich bei dem Tippgeber um den Autoren des Artikels handelte. Ein außerordentlich interessanter Artikel, wie sich zeigte – es geht an dieser Stelle auch um diesen Artikel.

Zwei Tage später sendete der Mann mir einen Link zum Hessischen Rundfunk und schrieb, dass er auch anders könne. Damit meinte er, dass er auch Radio-Features schreibt. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mein Google zur Hand nahm und recherchierte: Wer war dieser Hans Altenhein? Ein Buch-Mensch, dass kann man sich schon denken, und in all den Jahren auch publizistisch aktiv. In den Jahren 1973 bis 1987 leitete er den Luchterhand-Verlag. Nebenher fand er noch Zeit für Projekte, wie die Mitarbeit an einem Film über Simenon. Mir ist es ein vollkommendes Rätsel, warum in der Wikipedia zwar unzählige Referenzen auf Beiträge von ihm existieren, aber kein eigenes Lemma.

Interlude

Es war mir sehr peinlich, als ich feststellen musste, dass meine Rechtschreib-Korrektur aus »Altenhein« »Altenheim« machte, und es mir beim Absenden der Mail nicht aufgefallen war. Mittlerweile weiß ich, dass ich in guter Gesellschaft bin. Auch der SPIEGEL machte 1983 diesen Fehler, und der Setzer damals konnte sich nicht damit entschuldigen, dass die automatische Rechtschreib-Korrektur zugeschlagen hätte: Die gab es im Bleisatz nicht.

Zurück zum Thema

Während über die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg recht viel bekannt ist und sich anhand von veröffentlichter Korrespondenz und anhand von Zeitungsartikeln nachvollziehen lässt, war über die Geschichte der Ausgaben in der Nazi-Zeit bisher nicht viel veröffentlicht worden.

Hans Altenhein lenkt in dem Artikel den Blick auf die Veröffentlichung der Schlesischen Verlagsanstalt. Über den Verlag ist nicht besonders viel zu finden, aber in den Archiven des »Börsenblatts« fanden sich die entsprechenden Spuren. Sein erster Verleger in Deutschland war Kurt Leo Maschler. Der fünf Jahre ältere Maschler hatte 1927 den Josef Singer Verlag erworben, zu dem auch die Schlesische Verlagsanstalt gehörte. 1934 brachte er die ersten Simenon Titel heraus, elf Titel sollten in den nächsten beiden Jahren erscheinen. 

Einen Blick wirft Hans Altenhein auch auf die Übersetzung der ersten Titel, für den Maschler Harold Friedeberg engagierte. Genannt wurde der Name Harold Effberg. Altenhein beurteilt die Übersetzung so: 

Sie ist ziemlich frei, mal ist der Text verkürzt, mal in einer Art Bildungssprache verfasst, die man von deutschen Unterhaltungsromanen der Zeit kennt

Maschler war weitsichtig und zog in die Schweiz, später nach England – sein Leben konnte er so retten, seine Verlage in Deutschland wurden liquidiert, seine Geschwister konnten ebenfalls emigrieren. Seine Mutter jedoch wurde in Theresienstadt umgebracht.

Er arbeitete auch nach dem Krieg weiterhin als Verleger.

Über den Übersetzer Harold Friedeberg ist leider nichts weiter bekannt.

Mit der Liquidation der Verlage war auch erst einmal Schluss mit Simenon in Deutschland, erst nach dem Krieg ging es weiter. Wenn auch sehr zäh.

Phase 2

Ausführlich geht es in dem Artikel aber auch mit der Geschichte auch dem zweiten Weltkrieg weiter. Simenon war nicht nur ein begnadeter Romancier, sondern er hatte auch einen aufmerksamen Blick, wie sein Werk vermarktet wurde. Was er in Deutschland sah, erfreute ihn wenig. Er hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg und vertrat strikt seine Interessen – freundlich im Ton, in der Sache aber nicht entgegenkommend.

Man bekommt den Eindruck, dass es nicht unbedingt ein Zuckerschlecken gewesen ist, mit Simenon zu arbeiten. Er hat für sich das Beste herausgeholt und für die Verlage hat sich das nicht immer so gerechnet, wie sie sich das erhofft hatten.

Stellenweise liest sich der Artikel wie ein Wirtschaftskrimi. Wirklich bedauerlich, dass er vermutlich nur vom Fachpublikum zur Kenntnis genommen werden wird. Meine Hoffnung ist, dass der Beitrag – hoffentlich nicht in allzu ferner Zukunft – einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wird.